Und dann fällt schon wieder das Mikrofon aus. Dominik Ofner drückt auf das Gerät, einmal, zweimal, dreimal. Ein Blick zur Tontechnik, ein Achselzucken. Irgendwann gibt er auf und brüllt den Text einfach ohne Verstärker von der Bühne, hinaus in den sternenklaren Nachthimmel von Leoben, bis das Mikro wieder anspringt. Die Fans sind trotzdem begeistert, klatschen, tanzen und singen. Das Lied kennen sie auch so:

Dahoam is dahoam

des gibt’s nur einmal auf der Welt.

Solang sich uns’re Erde dreht

gibt’s nix, was so viel zählt.

Es ist "Schürzenjäger-Zeit" beim Open-Air im steirischen Leoben, eine Autostunde nordwestlich von Graz. In den 1990er-Jahren kam niemand in Österreich an ihren Hits vorbei – ob er nun wollte oder nicht. Mit ihrer wilden Mischkulanz aus Volkstanz, Gitarre und Schlager setzten die Tiroler mit den roten Trachtenhemden und den langen Haaren neue kommerzielle Maßstäbe in der volkstümlichen Unterhaltungsmusik, zogen durch die Schlagershows, die zur besten Sendezeit im Fernsehen liefen, und füllten nicht nur Stadien, sondern mitunter ganze Täler. 1996 kamen 100.000 Menschen in ihren Heimatort Finkenberg, um ihre Schürzenjäger zu sehen. Die Autokolonne soll damals bis nach Deutschland gereicht haben. Heute spielt die Band vor 3.500 Gästen auf dem Marktplatz einer Kleinstadt, bei freiem Eintritt.

Noch bis nach der Jahrtausendwende begeisterten sich Millionen Menschen in den Alpenländern für den volkstümlichen Schlager. Junge wie Alte kauften stapelweise Schallplatten und CDs. Bis zu 20 Millionen schalteten ein, wenn im Fernsehen geschunkelt wurde – so viele wie bei Wetten, dass ..?. Der volkstümliche Schlager setzte jährlich allein mit Plattenverkäufen 800 Millionen Franken um, wie 2003 das Schweizer Wirtschaftsmagazin Cash nachrechnete. Addiert man die Umsätze der Konzerte und der Fanartikel dazu, war das Genre ein Milliardengeschäft.

Wer heute dagegen noch volkstümlichen Schlager hört, lebt meist im Altersheim – wenn er überhaupt noch lebt. Schlagerstars wie Helene Fischer und Andrea Berg spielen Songs, die sich am Pop und Rock orientieren, nicht mehr an der Polka. Und Andreas Gabalier inszeniert sich längst als harter Volks-Rock-’n’-Roller in Lederhosen.

Wie also konnte der volkstümliche Schlager derart abstürzen? Was ist aus seinen Helden geworden? Und sind mit ihnen auch das Dirndl, der Hüttenzauber und der Alpenkitsch aus der Populärkultur verschwunden?

Am Nachmittag vor dem Auftritt sitzt Alfred Eberharter jr. auf einer Terrasse in der Leobener Altstadt und trinkt Bier. Mit seinen langen, schwarzen Haaren, dem verkehrt aufgesetzten Band-Käppi auf dem Kopf und den Drumsticks auf dem Tisch passt der 45-Jährige eigentlich eher zum Metalfestival in Wacken als zu einer Schlagernacht. Eberharters Vater, Alfred sr., heute 73 Jahre alt, hat die Schürzenjäger 1973 mitgegründet. Heute spielt er als Einziger der Urformation noch immer in der Band; gerade aber macht er eine Pause in seiner Wahlheimat Kanada. Neben Eberharter sitzt Dominik Ofner, mit 34 Jahren der jüngste Schürzenjäger. Beim Ausdruck "volkstümlicher Schlager" verziehen beide erst einmal das Gesicht. "Wir sind eher eine Crossover-Band zwischen Austropop und Alpenrock", sagt Ofner.

Das Original Naabtal Duo © Max Kohr/​dana press

Längst treten die Schürzenjäger nicht mehr in Tracht auf, sondern in Krawatte und Gilet – und texten rockigere Songs. Warum? "Richtige Volksmusik macht schon noch immer Laune", sagt Eberharter heute. "Aber das Aufgesetzte liegt uns einfach nicht." Immer wieder wurde der volkstümliche Schlager als billig, minderwertig oder gar "volksdümmlich" verspottet.

Eberharter war fast noch ein Kind, als er die Boomjahre der Schürzenjäger miterlebte – auf der Bühne. Als er 18 Jahre alt war, nahm ihn sein Vater als Schlagzeuger mit auf Tour. Wenn er an diese Zeiten denkt, schüttelt er heute ungläubig den Kopf. Dann fallen Worte wie "unvorstellbar" oder "Wahnsinn". Mit drei Trucks tourten die Schürzenjäger durch die Alpenländer: einem für das Equipment, einem für die Band und einem für die Merchandise-Produkte. Ein früherer Schürzenjäger-Manager erinnerte sich im Magazin News: "Es war gigantisch, nach jedem Konzert mussten wir nach dem Fanartikelverkauf ganze Plastiksäcke voller Bargeld auf die Bank bringen."

Und heute?