Köln wehrt sich gegen Rechtsradikale
Die rechte Großkundgebung ist abgesagt, die Demonstranten jubeln. Das Kölner Herzblut hat gegen den "rassistischen Schwachsinn" gesiegt, sagt Oberbürgermeister Schramma. Doch was die einen als Zivilcourage der Kölner feiern, kritisieren andere als Einschränkung der Meinungsfreiheit.
Da brüllt er wieder. „Deutschland ist kein freies Land!“, skandiert Mario Borghezi der rechtsextremen Lega Nord, im Europaparlament als Schreihals bekannt. „In Italien hätte sich die Polizei den Autonomen niemals gebeugt!“ Borghezi, vorbestraft wegen Brandstiftung, weil er einst die Lager von Einwanderern angezündete, steht auf dem Kölner Heumarkt, vor ihm etwa 50 Anhänger der Bürgerbewegung „Pro Köln“.
Doch der angekündigte „Anti-Islamisierungskongress“ auf dem der italienische Übervater der Rechtsextremen der Starredner hatte werden sollen, findet nicht statt. Ein Plakat der Veranstalter mit dem Slogan „Stop Islam“ baumelt hinter der Bühne an einer Häuserwand. Gerade ist die Nachricht durchgedrungen, dass die Polizei die angekündigte Kundgebung der rechtsradikalen Wählervereinigung abgesagt hat, weil die Sicherheit der Teilnehmer nicht garantiert werden könne.
Die Zugänge zum Kundgebungsplatz sind versperrt. Linksautonome haben ringsherum Blockaden errichtet und die Polizei angegriffen. Schlagstöcke und Pfefferspray kamen zum Einsatz, eine „so explosive Lage“ sei entstanden, dass die Beamten nach eigener Einschätzung weder die Unversehrtheit der Rechtsradikalen, noch die der Bürger hatte garantieren können. „Die Sicherheit unserer Kölner geht vor“, sagte ein Polizeisprecher. „Wir können jetzt nicht zusehen, wie ein paar hundert Besucher dieser Veranstaltung sehenden Auges in eine Schlägerei rein rennen.“
"Ein Sieg der Stadt Köln"
Jubel dringt aus den Gassen hinter den Barrikaden. Auf dem Domplatz weniger hundert Meter entfernt hatten sich mehrere Tausend zu einer friedlichen „Demonstration gegen Rechts“ versammelt, die sonst weniger gemeinsam haben. Die SPD schwenkt ihre roten Fahnen neben der Linkspartei, den Kommunisten der DKP und der Gewerkschaft der Polizei. Daneben Vertreter katholischer Kirchengemeinden. Sie sehen in dem Kongress die größte rechte Kundgebung in Köln seit Kriegsende, bei der unter dem Deckmantel der Islamkritik Stimmung gegen Ausländer gemacht werden soll.
Hier war die Stimmung friedlich-fröhlich. „Die Kölner machen eben aus allem eine Karnevalsparty“, sagt einer und schaut sich eine Gruppe singender Bauchtänzer an. Auch der Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) trat auf, erleichtert über das Verbot der Veranstaltung. „Es ist ein Sieg der Stadt Köln, ein Sieg der demokratischen Kräfte dieser Stadt“, sagte er. „Andererseits bin ich doch traurig, dass einige Chaoten Polizisten angegriffen haben.“ Kurz zuvor hatte er die „verfaulte Clique des Eurofaschismus“ kritisiert und für ein multikulturelles Köln plädiert.
Und so hatte die Polizei auch ein wenig nachgeholfen, dass die Pro Köln-Teilnehmer keine Chance hatten, zum Kundgebungsplatz durchzudringen. Einige wurden von den Beamten einfach nicht durch die Absperrung gelassen. Am Kölner Flughafen saßen rund 150 Anhänger europäischer nationalkonservativer Parteien fest, die den Kongress organisiert und finanziert hatten: Vertreter der belgischen Vlaams Belang, der österreichischen FPÖ, der italienischen Lega Nord und der französischen Front National.
Plan einer rechtspopulistischen europäischen Partei
Ihr Ziel war es, an diesem Wochenende einen Grundstein zu legen, um eine große rechtspopulistische europäische Partei zu gründen mit einer Bruderpartei „Pro Köln“, die sich in naher Zukunft als eine Partei „Pro Deutschland“ etablieren soll. Doch ein „deutsches Standbein“ zu gründen, wie es Filip Dewinter, Fraktionsvorsitzender der Nationalistischen Vlaams Belang ausdrückte, scheint offenbar diffiziler als gedacht. Keiner der Organisatoren hatte mit einem solch großen und breiten Widerstand gerechnet.
Was der eine als Engagement und Zivilcourage der Kölner feierte, kritisierte der andere als Einschränkung der Meinungsfreiheit. „Ein Kongress im Sinne einer sachlichen Auseinandersetzung um die Frage Islamismus findet doch gar nicht statt“, sagt eine Vertreterin des Zentralrats der Ex-Muslime. Die Kundgebung der sogenannten „Dritten Kraft“ ging zwischen Rechtsextremen und Gegendemonstranten unter. Schilder mit der Aufschrift „Frauenrechte sind Menschenrechte“ oder „Aufklären statt Verschleiern“ verschwanden bald im allgemeinen „Kein Kölsch gegen Nazi“-Trubel.
„Wir sind gar keine Rechtsradikalen“, sagt Rentner Theo Kerp aus Köln Ehrenfeld, dem Stadtteil wo die geplante Moschee gebaut werden soll. „Aber wir machen uns Sorgen um unsere Nachbarschaft, aber das darf man doch hier gar nicht laut sagen. Islam-Kritiker werden gleich als Nazis abgestempelt.“
"Pro Köln" will sich nicht mit der Absage der Polizei zufrieden geben und nun gerichtlich durchsetzen, dass ihre verhinderte Kundgebung an einem neuen Termin durchgeführt wird. "Wir wollen vom Verwaltungsgericht möglichst schnell feststellen lassen, dass der polizeiliche Notstand widerrechtlich verhängt wurde. Dann machen wir eine Neuauflage des Anti-Islamisierungskongresses", erklärte der Schatzmeister von "Pro Köln“, Manfred Rouhs. Die Polizei habe seit langem gewusst, dass einige Zehntausend Gegen-Demonstranten auftauchen würden und hätte für eine ausreichende Sicherheit sorgen müssen.
Die Kommunalwahl 2009 im Hinterkopf, wolle Pro Köln sein Ziel erreichen und die Stimmen der Moscheegegner auf sich vereinen – also genau das tun, was Kritiker ihnen vorhalten: die Ängste vor einem politischen Islamismus für Wahlkampfzwecke zu mobilisieren. Wohlmöglich waren nicht alle Demonstranten Befürworter der Moschee in Ehrenfeld, aber das war an diesem Tag nicht vorrangig. Sie zeigten Flagge gegen die Rechtsextremen, die bereits am Tag zuvor aus mehreren Hotels und Gaststätten verwiesen wurden.
So schunkelten am Nachmittag die Demonstranten und die Kölner zu den Klängen rheinischer Lieder. „Du bes Kölle, Du bes super tolerant.“ Am Ende hatte vielleicht auch der eine oder andere vergessen, worum es eigentlich noch mal gegangen war. Die Stimmen, die die Gewalt am Ende des Tages verurteilen, waren nur sehr leise wahrnehmbar. „Köln hat sich erfolgreich quer gestellt“, lobte Oberbürgermeister Schramma am Nachmittag. „Mit Herzblut, Witz und Intelligenz haben wir uns gegen diesen rassistischen Schwachsinn gestemmt.“