Der “TramTrain” ist in Mode, in diversen Regionen Europas entstanden und entstehen solche Systeme, doch oft handelt es sich um verschiedenen Arten von Mischformen – nur an vergleichweise wenigen Orten findet tatsächlich Eisenbahn- und Straßenbahn-/Stadtbahnbetrieb auf gleichen Gleisen statt. Nun kommt eine erste solche Anlage in Spanien dazu: Die TRAMBAHIA nahm am heutigen 26. Oktober 2022 ihren Betrieb auf. Die spanische Verkehrsministerin Raquel Sánchez, der Regionalpräsident Juan Manuel Moreno und weitere Vertreter aus der Regional- und Lokalpolitik weihten am Vormittag die neue Verbindnung ein.
Die Strecke
Es war wahrlich ein langer Weg:
Nach 25 Jahren der Planung und Umplanung, mehr als 15 Jahren Bau und mehr als 8 Jahre nach Lieferung der ersten Fahrzeuge fährt die neue Linie nun über 24 km von der Provinzhauptstadt Cádiz über San Fernando nach Chiclana. Die ersten 10,3 km benutzt die TRAMBAHIA die Hauptstrecke der spanischen Staatsbahn mit, die das auf einer Halbinsel gelegene Cádiz über eine schmale Landbrücke mit San Fernando auf dem Festland verbindet. Dies ist auch der Grund, warum die neue Linie auf 1.668 mm spanischer Breitspur fährt, auch wenn Fahrzeuge und Infrastruktur einige Optionen für eine mögliche Umspurung auf Normalspur vorsehen. Am Ortseingang von San Fernando gehen die Bahnen auf ihre eigene Strecke über, die sie quer durch den Ort führt, mit Gleisverschlingungen an Engstellen im Zuge der Hauptstraße. Daran schließt ein Überlandabschnitt an, danach durchquert die Bahn die Gemeinde Chiclana und endet am südöstlichen Ortsrand in einem Industriegebiet. Dort liegt auch das Depot. Gefahren wird auf der Staatsbahnstrecke unter 3.000 V Gleichstrom, auf eigener Strecke unter 750 V=.
Insgesamt 21 Stationen werden im Linienverlauf bedient. Cádiz hat rund 117.000 Einwohner, San Fernando 95.000 und Chiclana 83.000. Im Sommer kommt noch einmal eine erhebliche Anzahl an in- und ausländischen Touristen dazu – Fahrgastpotential ist also unweifelhaft erkennbar. Angeboten wird auf der Gesamtstrecke täglich ein angenäherter Stundentakt, montags-freitags kommen noch zusätzliche Fahrten auf der eigenen Strecke zwischen Rio Ardillo und Chiclana mit Anschluss an RENFE-Regionalzüge dazu.
Warum hat es so lange gedauert?
Die Verzögerungen bei der Realisierung haben und hatten mehrere Ursachen:
- In Spanien gibt es bislang keinen technische und operative Erfahrung bei einer solchen Systemverknüpfung
- Divere öffentliche Stellen und Behörden waren einzubinden und mussten sich abstimmen: Drei Gemeinden, die Regional- un, die Provinzverwaltung, die Staatsbahn RENFE und der staatliche Bahninfrastruktureigner ADIF, unterschiedliche Genehmigungsbehörden etc.
- Die Finanz- und Wirtschaftskrise, die das Projekt zwischen 2011 und 2015 weitgehend ruhen ließ
So waren größere Teile der Trassierung und auch die eigenen Gleise innerhalb von San Fernando und z.T. auf dem Überlandabschnitt bereits 2011 fertiggstellt. Doch danach ging es quälend langsam voran – es fehlte einfach an Geld. Insgesamt wurden 267 Mio. EUR verbaut, davon 99 Mio. an EU-Fördergeldern, deren Rückzahlung aufgrund der verzögerten Inbetriebnahme lange Zeit zur Diskussion statt. Am Ende konnte die Regionalregierung dies jedoch noch einmal verhindern.
Die Wagen
Doch nun sollte dies alles schon bald vergessen sein, die sieben dreiteiligen TramTrain Züge vom einheimischen Hersteller CAF fahren fahrplanmäßig. Es handelt sich um 38,1 m lange teilniederflurige Wagen, die bis zu 287 Fahrgästen Platz bieten sollen, davon 92 sitzend (Stehplätze 8 Personen/m2).
Die Einstiege sind angepasst für Halt an hohen Bahnsteigen auf der Staatsbahnstrecke und niederflurige Halte auf eigener Trasse, je zwei sind auf jeder Seite jeweils hoch und niedrig angeordnet. Deshalb gibt es im Wageninneren unterschiedliche Fußbodenhöhen.
Komplex war zweifellos das Zulassungsverfahren, müssen die Züge doch als Tram im Straßenraum, auf eigener Überlandstrecke und dann auch noch auf Staatsbahngleisen einschließlich dem unterirdischen Abschnitt im Stadtgebiet von Cádiz fahren können. Unterschiedliche Zugsicherungssysteme sind deshalb an Bord der Züge, die auf der Hauptbahn für Vmax 100 km/h zugelassen sind.
Drei weitere Züge sind aktuell ausgeschrieben, im Hinblick auf erwartete, höhere Fahrgastzahlen.
Blick nach vorn
Bei Bewährung des Systems sind künftig Verbindungen u.a nach Puerto Real, Puerto de Santa María und Jérez de la Frontera angedacht, auch eine kurze Verlängerung in die Alststadt von Cádiz wäre mehr als sinnvoll. Planungen gibt es auch dafür schon lange, doch warten wir erstmal den Akzeptanz der ersten Linie ab.
Wünschen wir den neuen Bahn gute Fahrt und viele Fahrgäste!