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Skirennfahrerin Lara Gut-Behrami: Weniger ist schneller - Sport - SZ.de

Ski alpin:Weniger ist schneller

Lesezeit: 3 Min.

Ein Präsent aus Kristall, rund sechs Wochen vor ihrem 33. Geburtstag: Lara Gut-Behrami mit der Trophäe für den Sieg im Gesamtweltcup. (Foto: Alain Grosclaude/Getty Images)

Lara Gut-Behrami hat sich von vielem gelöst: von fremden und eigenen Erwartungen, internen Debatten. Mit fast 33 Jahren hat sie einen ihrer besten Winter hinter sich - als älteste alpine Gesamtweltcupsiegerin der Geschichte.

Von Johannes Knuth

Große Dinge kündigen sich ja oft im Kleinen an, und wenn man noch mal zurückspult zu dem, was die Skirennfahrerin Lara Gut-Behrami vor knapp einem halben Jahr in Sölden über ihre Saisonvorbereitung erzählte, konnte man es schon ahnen. Eine 18-Jährige, sagte Gut-Behrami damals, müsse bei Wind und Wetter auf die Piste ziehen, um zu lernen, wie man unter all diesen Bedingungen schnell ist. Und selbstredend müsse diese junge Athletin noch lernen, wie scharf etwa ihre Skikante geschliffen, der Skischuh justiert sein muss, je nachdem ob der Untergrund weich oder eisig oder sulzig ist. Aber in ihrem Alter, mit 32 Jahren, habe sie diesen Schatz an Erfahrungen längst zusammengetragen, da spare sie sich ihre Kraft für ausgewählte Momente auf. So klang eine, die im Kopf schon viel gewonnen hatte, bevor auf der Piste ein einziger Schwung gefahren war.

Ein paar Monate später blickt die Schweizerin auf einen Winter, der auch ohne Weltmeisterschaften und Olympia als einer ihrer besten durchgeht. Gut-Behrami hat schon jetzt den Gesamtweltcup sowie die Disziplinenwertung im Riesenslalom sicher, am kommenden Wochenende könnte sie beim zweiten Part des Saisonfinales in Saalbach-Hinterglemm das Klassement im Super-G und in der Abfahrt gewinnen. Vier Wertungen in einem Winter entschieden bei den Frauen bislang nur Lindsey Vonn (2010, 2012) und Mikaela Shiffrin (2019) für sich. Klar, in Sofia Goggia verletzte sich mal wieder die beste Tempofahrerin, und Shiffrin, die fast nie stürzt, lädierte sich so sehr das Knie, dass ihr die sicher geglaubte Gesamtwertung entglitt. Andererseits: Halbwegs gesund durch einen Winter zu kommen ist gerade im Alpinsport, der sich auch in dieser Saison im gruseligen Takt die Spitzenathleten nahm, eine Leistung für sich. Und dass Gut-Behrami dies mit fast 33 Jahren schaffte, erzählt schon einiges über ihr Opus: Älter war bei den Alpinen noch keine Gesamtsiegerin.

Vorsprung durch Skitechnik: Kaum eine Fahrerin fährt so kurze Wege wie Lara Gut-Behrami. (Foto: Pontus Lundahl/AFP)

Die Neue Zürcher Zeitung hat zuletzt Begleiter berichten lassen aus den nun 16 Wintern, die Gut-Behrami im Weltcup verbracht hat, und am interessantesten war wie immer der Schwenk in jene Zeit, als die Athletin ihren Halt noch nicht ganz gefunden hatte. Damals fegte Gut wie eine "Naturgewalt" durch den Sport, erinnerte sich ihr damaliger Trainer Mauro Pini; bei ihrer ersten Abfahrt in St. Moritz stürzte sie ins Ziel, wurde trotzdem Dritte - als 16-Jährige. Im Ziel gab sie Interviews auf Deutsch, Englisch, Italienisch, Französisch, sogar Spanisch; sie ahnte noch nicht, dass man nicht nur geben, nicht immer mit voller Gewalt über alle Bühnen fegen kann. Auch intern ging es hoch her, Gut war noch ein Teenager, als Vater Pauli für seine zweifellos begabte Tochter eine Sonderrolle einforderte, eigene Trainer und Betreuer. Das kannten sie im Schweizer Verband so nicht: Solche Privilegien wurden nur denjenigen zuteil, die schon ganz oben standen.

Entsprechend häufig krachte es. Gut und ihre Familie wagten es trotzdem: alles auf die Tochter zu setzen, mit einem eigenen Team an Betreuern, obwohl weder viel Geld da war noch Gewissheit, dass es etwas wird mit der großen Karriere. Andererseits erinnerte sich Urs Lehmann, der Schweizer Verbandschef, jetzt an eine Sitzung damals: Guts Vater habe das Wort ergriffen, ehe ihn die 19-jährige Tochter am Arm genommen und gesagt habe: "Papa, jetzt rede ich." Diese Verantwortung für eine Familie zu übernehmen, sagte Lehmann, habe ihm schwer imponiert.

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Und während die Karrieren anderer Athleten rasch verglühten, strahlt Gut-Behramis Stern noch heute, eineinhalb Jahrzehnte später. Da ist ihre Technik, die ihr so enge Kurven ermöglicht, dass sie weniger Weg zurücklegt als andere, wie die einstige Gesamtweltcupsiegerin Anna Veith kürzlich dem Wiener Standard erzählte. Da ist der Erfahrungsschatz: "Ich fühle mich in 99 Prozent der Fälle wohl auf den Ski, unabhängig von der Piste, der Kurssetzung, den Schneeverhältnissen", sagte Gut-Behrami zuletzt. Da ist das Wissen, dass es sich lohnt, ein Training auch mal auszulassen, nicht jedes Rennen mit voller Kraft zu fahren, weil Erfolge letztlich nichts wert sind, wenn man deshalb später mit kaputten Knien durchs Leben geht. Und da ist die Praxis, dass Gut-Behrami schon noch offen ihre Meinungen kundtut - wenn der Weltverband Fis etwa das umstrittene Fluorwachsverbot durchsetzt -, ansonsten aber so viel Zeit wie möglich mit ihrem Ehemann verbringt, dem einstigen Fußballer und HSV-Profi Valon Behrami. Das Gefühl, das dies alles verbindet, hat die Athletin kürzlich so beschrieben: "Alles in den eigenen Händen zu haben."

Oder in Zahlen gegossen: Schon jetzt, nach 26 Rennen in diesem Winter (sechs weniger als bei ihrem Gesamtsieg 2015/16) hat Gut-Behrami 1680 Punkte gesammelt (statt 1522), acht Rennen gewonnen (statt sechs), 16-mal auf dem Podest gestanden (statt 13-mal), sich nur dreimal jenseits der besten Sechs klassiert. Zuletzt flammte auch immer mal wieder das Gerücht auf, das schon vor der Saison die Runde gemacht hatte: dass Gut-Behrami aufhören könnte. Andererseits: Warum aufhören, wenn man gelernt hat, dass weniger auch mal schneller ist?

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