Wer sein Geschlecht oder seinen Namen ändern will, muss in Luxemburg fortan kaum mehr Hürden überwinden. Das Parlament hat mit deutlicher Mehrheit eines der fortschrittlichsten Gesetze weltweit verabschiedet, das die Rechte von Transgendern und Intersexuellen regelt. Es sieht eine Vereinfachung des Verfahrens zur Änderung des Personenstands vor.
57 von 60 Abgeordneten stimmten am Mittwoch für das Gesetz. Abgeordnete der rechtspopulistischen Alternativen Demokratischen Reformpartei stimmten dagegen. "Es freut mich, dass wir uns in der Debatte in Luxemburg parteiübergreifend größtenteils einig sind", sagte Justizminister Félix Braz (Die Grünen) der SZ. Das Gesetz sei ein Fundament, um die Akzeptanz der Betroffenen zu stärken.
Eher eine Deklaration als ein Antrag
Fortan bedarf es keiner ärztlichen Atteste oder eines medizinischen Eingriffs durch Operation oder Hormonbehandlung mehr, um sein Geschlecht oder seinen Namen offiziell zu ändern. Man muss lediglich einen Antrag beim Justizministerium einreichen, wohingegen früher noch mindestens die Bescheinigung eines Arztes nötig war. Der Prozess sei nun vollständig "depathologisiert", also nicht mehr Teil eines medizinischen Problems. "Diese Personen haben keine Krankheit. Wir machen sie krank, wenn wir nicht akzeptieren, wer sie sind."
Zudem erkenne der neue administrative Weg, der viel mehr eine Deklaration als ein Antrag sei, die Selbstbestimmung des Menschen an. Die Reform sei deshalb wichtig gewesen, weil Betroffene sich fortan nicht mehr als "Bittsteller" fühlen müssten, die von der Entscheidung eines anderen abhängig sind, sagte Braz.
Intersexuelle Personen kommen mit sowohl weiblichen als auch männlichen Geschlechtsmerkmalen zur Welt. Schätzungen der Vereinten Nationen zufolge sind das zwischen 0,05 und 1,7 Prozent der Weltbevölkerung, das entspricht etwa dem Anteil der Rothaarigen. Transgender sind Personen, deren gefühltes Geschlecht nicht mit dem Geschlecht übereinstimmt, das ihnen von Geburt an zugewiesen wurde. In dem Bericht des Justizausschusses heißt es dazu: Für Transgender und Intersexuelle sei es "schwierig, ihren Platz in der Gesellschaft zu finden". Sie würden häufig diskriminiert. Auch wird auf ein höheres Suizidrisiko hingewiesen.
Das Gesetz ist auch im europäischen Vergleich progressiv
Gerade deshalb sei es so wichtig gewesen, das Verfahren so stark wie möglich zu vereinfachen. "Wir wollten ein Gesetz, das den Menschen wirklich hilft. Punkt. Und wenn es von anderen missbraucht werden sollte, dann nehme ich das gerne in Kauf", sagte Braz. Schnell und einfach sollte es für die Betroffenen möglich sein, ihren Personenstand zu ändern. Allerdings muss die Person glaubhaft machen, dass der Wunsch nach einer Änderung des Geschlechts begründet ist, also dass er oder sie sich schon öffentlich dazu bekennt und im Bekanntenkreis entsprechend auftritt. "Das kann ein Brief der Eltern oder eine Bestätigung einer NGO sein."
Das Großherzogtum Luxemburg hat bei circa 600 000 Einwohnern einen hohen Anteil an Ausländern: knapp 48 Prozent. Dass das neue Gesetz auch für sie gilt, sei daher wichtig. Minderjährige sind auch berechtigt, Namen und Geschlecht zu ändern, sofern ihre Eltern zustimmen. Bei Uneinigkeit wird der Antrag vor Gericht gebracht, das im Interesse des Kindes entscheidet. "In der Regel stellen wir fest, dass die Eltern ihr Kind sehr unterstützen", sagt Braz.
Das Gesetz gilt im europäischen Vergleich als progressiv, ähnlich liberal ist die Gesetzgebung in Norwegen. In Malta, Dänemark, Portugal, Belgien und Irland sind die Verfahren zur Änderung des Geschlechts ebenfalls besonders unkompliziert.