ÖSTERREICH Gelber Stern
Auf Mitgliedern großer Dynastien lastet stets das Gewicht der Geschichte, auch wenn die Zeiten herrschaftlicher Blüte schon etwas zurückliegen. Karl Thomas Habsburg-Lothringen ist da keine Ausnahme.
Der 1961 geborene Kaiserenkel sei »liebenswürdig und gutmütig«, sagt Lacy Milkovics, ein langjähriger Vertrauter. In Familienkreisen weiß man, daß diese Eigenschaften auf Kaiser Ferdinand den Gütigen zurückzuführen sind, der kaum seinen Namen schreiben konnte. »Regieren ist leicht, nur unterschreiben ist schwer«, hatte der Monarch einmal erklärt, ehe er im Revolutionsjahr 1848 abdanken mußte.
150 Jahre später muß Nachfahre Karl nun Ähnliches durch den Kopf gehen. »Unberührt von der Muse der Intelligenz«, wie Milkovics spottet, verhält er sich wie weiland Ferdinand: Was sich in seinem Umfeld zuträgt, interpretiert er eigenwillig, und mit Unterschriften hält er sich auch zurück. Nun steckt er in der »größten Krise der Habsburger seit 1918«, meint das Nachrichtenmagazin »News«.
Das »Habsburli« ("Der Standard"), dessen nie endendes Jurastudium schon das Wiener Parlament beschäftigte, war bis vor wenigen Monaten Vorstandsmitglied beim österreichischen Ableger des Hilfswerks World Vision - wo offenbar Spenden in Millionenhöhe veruntreut wurden.
International hat die Organisation, die mit »Patenschaften« für Kinder in armen Ländern lockt, einen denkbar schlechten Ruf, weil sie einen ungewöhnlich hohen Teil ihrer Spendengelder für Werbe- und Verwaltungskosten aufwendet (siehe Seite 38).
Dem Kaiserenkel fiel freilich kein Mißstand auf. Er merkte nicht einmal, daß erhebliche Beträge österreichischer Spender auch der extrem konservativen Paneuropabewegung Österreich zuflossen, deren Vorsitzender er selbst ist. Tatsächlich trägt keiner der belastenden Belege seine Unterschrift.
Nichts will Karl davon gewußt haben, daß mindestens 30 000 Mark an World-Vision-Spenden direkt für seinen Wahlkampf genutzt wurden, der ihn 1996 als Kandidat der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) auf Platz zwei der Liste ins Europaparlament brachte.
Die Affäre, die jetzt stückchenweise aufgedeckt wurde, focht den demokratisch gewählten Abgeordneten aus dem ehemaligen Kernland der Habsburgerkrone nicht an. Er beschloß, alles hochherrschaftlich auszusitzen.
Höchstwahrscheinlich wäre er damit sogar durchgekommen. Da aber eilte sein Vater, der letzte Kronprinz der Donaumonarchie, Karl zu Hilfe. Franz Josef Otto, 86, der lange die weiße Vorherrschaft in Südafrika verteidigte und seit 1979 für die bayerische CSU im Europaparlament das Wort ergreift, nahm seinen Sproß entschlossen in Schutz. »Karl wird angegriffen, weil er den gewissen gelben Stern trägt, den Namen Habsburg«, legte er los. »Die armen Juden haben ja Entsetzliches mitgemacht. Ich denke oft an sie in diesem Zusammenhang.«
Das war zuviel. Die väterliche Verteidigung sei »eine historische und moralische Frechheit«, empört sich der Innsbrucker Politologieprofessor Anton Pelinka: »Wer illegale Spendenflüsse aufdeckt, soll so zum Nazi gestempelt werden, und die Habsburger, die einen Weltkrieg und millionenfaches Elend zu verantworten haben, verwandeln sich in verfolgte Juden.«
Dabei haben sich auch zwei jüngere Brüder Otto Habsburgs schon ungeniert mit jüdischen Nazi-Opfern verglichen und entsprechende Wiedergutmachungsforderungen gestellt. »Wir haben auch ein Recht auf unsere eigene Kompensation, weil uns derselbe Feind Eigentum weggenommen hat«, sagte Erzherzog Felix Anfang Dezember im Rahmen der Holocaust-Konferenz über geraubte Vermögenswerte in Washington.
Hier verdrehte er ganz verwegen die historischen Tatsachen. Die Habsburger wurden nämlich bereits unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg enteignet. Für kurze Zeit erhielt die Familie allerdings in den dreißiger Jahren einige ihrer Besitztümer zurück, weil sie sich mit den damals in Wien regierenden Austrofaschisten arrangiert hatte.
Doch auch dieses peinliche Kapitel seiner Hausgeschichte verdrängt der Clan. Er vertraut auf einen zähen Habsburger-Mythos, der allen Entlarvungen von Historikern standhält. So gelang es dem Familienstrategen Otto zuletzt, seinen zweiten Sohn Georg, 34, zum Sonderbotschafter Ungarns für die europäische Integration hochzuloben.
Der greise Habsburger läßt sich von wachsender Kritik aus konservativen Reihen nicht beeindrucken. Die ÖVP fürchtet, Spenden-Karl gefährde ihre Chancen bei anstehenden Wahlen in drei österreichischen Bundesländern, was wiederum zum Rücktritt des ÖVP-Vorsitzenden Wolfgang Schüssel führen könnte.
Karl solle »alles tun«, um auch bei der Wahl im Juni 1999 wieder ins Europaparlament zu gelangen, verkündete dagegen Otto. Für eine eventuelle politische Niederlage hat sein Sohn schon vorgesorgt: »Ein Habsburger«, erklärte er beizeiten, »denkt in Jahrhunderten.«
Der österreichische Schriftsteller Michael Köhlmeier zieht aus der jüngsten Affäre der Habsburger allerdings einen anderen Schluß. »Mit Staunen habe ich gelernt«, so der Autor, »daß es bei Kaisers so zugeht wie bei Fußballern. Wer bis 17 zählen kann, gilt bereits als Genie.« HANS-PETER MARTIN
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Östereich
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