INDUSTRIELLE Voll zu tun
Als Arend Oetker am vorletzten Freitag seinen Anstellungsvertrag unterschrieben hatte, war abends eine kleine Feierlichkeit angesagt: Im Kölner Hotel Excelsior versammelten sich Manager und Aufsichtsräte des Otto-Wolff-Konzerns zu Ehren des neuen Chefs zu einer abendlichen Tischrunde.
Die reine Freude wurde das Essen nicht, weil, wie Oetker sagt, »aus allen Rohren auf mich geschossen wurde«.
Betriebsräte und Kontrolleure wie Friedrich Wilhelm Christians, Sprecher der Deutschen Bank, mahnten den neuen Chef von 17000 Beschäftigten, sich völlig auf seinen künftigen Job zu konzentrieren. Seine Ehrenämter, sei es im CDU-Wirtschaftsrat oder in den Präsidien der deutschen Industrie- und Arbeitgeberverbände, müßten nun zurückstehen.
Tatsächlich wird Arend Oetker in dem Firmenreich seines Schwiegervaters Otto Wolff von Amerongen alle Hände voll zu tun haben: Dem Stahl- und Handels-Konglomerat, das mit einem Umsatz von 5,4 Milliarden Mark zu den letzten großen Familienunternehmen der Bundesrepublik gehört, geht es nicht besonders gut. Am Ende des vergangenen Jahres mußte Otto Wolff den Konzernverlust von 62 Millionen Mark durch einen Griff in die Rücklagen abdecken. Nach einer ersten Durchsicht der Bücher fand der neue Chef, daß die Firmengruppe seines Schwiegervaters, den Kölner Freunde »Otsch« rufen, »nicht gerade auf Rosen gebettet ist«.
Arend Oetker, ein Neffe des Bielefelder Patriarchen Rudolf August, halst sich zum zweiten Mal in seinem Leben familiäre Wirtschaftsprobleme auf. Vor 2O Jahren, als seine Mutter Ursula im Streit von ihrem Bruder Rudolf August schied, machte er sich zum ersten Mal nützlich.
Seine Mutter hatte zum Abschied zwei Firmen bekommen: die damals reichlich schwankende Marmeladenfabrik Schwartau und eine Nähmaschinenfabrik namens Kochs Adler. Sohn Arend, der offenbar ein gutes Gespür für die richtigen Leute hat, legte zunächst selbst Hand an und nahm später tüchtige Manager in die Firmen auf. Beide Unternehmen stehen heute auf festem Grund.
Insgeheim hatte Oetker wohl schon lange damit gerechnet, irgendwann von seinem Schwiegervater gerufen zu werden. Doch Otto Wolff, der eigentlich mit 65 Jahren hatte aufhören wollen, hängte noch zwei Jahre dran, um seine Firma »besenrein« an seinen Nachfolger übergeben zu können.
Wer das sein würde, war lange unklar. Seine drei Töchter kamen jedenfalls nicht in Frage. Daß die jüngste, Jeanne, sogar Psychologie an der kalifornischen Berkeley-Universität studieren würde, hat er heute noch nicht so richtig verkraftet: »Das war ein Elfmeter gegen die Familie.«
Bei seinen Wunschkandidaten handelte sich Wolff nur Absagen ein. Preussag-Chef Günther Saßmannshausen wollte nicht wechseln, weil ihm der Job in Köln zu aufreibend erschien. Der Vorstandsvorsitzende der Ruhrgas AG Klaus Liesen, einer von Wolffs drei Testamentsvollstreckern, bleibt lieber an der Spitze seines Monopolbetriebs. Der Selbstläufer schafft jährlich ohne größere Probleme einen Gewinn von über 400 Millionen Mark.
Vor die Wahl gestellt zwischen dem Ex-Chef der Aufzugsfabrik Schindler, Peter Weichhardt, der den Job sofort angenommen hätte, und Schwiegersohn Arend, entschied sich Wolff für »den Naheliegenden«.
»Den Arend«, meinte Wolff, »schlucken meine jungen Herren im Vorstand leichter.«
Besonders seine beiden früheren Assistenten, die er zu Vorstandsmitgliedern machte, hätten es dem alten Herrn nicht nachgesehen, wenn er ihnen einen gleichaltrigen Fremden vorgesetzt hätte. Peter Jungen, der ehrgeizige Chef der Maschinen- und Anlagenbau-Sparte PHB Weserhütte (PWH), hatte sich nämlich insgeheim selber Hoffnungen auf den Chefposten gemacht. Doch die Chancen hatte er verspielt, als er mit
Devisentermingeschäften Geld in Millionenhöhe verlor.
Flops unterliefen freilich auch dem gewieften Stahl- und Osthändler Wolff. Deutschlands dienstältester Industrieller, der 1940 mit 21 Jahren Vaters Firmenerbe antrat, verlor durch ein unternehmerisches Mißgeschick in den USA eine Viertelmilliarde Mark.
Wie viele andere hatte der Kölner in den siebziger Jahren geglaubt, in Amerika das große Geld machen zu können. Er investierte in eine Stahlfabrik bei Houston (Texas) und zog ein Handelsgeschäft für Stahlerzeugnisse auf.
Doch die weltweite Stahlflaute und die Baukrise in den Südstaaten der USA machten ihm einen Strich durch die Rechnung. Nur mit großzügigen Krediten der befreundeten Deutschen Bank und dank seines finanziellen Polsters kam Wolff über die schwere Zeit. Bis auf die privat erworbene Ranch in Texas, auf der Alfred Herrhausen von der Deutschen Bank seine Frau kennenlernte, ist ihm in den Staaten nichts mehr geblieben.
Im vergangenen Jahr mußten zusätzlich Verluste aus Liefergeschäften mit Südafrika und aus einem Großauftrag in Brasilien bereinigt werden. Der Ausflug nach Südamerika nahm ein besonders skurriles Ende: Der Verlust bei der Produktion von Bohranlagen lag höher als der 20-Millionen-Mark-Umsatz.
Gerade in diesen Monaten zeigt es sich, wie krisenanfällig einige Teile im Wolff-Imperium sind. Nur die vom Partner Thyssen gesteuerten Eisen- und Hüttenwerke bringen derzeit einen zweistelligen Millionengewinn. Im Stahlhandel muß kräftig zugeschossen werden. Nachdem die Sowjet-Union und China einige Aufträge storniert haben, drückt ein weltweites Überangebot auf die Preise.
Wenig Freude dürfte der neue Firmenchef Oetker auch mit dem Maschinen- und Anlagenbau haben. Wegen des kräftigen Rückgangs des Dollarkurses, der Öl- und Rohstoffpreise ist weltweit die Nachfrage nach Seilbahnen und Schwimmkränen, Baggern und Rangieranlagen, Ausrüstungen für Bergwerke und Verladegeräten für Häfen drastisch eingebrochen. Das genau sind die Arbeitsbereiche der Wolff-Firma PWH.
Wegen der Auftragsflaute müssen nun Mitarbeiter umgesetzt und womöglich entlassen werden. Außerdem soll Oetker die Firma für einen neuen Partner schönmachen.
Verhandlungsgeschick beim Firmenverkauf und im Umgang mit Gewerkschaftern, das sagen ihm Bankiers und Managerkollegen nach, hat Arend Oetker. Vor vier Monaten verkaufte er seine Mehrheit von Kochs Adler an die Kugelfischer-Gruppe. Als langjähriger Sprecher der deutschen Ernährungsindustrie kam er mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuß-Gaststätten gut zurecht.
Damit dem Schwiegersohn kein unternehmerischer Fehlgriff unterläuft, ist für alle Fälle der neue Aufsichtsratschef immer in der Nähe. Eigentlich will Otto Wolff jetzt ein Buch darüber schreiben, wie er im Krieg das neutrale Portugal mit deutschem Stahl versorgte. Aber er bleibt in seinem Büro an der Kölner Zeughausstraße und wird, da sind sich alle Untergebenen sicher, kräftig ins Tagesgeschäft dreinreden. Von seinem Chefmanager trennt ihn nur das gemeinsame Sekretariat.