AUS SPIEGEL 28/1987 Übersinnliches Keuchen
Er war zeitlebens der Liebestraum aller Beamtenwitwen. Die Frauen haben ihn wie »einen Kronprinzen« umschwärmt und bewundert, »mit welch eleganter Handbewegung Sie das Blatt halten«. Von einer Stuttgarter Altenpflegerin ist überliefert, sie habe, bei seinem Anblick, stets den Bildschirm mit einer Pappscheibe bedeckt, weil die Magie seiner »wunderschönen Augen« zu nächtlichen Weinkrämpfen führte. Und eine andere zähe Verehrerin stöhnte brieflich: »Sie haben mein Geschlechtsteil in Flammen gesetzt, in Abständen, aber immer wieder. Das ist nicht schön von Ihnen.«
Verzauberte Herzen, flambierte Frauen - 28 Jahre lang hat er so gewirkt im deutschen Fernsehen, ARD. Über 5000-mal, seit dem 2. März 1959, ist Karl-Heinz Köpcke, 64, in der »Tagesschau« erschienen, pünktlich, zuverlässig, korrekt, das Haarteil schnittig gestriegelt, ein Derrick im Nachrichtendienst.
Doch nun gehen für den großen Sexual-Herostraten die Lichter aus, im September erreicht er rüstig das Rentenziel, dann hat die liebe Kehle Ruh. Sein Sprecher-Team, angeführt vom Amtserben Werner Veigel, hat dem Alten schon ein letztes Adieu zugeprostet. Der Kollege Wilhelm Wieben rühmte die ansagerischen Verdienste Köpckes, er habe »den bellenden, militärischen Ton« in der deutschen Sprechkultur abgeschafft.
Ein Klassiker der Nachrichtengebung verstummt, eine Galionsfigur jener News, die als steifes, offiziöses Verlautbarungsritual immer wieder heftig kritisiert worden sind. Köpcke erschien vielen als leibhaftiger Regierungssprecher.
Aber der hanseatische Ton-Meister hat, im Laufe der Dekaden, auch manche Unbill durchlebt. Schwere Lapsus Linguae sind zu verzeichnen. Beim vormaligen Außenminister Brandt unterlief ihm ein »Bundesaußenseiter Willy Brandt«, aus Aufputschmitteln machte er virtuos »Aufpitschmutteln«. Im August 1981 verkündete er bleich »das Wetter von mo-mo-morgen«, Zuschauer fragten besorgt: »Ist Köpcke blau?« Es war jedoch kein Schnaps, kein logopädischer Ernstfall, sondern nur eine erkältungsbedingt »verklebte Stimmritze«.
Ein Schwerpunkt in der Chronik Köpckes ist der bockige Gähn- und Raschelprotest des Chefsprechers gegen die neuinstallierten »Tagesthemen«, in denen ihm ein präpotenter Moderator zur Seite gesetzt wurde. »Ich bin doch kein Loriot-Männchen«, knurrte Köpcke, bequemte sich dann aber zu geräuschloser Mitarbeit. Nur im Kampf gegen den Gelegenheitsstotterer Wilhelm Stöck ließ er nicht locker - der musste aus der 20-Uhr-»Tagesschau« verschwinden.
Die Presse hat den Bundes-Nachrichtensprecher immer mit viel Anteilnahme bedacht. Als Köpcke beispielsweise 1974 mit einem feschen Urlaubsbärtchen ins Studio stolzierte, resümierte der »Rheinische Merkur": »Das Hintergründige in der Seele des Herrn Köpcke ist nicht entschleiert.« Eine wahre Einsicht, die kurz darauf erst richtig zu würdigen war.
Da veröffentlichte der Oral-Mensch Köpcke ein Werk namens »Bei Einbruch der Dämmerung«, das ihn als Meister der Unterleibs-Literatur auswies. Im Eros-Center des Romans stand ein gewissenloser Schürzenjäger, der zu einer kohabitationsfreudigen »Weltmeisterschaft des Geschlechts auf der Nahtstelle des menschlichen Seins« aufbricht und auf seltsame Gespielinnen stößt: »Hinter dem Rasseln ihrer beiden Lungen hörte er ein übersinnliches Keuchen, und er erschauderte.« Dem schriftstellerisch Verirrten muss aber mildernd zugute gehalten werden, dass langjähriger Umgang mit Genscher und Gromyko wohl zu schmerzhaftem Triebstau führt. Allerdings ist der Autor Köpcke herb verspottet worden, und sein Erzfeind Stotter-Stöck hat herzlich gelacht.
Servus, Raschel-Köpcke.