Streit am Kasseler Staatstheater: Generalmusikdirektor legt Amt nieder
Der bisherige Generalmusikdirektor des Kasseler Staatstheaters ist jetzt nur noch Chefdirigent. Die Neuregelung ist das Ergebnis eines monatelangen Streits.
Kassel – Das Kasseler Staatstheater wird etwas mehr als eine Spielzeit lang keinen Generalmusikdirektor haben. Am Mittwoch gaben das Land Hessen und die Stadt Kassel als Theaterträger bekannt, dass Francesco Angelico „mit sofortiger Wirkung“ als Chefdirigent tätig sein und sich auf den konzertanten Bereich konzentrieren wird.
Er wird also in den letzten Wochen dieser Spielzeit und in der kommenden Spielzeit, nach der sein Vertrag endet, keine szenischen Musiktheaterproduktionen mehr dirigieren, nur Konzerte und eine konzertante Oper.
Die Neuregelung geschehe auf Wunsch Angelicos. Vorausgegangen waren grundlegende und immer wieder neu aufflammende Konflikte zwischen Intendanz und Generalmusikdirektor (HNA berichtete). Angelico hatte sich besorgt geäußert, dass die von der Intendanz befürworteten inszenatorischen Konzepte, die Situation der derzeit im Opernhaus aufgebauten Raumbühne und die daraus entstehenden Bedingungen, unter denen die Orchestermusiker arbeiten müssen, dazu führen, dass die Musik in den Hintergrund tritt, zum Beiwerk wird.
Francesco Angelico wird in der Pressemitteilung wie folgt zitiert: „Ich freue mich sehr, nun bis zum Ende der kommenden Spielzeit meine vollständige Aufmerksamkeit der Musik widmen zu können. Die Neuausrichtung ermöglicht es mir, meine ganze Energie und Leidenschaft zu bündeln und entsprechend einzubringen.“
Angesichts der seit Monaten schwelenden Konflikte zwischen Orchester, GMD und Intendanz sagt Kunstminister Timon Gremmels (SPD): „Es ist erfreulich, dass sich am Staatstheater Kassel nun alle wieder auf die Kunst konzentrieren können. Durch die Fokussierung Angelicos als Chefdirigent darf das Publikum nun noch intensivere Musikerlebnisse erwarten.“
Kassels Oberbürgermeister Sven Schoeller (Grüne) erwartet von der Neufassung des Vertrags für Angelico einen Schritt zur Befriedung des Konflikts. Es sei wichtig, „einen Weg gefunden zu haben, der Francesco Angelico die von ihm gewünschte künstlerische Fokussierung erlaubt und zugleich einem respektvollen Miteinander dient.“
Neuer GMD
Unterdessen ist von der Suche nach einem neuen Generalmusikdirektor weiterhin nichts zu hören. Nachdem beide finalen Kandidaten Kerem Hasan und Ainars Rubikis ihre Bewerbungsrunden abgeschlossen hatten, musste die Findungskommission ihr Votum abgeben. Zuletzt wird aber das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur entscheiden. „Erst nach erfolgreichem Vertragsschluss können Berufung und öffentliche Bekanntgabe erfolgen. Das Land Hessen als Rechtsträger des Staatstheaters Kassel wird deshalb bis dahin keine weiteren Zwischenstände bekanntgeben“, hieß es auf Anfrage unserer Zeitung Mitte Mai.
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Moderationsverfahren
Als im März die Vertragsverlängerung für Florian Lutz bis zum Jahr 2031 bekannt gegeben wurde, kündigte das Ministerium ein Mediationsverfahren an, „das kurzfristig durch die Träger initiiert wurde und das viele der derzeit aufgeworfenen Fragen innerhalb der Belegschaft klären soll.“ Damit sollten Missstimmungen am Haus aufgearbeitet werden.
Von einer Mediation ist jetzt allerdings nicht mehr die Rede, das fängt schon damit an, dass die dafür eingesetzte Persönlichkeit, Christina Baradun, keine Mediatorin ist. Sie wird in der Antwort des Ministeriums auf eine Nachfrage unserer Zeitung als „Moderatorin und Coachin“ bezeichnet. In dem „Moderationsprozess“ sind „die zu besprechenden Themen gemeinsam festzulegen und mit Hilfe der Moderation zu Lösungen und Vereinbarungen zu führen“. Nach Auskunft von Teilnehmern hat das bislang nicht zu nachhaltigen Ergebnissen geführt.
Neue Saison
Intendant Florian Lutz blickt auf Auswirkungen auf die neue Saison: „Ich freue mich sehr, dass Francesco Angelico den Konzertspielplan am Staatstheater Kassel in der kommenden Saison genauso stark prägen wird, wie wir es geplant und angekündigt haben, und mit der konzertanten Premiere von Verdis ,Simon Boccanegra’ auch in der Oper präsent bleibt. Darüber hinaus wird der Musiktheaterspielplan bezüglich der Stückauswahl und der Sängerbesetzung genauso auf die Bühne kommen, wie wir es gemeinsam mit Francesco Angelico konzipiert und vorbereitet haben. Lediglich für die Produktion ,Katja Kabanova’ bemühen wir uns jetzt kurzfristig um einen neuen musikalischen Leiter.“ (Bettina Fraschke)