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Historisierte Romanzen als Serientipps für Fans von „Bridgerton“ – DiePresse.com
Serien

Historisierte Romanzen als Serientipps für Fans von „Bridgerton“

Auf diversen Streamingplattformen werden freizügige Liebesgeschichten in immer losere geschichtliche Zusammenhänge eingebettet.

Ironisch. „My Lady Jane“ weist via humorvoller Erzählerstimmer auf die eigene Fiktionalität hin.
Ironisch. „My Lady Jane“ weist via humorvoller Erzählerstimmer auf die eigene Fiktionalität hin.Jonathan Prime

Gladiatoren dort, Kaiserinnen da: Es ist aktuell ein geläufiger Ansatz, historische Stoffe für die große Leinwand und den kleinen Bildschirm neu aufzubereiten. Küchenpsychologisch könnte man folgern, der Mangel an Zuversicht angesichts Krisen, Kriegen und Klima macht den Blick in die Vergangenheit zwecks Eskapismus umso attraktiver. Viele der Produktionen werben dabei in erster Linie um die Gunst weiblicher Zuseherinnen. Auf den Plattformen der Streamingdienste sind es deshalb vor allem historisierte Romanzen nach dem Vorbild von „Bridgerton“, die sich großer Beliebtheit erfreuen. Das Schema bleibt dabei immer mehr oder weniger das gleiche, egal ob die Handlung im viktorianischen England oder im Spätmittelalter stattfindet: Die Protagonistinnen sind selbstbestimmte junge Frauen, die Neben­figuren hübsche Männer, die viel Haut zeigen. Hier und da gibt es ästhetisierte Sexszenen, der Cast ist divers, Bühnen- und Kostümbild sind pompös und zuckerlfarben, die Musik dazu stammt von weiblichen Popstars.

Zuletzt veröffentliche Netflix etwa die zweite Staffel der „Kaiserin“, eine Serie, die sich dem Leben von Kaiserin Elisabeth, ihrem Gatten Franz und ihrem chaosstiftenden Schwager Ludwig widmet. Das Publikum kann die ungestüme junge Frau dabei verfolgen, wie sie den vom Regieren bereits verdrossenen Franz mit ihrer direkten Art bezirzt. Hat er sie erst zu seiner Frau gemacht, wird er ebenjener Art sogleich wieder überdrüssig. Sie lenkt sich vom Korsett des Hofes mit ekstatischen Besäufnissen mit Ludwig ab. Mit historischen Fakten hat die Produktion denkbar wenig zu tun.

„Gerade wenn man sich die ganzen Sissi-Medialisierungen vor Augen hält, lernen wir in der filmischen Vermittlung nie etwas über die Zeit, die dargestellt wird, sondern über jene, in der produziert wird. In den Originalfilmen lernen wir etwa rein gar nichts über die Habsburger, dafür aber alles über die Nachkriegszeit“, sagt Andrea Braidt, Dozentin für Theater-, Film- und Medienwissenschaften an der Universität Wien. Die aufmüpfige junge Hauptfigur der Serie tut sich also mit Äußerungen und Handlungen hervor, die dem Popfeminismus zeitgenössischer Prägung entsprechen.

Gemeinschaft. In „The Buccaneers“ stehen Schwesternschaft und Frauensolidarität im Zentrum der Handlung.
Gemeinschaft. In „The Buccaneers“ stehen Schwesternschaft und Frauensolidarität im Zentrum der Handlung.

Kostümfest

Ähnlich funktioniert „Das Gesetz nach Lidia Poët“ (Netflix), eine Serie, die von der ersten praktizierenden Anwältin in Italien Ende des 19. Jahrhunderts handelt, die an der Seite ihres Bruders praktiziert. Ungeachtet möglicher Repressalien legt sie sich trotzdem immer wieder mit den Behörden an und erntet dafür Respekt von ihren Verehrern. Ihre Ansichten sowie das Kostümbild und ihre romantischen Verstrickungen fallen dabei immer mal wieder sehr modern aus. Das historische Vorbild, also die echte Lidia Poët, legte zwar die Anwaltsprüfung ab, wurde von den Gerichten in Turin trotzdem davon abgehalten, zu praktizieren. Erst 1920 wurde sie als 65-Jährige in die Anwaltskammer aufgenommen.

In der Apple-Produktion „The Buccanneers“ wiederum gibt es zwar wie üblich ein hübsches Liebesdreieck, die Handlung fokussiert aber in erster Linie Schwesternschaft und weibliche Solidarität in den 1870ern. Eine Familie aus der neuen Welt kommt nach England und bringt frischen Wind in die aristokratischen Verhältnisse vor Ort. In „Mary & George“ (Starz) mit Julianne Moore und Nicholas Galitzine wird indessen der gesamte Hof des britischen Königs James VI. (1566-1625) als queer dargestellt. Dieses Bedienen von gängigen feministischen Narrativen gibt den Serien einen fortschrittlichen Anstrich. „Die Debatte darüber, ob das nun feministisch ist oder nicht, ist müßig. Emanzipatorisch daran ist, dass es emanzipierten Frauen ein Schauvergnügen bereitet, das ist auch wichtig“, so Braidt. Auffällig ist zudem, dass die meisten dieser Serien von Frauen geschrieben und produziert wurden.

Neu scheint zumindest die Häufung, mit der Serien ganz bewusst auf die eigene Fiktionalität hinweisen. „Verschiedene Produktionen gehen sehr unterschiedlich damit um: ,Bridgerton‘ ist etwa wahnsinnig selbstreferentiell und stellt die eigenen medialen Verfahrensweisen zur Schau. Wenn ein aktueller Popsong gespielt wird, während die Darstellerinnen auf der Tanzfläche des frühen 19. Jahrhunderts stehen, ist das eine Ironisierung. Der Film schreit quasi: ,Ich bin ein Film!‘“, sagt Braidt. Ähnlich direkt spricht auch die Serie „My Lady Jane“ von Amazon Prime ihren Umgang mit geschichtlichen Fakten an.

Die Serie handelt von der Adeligen Lady Jane Grey, die  vom 10. bis 19. Juli 1553 Anspruch auf den Thron Irlands und Englands stellte. Gleich zu Beginn stellt eine Erzählerstimme aus dem Off klar: „Die Geschichte erinnert sich an Lady Jane Grey als ultimative Jungfrau in Not, die bekannter für ihren Tod als für ihr Leben ist. Fuck that. Was, wenn die Geschichte anders verlaufen wäre?“ Das historische Setting braucht es dann wohl nur mehr wegen der hübschen Kostüme und die unterhaltsam befremdlichen Sitten am Hof, die aber auch nur dann gelten, wenn es der Erzählung dienlich ist. Und natürlich gab es zu den Zeiten zumindest noch keine Online-Dating-Plattformen.

Tipp

„Die Kaiserin“. Die zweite Staffel der Serie ist nun via Netflix abrufbar. Ähnliche historische Romanzen sind auf diversen Plattformen verfügbar.

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