Goodbye Bafana – Kritik
Mit dem Friedenspreis der diesjährigen Berlinale ausgezeichnet und auf einer wahren Geschichte basierend, erzählt Bille Augusts Charakterdrama die Wandlung eines rassistischen Gefängniswärters, der zwanzig Jahre lang einen besonderen Gefangenen bewachte: Nelson Mandela.
Bereits die erste Begegnung zwischen dem weißen Südafrikaner James Gregory (Joseph Fiennes) und Nelson Mandela (Dennis Haysbert) macht deutlich, dass die Kräfteverteilung zwischen den beiden anders gelagert ist, als es die Situation vermuten lässt. Es ist 1968 und Mandela sitzt eine lebenslange Haftstrafe wegen vorgeworfener Sabotage, Verrat und Verschwörung auf der Gefängnisinsel Robben Island ab. Gregory beherrscht seine Sprache - Xhosa - was ihn dazu prädestiniert, als Mitarbeiter des Zensurbüros den Anführer der Anti-Apartheidsbewegung und weitere politische Gefangene auszuspionieren.
Der junge Wärter fühlt sich geschmeichelt und sieht darin vorrangig eine Karrierechance. Als er Mandela durch die Luke seiner Zelle erstmals anspricht, versucht er den großen Mann zu markieren, beleidigt ihn als „Kaffir“ und befiehlt ihm, sich gefälligst umzudrehen und ihn anzusehen. Mandela rührt sich nicht und lässt ihn abblitzen. Er steht mit dem Rücken zur Tür - die Kamera zeigt ihn nur von hinten - und strahlt dabei eine felsenfeste Gelassen- und Überlegenheit aus, die seinen Bewacher zum erfolglosen Bittsteller degradiert.
Schon bald sieht Gregory in Mandela nicht mehr den gefährlichen Terroristen, sondern vor allem den Familienmenschen, der, genau wie er, seinen Sohn durch einen Unfall - oder möglichen Anschlag - verliert. Der Einfluss des gebildeten und charismatischen Gefangenen, der eher sanftmütig als gewaltbereit wirkt, bringt ihn dazu, sich mit der bislang von ihm befürworteten Rassentrennung und den unmenschlichen Umständen seiner Heimat auseinanderzusetzen. Und mit seiner Kindheit, in der er einen schwarzen Freund (einen „Bafana“ in der Sprache der Xhosa) verabschieden musste, den er oft verdrängt, aber nie ganz vergessen hat. Als Mandela 1990 schließlich entlassen wird, hat sich auch Gregory aus dem Gefängnis seiner Vorurteile befreit.
Goodbye Bafana will die Entwicklungsgeschichte eines rassistischen Mannes erzählen und anhand seines Beispiels die eines ebensolchen Regimes. Nur geschieht dies in Sprüngen, nicht schrittweise, und ist somit kaum nachvollziehbar und involvierend. Nach einigen gemeinsamen Szenen, die wenig Gelegenheit für eine glaubhafte Annäherung zwischen den beiden Hauptfiguren bieten, schlägt sich Gregory bereits auf Mandelas Seite, sodass alles, was danach folgt, Spannung und Überraschung vermissen lässt. Zu früh steht fest, welche Richtung der Film einschlägt und wie er enden wird. Die Zeit zwischen 1968 und 1982 wurde zudem völlig ausgeklammert, da Gregory während dieser Periode in ein anderes Gefängnis versetzt worden war, was den Eindruck des Lückenhaften noch verstärkt. Er taucht zwar mit Schnurrbart und Bauchansatz wieder auf, die grundlegenden Veränderungen in seinem Inneren und im Land werden aber schlicht als Fakt präsentiert und nicht veranschaulicht.
Dass der Hauptdarsteller Joseph Fiennes (Shakespeare in Love, 1998) mit seiner Rolle überfordert ist und die Wandlung seiner Figur nicht ausdrücken kann, ist der größte Schwachpunkt in dem Zwei-Mann-Drama, das in erster Linie um seinen Charakter kreist und stark von der Überzeugungskraft der Schauspieler abhängig ist. Seine Mimik scheint nur drei Regungen zu kennen: Verbissenheit, Ratlosigkeit und Leere. Ebenso schwach agiert das deutsche Ex-Model Diane Kruger (Troja, Troy, 2004) als Gregorys ehrgeizige Ehefrau, die anfangs als Rassistin und Opportunistin auftritt und später freudig eine vom „Terroristen“ Nelson Mandela geschenkte Kuscheldecke annimmt. Dennis Haysbert (Präsident Palmer in der TV-Serie 24) ist dagegen ein stimmiger und würdiger Mandela, der das, was er repräsentieren soll - die Kraft der Versöhnung - allein durch eine besonnene, in sich ruhende Präsenz vermittelt. Er muss keinen Finger rühren, um Fiennes blass aussehen zu lassen. Das mag, obwohl unfreiwillig, in einigen Momenten dem Verhältnis ihrer Figuren sogar angemessen sein, sobald Fiennes aber ohne Haysbert dasteht, ist er nur noch fehlbesetzt.
Darüber hinaus formen die hellen und sonnigen Impressionen, die Regisseur Bille August (Les Misérables, 1998) von Südafrika und speziell von Robben Island einfängt, das verharmlosende Bild eines sorgenfreien Inselurlaubs, nicht das einer von Entbehrungen und Menschenrechtsverletzungen geprägten Haft. Aufnahmen innerhalb des Gefängnisses sind relativ selten. Und Sequenzen, die akkurat veranschaulichen oder zumindest erahnen lassen, unter welchen Verhältnissen die schwarze Bevölkerung zu leiden hat, gibt es nur zwei, die in Erinnerung bleiben: Eine Frau wird auf offener Straße von der Polizei ohne nennenswerten Grund brutal geschlagen und festgenommen, wobei ihr Baby achtlos auf den Boden geworfen wird; ein junger Schwarzer muss misshandelt, nackt und im strömenden Regen die Nacht an einen Pfahl gebunden im Gefängnishof verbringen.
Die politischen Hintergründe, der Fortschritt von der Apartheid zur Demokratie, sind mehr ferne, losgelöste Kulisse, als wirklicher Bestandteil der Handlung. So büßt aber auch Gregorys stellvertretender Weg an Gewicht ein. Mandela ist der entrückte Held, der zum Schluss über seine Unterdrücker triumphieren und ihnen gleichzeitig verzeihen wird. Was genau ihn ausmachte und was er eigentlich in Gregory sah - außer der Tatsache, dass dieser seine Sprache beherrschte - bleibt verschwommen. Seine lang ersehnte Freiheit geht nicht unter die Haut, weil das Drehbuch nicht mitfühlen lässt, was es bedeutet, jahrzehntelang unfrei zu sein. Wenn Mandela Gregory gesteht, dass er seine Frau über zwanzig Jahre lang nicht berührt habe, dann ist das eigentlich ein Augenblick, der mehr bewegen sollte, als er es hier tut.
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