Die Geschichte des ehemaligen FC Sachsen und der heutigen BSG Chemie beginnt mit dem Leipziger Unternehmer Karl Schwarz. Er ist Gründer und Inhaber der Tura-Werke, die u.a. Kassen-, Unterhaltungs- und Verkaufsautomaten herstellen. Im Dezember 1932 gründet er einen Werkssportverein mit dem Namen SV Tura 1932 Leipzig. Für die sportliche Entwicklung wird der Engländer Jack Emonts als Manager eingestellt. Für die Tura-Mannschaft werden nicht nur einige der besten Fußballer aus Leipziger Vereinen, sondern auch Spieler aus ganz Deutschland verpflichtet. Obwohl in Deutschland offiziell Amateur-Fußball betrieben wird, sind die Spieler quasi Profis. Sie erhalten Arbeitsplätze in den Tura-Werken, können sich aber auf das Fußballspielen konzentrieren.
1933/34 startet der SV Tura in der 1.Kreisklasse, der 3. und damals untersten Spielklasse. Auf Anhieb gelingt der Aufstieg in die zweitklassige Bezirksklasse. Zunächst spielt der SV Tura auf dem Sportplatz Leipzig am Cottaweg. Dort teilte er sich das Gelände mit weiteren Leipziger Vereinen, die nach und nach eigene Sportanlagen erbauen. Höhepunkt der Saison 1934/35 ist am 21.April 1935 ein Freundschaftsspiel gegen den amtierenden Deutschen Meister FC Schalke 04 vor 18.000 Zuschauern am Cottaweg (manche Quellen sprechen gar von 32.000 Zuschaueren), in dem die Tura die Schalker mit 2:1 bezwingt. Im ersten Bezirksklasse-Jahr wird die Tura Zweiter, knapp hinter der SpVgg Leipzig. 1935 zieht die Tura vom Cottaweg in den Leutzscher Sportpark, der bis zu ihrem Verbot 1933 durch die Nationalsozialisten der „Roten Sporteinheit“ gehört, und begründet damit die Leutzscher Traditionslinie des FC Sachsen bzw. der BSG Chemie Leipzig.
In der zweiten Bezirksklasse-Saison 1935/36 wird souverän die Bezirksmeisterschaft errungen. In den Aufstiegsspielen zur Gauliga setzt sich Tura hinter dem Riesaer SV aber vor Konkordia Plauen und dem Chemnitzer BC durch. Bereits 3 Jahre nach Vereinsgründung ist Tura in der höchsten deutschen Liga angekommen. In der Aufstiegssaison 1935/36 findet auch zum ersten Mal ein Spiel zwischen der Leutzscher Tura und dem Probstheidaer VfB statt, welches später über Jahrzehnte die Leipziger Fans elektrisieren wird. Der VfB gilt als gutbürgerlicher Verein. Bei der Tura dagegen finden zahlreiche Spieler der verbotenen Arbeitersportvereine eine neue Heimat. Ihre Anhänger wohnen in den Arbeitersiedlungen des Leipziger Westens. Nicht nur deshalb gilt die Tura als Verein der Arbeiter und kleinen Angestellten. Die Tura gewinnt dieses Spiel in Leutzsch mit 2:1. Später sollen noch über 100 Spiele zwischen beiden Vereinen folgen.
Im ersten Gauliga-Jahr belegt die Tura einen guten 6. Platz. Auf Anhieb ist Tura ein Zuschauermagnet. In ganz Deutschland hat nur Schalke 04 einen besseren Zuschauerschnitt. 1937/38 wird Tura 7. Die nationalsozialistischen Machthaber verfolgen die Entwicklung der Tura mit Skepsis. Der Verein gilt als „politisch unzuverlässig“. Sie streben einen Großverein im Leipziger Westen an, von dem sie sich mehr Einflussmöglichkeiten erhoffen. Zunächst scheitert ein Zusammenschluss mit der Spielvereinigung aus Leipzig-Lindenau. Doch 1938 ist es dann soweit. Im November fusionieren der SV Tura 1932 mit dem Leipziger SV 1899 zum Turn- und Rasensportverein von 1899 Leipzig, kurz TuRa 99. Fusionspartner LSV 99 stammt aus Lindenau und ist an der Merseburger Straße zu Hause. Er wurde 1899 als Britannia 99 Leipzig gegründet und ist somit einer der ältesten Leipziger Vereine. Nach Umbenennungen und Fusionen trägt er seit 1919 den Namen LSV 99. Sportlich ist der LSV aber nicht sehr erfolgreich. Er spielt meist zweitklassig und steht in Leipzig im Schatten vom VfB, von Fortuna, Wacker und der im Stadtteil Lindenau benachbarten SpVgg. Nach der Fusion spielt die erste Mannschaft von TuRa 99 weiter in den roten Tura-Trikots im Leutzscher Stadion, die übrigen Mannschaften im blau des LSV in Leutzsch und an der Merseburger Straße.
Nach der Fusion ziehen sich Tura-Gründer Schwarz und Manager Emonts enttäuscht zurück. Die Führung im Verein übernehmen nun die LSV-Funktionäre. Wie nach dem Weggang Schwarz’ und Emonds’ zu befürchten, wird die sportliche Aufwärtsentwicklung gestoppt. Bereits am Ende der Saison 1939/40 steht TuRa 99 auf dem letzten Platz. Die Saison 1939/40 startet Tura 99 in der Leipziger Bezirksliga. Im September 1939 beginnt eines der dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte, welches den Fußball in den Hintergrund rücken lässt. Mit dem Überfall Deutschlands auf Polen beginnt der Zweite Weltkrieg. Die laufende Meisterschaft wird abgebrochen und die Ligen werden umstrukturiert. Aus der eingleisigen sächsischen Gauliga mit 10 Vereinen wird eine zweigleisige Gauliga mit je 6 Mannschaften. Die beiden Absteiger füllen die Staffeln auf, Tura 99 wird somit über Nacht wieder erstklassig. In der Kriegsmeisterschaft 1939/40 belegt Tura 99 den 5. und damit vorletzten Platz. In der Saison 1940/41 wird die Gauliga eingleisig mit 12 Mannschaften ausgetragen und Tura etabliert sich als 7. im Mittelfeld. Doch bereits in der nächsten Saison steigt TuRa 99 als Vorletzter ab. Den Leutzschern gelingt jedoch der sofortige Wiederaufstieg. 1943/44 steht Tura erneut im Abstiegskampf und beendet die Saison als sportlicher Absteiger. Nach dem letzten Spieltag noch punktgleich mit Fortuna, unterliegt Tura 99 im Entscheidungsspiel gegen den Abstieg mit 0:3. Doch abermals rettet eine Spielklassenänderung die Leutzscher vor dem Abstieg. Der Zweite Weltkrieg macht vor dem Fußball keinen Halt. Immer mehr junge Männer werden eingezogen, Straßen und Schienenwege sind zerstört, Benzin ist knapp. Die Durchführung eines geregelten Spielbetriebs wird immer schwerer. Um spielfähige Mannschaften stellen zu können, schließen sich immer mehr Vereine in Deutschland zu Kriegsspielgemeinschaften zusammen. Ab Frühjahr 1944 gehen Tura 99 und die SpVgg Leipzig zur KSG Tura 99/SpVgg Leipzig zusammen. 1944/45 wird kriegsbedingt nur noch in kleinen regionalen Meisterschaften gespielt. Die Vereine aus Leipzig und Umgebung spielen eine Leipziger Kriegsmeisterschaft aus. Bei einem der letzten alliierten Bombenangriffe auf Leipzig kommen Tura-Gründer Schwarz und Ex-Manager Emonts ums Leben. Letzter Meister vor Ende des 2.Weltkriegs wird der VfB Leipzig. Am 01.April 1945 bestreitet die KSG Tura/SpVgg beim Osterturnier im Leipziger Westen gegen den TuB Leipzig (3:2) ihr letztes Spiel. Damit verschwindet der Name Tura für immer aus der Geschichte des Leipziger Fußballs.