Bagman
Nicht einmal eine Million US-Dollar hat der Horrorfilm BAGMAN in den USA eingespielt. Dabei haben es Genrefilme, auch in Ermangelung an allzu viel zeitgleich startender Konkurrenz, eigentlich immer recht leicht, ein mindestens passables Ergebnis an den Kinokassen einzuholen. Doch hier blieb der Erfolg nicht ohne Grund aus. Diesen Film braucht niemand.
Darum geht’s
In seiner Kindheit machte Patrick (Sam Claflin) einst Bekanntschaft mit der Legende des Bagman. Einem übernatürlichen Wesen, das Überlieferung nach zufolge Kinder entführt, indem er sie in eine große Tasche steckt und an einen unbekannten Ort verschleppt. Mittlerweile ist Patrick selbst Vater, hat aber immer noch das Gefühl, den Bagman nie so ganz losgeworden zu sein. Plötzlich häufen sich in seiner kleinen Familie mysteriöse Vorfälle. Offenbar scheint ab sofort Patricks Sohn Jake (Carell Rhoden) die Zielscheibe für den übernatürlichen Kinderschreck zu sein…
Kritik
Außer vielleicht Art, der Clown aus der „Terrifier“-Trilogie hat es in den letzten Jahren keine Horrorfilmfigur zu Ikonenstatus gebracht. Das liegt zum einen am mangelnden Erfolg von Produktionen wie „Slender Man“, „The Bye Bye Man“ oder auch „Boogeyman“, zum anderen aber auch daran, dass all die genannten Filme schlicht einfach nicht gut waren. Denn wie soll sich aus einem grottig gefilmt und geschriebenen Machwerk wie „Slender Man“ eine zukünftige Horrorlegende herausschälen? Auch „Bagman“ vom „The Girl with all the Gifts“-Regisseur Colm McCarty dürfte – trotz vergleichbarem Potenzial – ein ähnliches Schicksal ereilen. Das kolportierte Budget von über 14 Millionen US-Dollar konnte der Film nicht einmal im Ansatz wieder einspielen, blieb sogar unter der Eine-Million-Dollar-Marke. Eine Katastrophe für alle Beteiligten. Verwunderlich ist das indes nicht, denn im Anbetracht der austauschbaren Prämisse, der lieblosen Inszenierung und einem Mangel an Eigenständigkeit dürfte es für einen Film wie „Bagman“ schwer sein, sich eine gute Mundpropaganda zu erarbeiten.
Sam Claflin erarbeitete sich in jungen Jahren einen Ruf als vielversprechender Newcomer, spielte unter anderem in Erfolgsfilmen wie der „Die Tribute von Panem“-Reihe mit sowie in der Romanverfilmung „Ein ganzes halbes Jahr“. Nachdem einige Jahre ins Land gezogen sind, ist Claflin nun nicht mehr als Jugenddarsteller gefragt, sondern findet sich – ähnlich seines Kollegen Dylan O’Brien (von „Maze Runner“ zu „Caddo Lake“) – mittlerweile in gereiften Erwachsenenrollen wieder. „Bagman“ muss Claflin in Gänze allein auf seinen Schultern tragen. Und es wäre nicht ganz fair, ihm allein die Schuld dafür zu geben, dass dies nicht gelingt. Das Skript von Langfilmdebütant John Hulme gibt ihm nichts an die Hand, woraus sich aus dem jungen, in der Kindheit schwer traumatisierten Vater Patrick eine runde Figur mit Gravitas formen ließe. So ist Claflin von Anfang an dazu verdammt, sorgenvoll dreinzublicken und hin und wieder geschockt aufzuschauen. Doch nicht einmal in Momenten der Glückseligkeit hat man das Gefühl, der Schauspieler käme aus sich heraus. Doch anstatt darin irgendeine Tiefe auszumachen, die ihn vielleicht sogar geheimnisvoll wirken lassen könnte, bleibt seine Figur leer und blass. Wie soll man mit so Jemandem mitfiebern?
„Sam Claflin muss ‚Bagman‘ in Gänze auf seinen Schultern tragen. Und es wäre nicht ganz fair, ihm allein die Schuld dafür zu geben, dass dies nicht gelingt. Das Skript von Langfilmdebütant John Hulme gibt ihm nichts an die Hand, woraus sich aus Patrick eine runde Figur mit Gravitas formen ließe.“
Auch die innerfilmische Umgebung trägt nichts zur Charakterisierung respektive zur Charakterentwicklung des Protagonisten bei. Dafür ist all das, was in „Bagman“ passiert, viel zu austauschbar und im Genre zu Tode geritten. Patricks Ehefrau und sorgenvolle Mutter Karina sowie der gemeinsame Sohn Jake sind lediglich Mittel zum Zweck und haben davon abgesehen keinerlei Funktion. Während Karina nur dafür da ist, Patricks Sorgen um die Sicherheit seiner Familie weiter anzutreiben, fungiert Jake fast schon als eine Art dramaturgischer Lockvogel und wird vom Skript immer nur dann betrachtet, wenn er erneut zur Zielscheibe des Bagman wird. Das macht wenig Lust, sich näher mit dem Figurengefüge zu beschäftigen. Dabei böte eine junge, mit den Aufgaben des frischen Elterndaseins vielleicht sogar überforderte Familie eigentlich genügend Potenzial, um glaubwürdige Identifikationsfiguren abzugeben.
Das Grauen in „Bagman“ entwickelt sich hier aus stets ähnlichen Szenenaufbauten. Patrick hört oder sieht Umrisse oder sich bewegende Objekte, geht ebendiesen angsterfüllt nach und läuft dabei zunächst ins Leere (etwa, weil er anstatt eines Monsters ein Opossum als Urheber gruseliger Geräusche ausmacht), eh sich die Hinweise auf eine übernatürliche Bedrohung verdichten. Mal sieht man lange Finger um die Ecke kommen, dann eine gruselige Fratze im Dunkeln. Doch obwohl diese Szenen immer mal wieder für einen schnellen Jumpscare im Film platziert werden – inklusive des altbewährten „Alles war nur ein Traum“-Motivs – ist der titelgebende Bagman, der Kinder entführt und sie in einen großen Sack steckt, nur selten zu sehen. So etwas ist in der Regel ein Pluspunkt. Nichts ist schlimmer, als wenn die volle Gestalt einer Bedrohung in einem Horrorfilm zu früh gezeigt wird. Hier hingegen ist eher das Gegenteil der Fall. „Bagman“ hätte dringend mehr vom Bagman nötig. So kommt für die tatsächliche Gefahr kein rechtes Gefühl auf. Das Einzige, was hier ansatzweise Atmosphäre versprüht, sind neben den eindrucksvollen Bildern einer Holzfällerei (ein per se schönes Setting), die Flashbacks in die Vergangenheit. Denn keiner kann so beunruhigend eine Schauergeschichte erzählen, wie Peter McDonald („The Batman“) als Patricks Vater Jake.
„Mal sieht man lange Finger um die Ecke kommen, dann eine gruselige Fratze im Dunkeln. Doch obwohl diese Szenen immer mal wieder für einen schnellen Jumpscare im Film platziert werden ist der titelgebende Bagman nur selten zu sehen.“
Fazit: Wer in seinem Leben schon mal irgendeinen Horrorfilm gesehen hat, der kann sich den uninspirierten, drögen und austauschbaren „Bagman“ guten Gewissens sparen.
„Bagman“ ist ab dem 5. Dezember 2024 in den deutschen Kinos zu sehen.