Borderlands
Die katastrophale Produktionsgeschichte von BORDERLANDS findet ihr krachendes Ende in einem nicht minder katastrophalen Film – und dabei ist es vermutlich völlig egal, ob man nun die Spiele gespielt hat oder nicht. Am Ende scheitert das Ergebnis nämlich an so ziemlich allem, woran man nur scheitern kann.
Darum geht’s
Für einen lukrativen Auftrag kehrt die Kopfgeldjägerin Lilith (Cate Blanchett) auf ihren abgefuckten Heimatplaneten Pandora zurück. Hier soll sich Tina (Ariana Greenblatt), die Tochter des übermächtigen Atlas (Edgar Ramírez) befinden, der für das Wiederbeschaffen seines Kindes so Einiges springen lässt. Im Zuge einiger unerwarteter Wendungen bildet sie widerwillig ein Team mit einigen exzentrischen Außenseitern: Gemeinsam mit dem muskelbepackten, maskierten Krieg (Florian Munteanu), der kauzigen Wissenschaftlerin Tannis (Jamie Lee Curtis), Atlas‘ Soldaten Roland (Kevin Hart) und dem dauerplappernden Roboter Claptrap (Jack Black/Chris Tall) sieht sich Lilith mit vielen Gefahren konfrontiert, während die Truppe dem streng gehüteten Geheimnis des Planeten Pandora immer näher auf die Pelle rückt…
Kritik
Selten spiegelte eine problembehaftete Produktionsgeschichte das filmische Endprodukt so makellos wider wie im Falle der über einhundert Millionen (!) US-Dollar teuren Spieleverfilmung „Borderlands“. Fertig ist das fragwürdige Spektakel bereits seit über drei Jahren. Schon damals erwiesen sich die Drehbedingungen als schwierig, so mitten in der Corona-Pandemie. Doch Regisseur Eli Roth („Das Haus der geheimnisvollen Uhren“) hat es irgendwie hinbekommen – nur um das Regiezepter für die Nachdrehs kurze Zeit später an seinen guten Bekannten Tim Miller („Deadpool“) weiterzureichen, der das Projekt bereits als Produzent beaufsichtigt hatte. Angeblich wegen Terminschwierigkeiten aufgrund der Dreharbeiten von „Thanksgiving“. Miller ist nicht der einzige Name in einem munteren Besetzungskarussell, für das nicht jeder diesen auch hergeben wollte. Wer sich hinter dem Pseudonym „Joe Crombie“ verbirgt, ist bis heute ein Rätsel – dabei war diese Person ursprünglich für das Drehbuch verantwortlich, bevor Eli Roth selbst es einmal vollständig umschrieb. Gemutmaßt wurden Namen wie Gary Ross („Die Tribute von Panem – The Hunger Games“) und Sam Levinson („Assassination Nation“). Aber auch „Chernobyl“-Autor Craiz Mazin könnte bestimmten Quellen zufolge der anfängliche Schreiberling gewesen sein. Wer auch immer hier seinen Klarnamen hinter einem Pseudonym versteckt, möchte sich auf jeden Fall vollends von dem Projekt distanzieren.
Übrigens genauso wie der fertige Film über die Jahre seiner Postproduktion und Nachdrehs vom Status eines – nun ja – „Erwachsenenfilms“. Die dem Stoff zugrundeliegende Videospielreihe ist für ihre derben Späße und rohe Gewalt bekannt. Da wundert es auch nicht, dass der „Borderlands“-Film einst ebenfalls als genau so etwas geplant war und glaubt man Interviews mit am Dreh Beteiligten auch gedreht worden ist. Quasi als eine Art Videospielfilmvariante von James Gunns „The Suicide Squad“. Davon übrig geblieben ist absolut gar nichts. Aus dem einstmals sogar angestrebten NC-17-Rating (vergleichbar mit einer FSK-Freigabe ab 18) wurde ein R- und nun gar ein PG13-Rating. In Deutschland ist der Film ab zwölf Jahren freigegeben. Doch das sind nur die offensichtlich auf der Hand liegenden Probleme, mit denen „Borderlands“ von vornherein große Teile seines Zielpublikums verprellen dürfte. Denn welche Gamer:innen wollen schon einen Film zu einer Vorlage sehen, deren Grundlage bei der Übersetzung auf die große Leinwand dermaßen mit Füßen getreten wurde? Und es wird noch schlimmer: „Borderlands“ ist nicht nur anzumerken, wie ungelenk er für seine Jugendfreigabe zurechtgestutzt und um jedes nur erdenkliche Gewaltscharmützel erleichtert wurde. Durch das Ausdünnen des Ursprungsfilms fehlt auch jedwedes Gespür für Tempo, Dramaturgie und schlicht die erzählerischen Ausmaße der Story.
„‚Borderlands‘ ist nicht nur anzumerken, wie ungelenk er für seine Jugendfreigabe zurechtgestutzt und um jedes nur erdenkliche Gewaltscharmützel erleichtert wurde. Durch das Ausdünnen des Ursprungsfilms fehlt auch jedwedes Gespür für Tempo, Dramaturgie und schlicht die erzählerischen Ausmaße der Story.“
Per se könnte „Borderlands“ diese nämlich durchaus besitzen. Im Zentrum steht ein Konglomerat aus exzentrischen Außenseiter:innen, angeführt von der Kopfgeldjägerin Lilith. Dass diese ausgerechnet von Schauspiel-Superstar Cate Blanchett („Tár“) gespielt wird, die in den vielen Jahren ihrer Karriere primär durch ihre Rollen in anspruchsvollen Autorenfilmen aufgefallen ist – 2023 gekrönt von ihrer nunmehr achten Oscar-Nominierung – machte im Vorfeld der Veröffentlichung als eines von wenigen Dingen Hoffnung. Der Rest der illustren Truppe ist ebenfalls prominent besetzt: Kevin Hart („Central Intelligence“), Jamie Lee Curtis („Everything Everywhere All at Once“) sowie Jack Black („Jumanji“) in einer sehr präsenten Sprechrolle mögen zwar namhaft sein, haben in „Borderlands“ allerdings bemerkenswert wenig zu tun. Von ihren Rollen bleiben lachhafte Abziehbilder gängiger „Wir sind alle so crazy“-Charaktere bunt zusammengewürfelter (Söldner-)Truppen à la „Guardians of the Galaxy“ oder eben „The Suicide Squad“ übrig; Da ist von allen Beteiligten weniger Schauspielerei als vielmehr Durchhaltevermögen gefragt. Das strengt an, denn es macht schlicht und ergreifend keinen Spaß, dem Ensemble bei seinem Werkeln zuzuschauen. Alles wirkt gequält, gehetzt, gezwungen.
Genau das, was sich auch eins zu eins auf das ganze Drumherum übertragen lässt. Gequält, gehetzt, gezwungen – mancherlei Spurenelemente des Ursprungsmaterials mögen in „Borderlands“ zwar noch enthalten sein, doch es mangelt dem Film so überdeutlich an allem, was der hier aufgebauten (und, seien wir ehrlich, natürlich zu jedem Moment franchisetauglichen) Welt Leben einhauchen würde. Zu keinem Zeitpunkt erweckt das Geschehen in den plastikhaft anmutenden Sets hier den Eindruck, auch über den eingefangenen Bildausschnitt hinaus zu existieren. Hin und wieder macht sich das FSK-12-Zurechtstutzen gar derart bemerkbar, dass ganze Handlungsstränge löchrig wirken. Szenen brechen abrupt ab, im Ansatz dynamische Kamerafahrten werden komplett zerstückelt (von den vorab groß angekündigten Gore-Einlagen ist natürlich absolut gar nichts mehr übrig) und so ist alles, was von „Borderlands“ übrig ist, ein grandios gescheiterter Flickenteppich – ein kaputter, nur noch von wenigen Fäden zusammengehaltener Flickenteppich!
„Gequält, gehetzt, gezwungen – mancherlei Spurenelemente des Ursprungsmaterials mögen in ‚Borderlands‘ zwar noch enthalten sein, doch es mangelt dem Film so überdeutlich an allem, was der hier aufgebauten Welt Leben einhauchen würde.“
Der Umgang mit der deutschen Synchronisation wirkt da fast noch wie eine Verlegenheitslösung, wie der letzte Versuch eines Aufbäumens, um noch irgendwie zu retten, was ohnehin nicht mehr zu retten ist. Für die eingangs erwähnten „derben Späße“ überlegte man sich in der hiesigen Fassung einen Weg zu gehen, den zuletzt bereits die Übersetzungsverantwortlichen des Jason-Statham-Actioners „The Beekeeper“ wählten: völlige Absurdität durch eine Gaga-Synchronisation – mit dem Unterschied, dass dieser Ansatz im Falle des anachronistischen „Actionheld ballert sich den Weg frei“-Films mit Achtzigerjahre-Videothekenreißer-Anleihen vollends geglückt ist. Im Falle von „Borderlands“ schlägt er dagegen völlig fehl. Und damit ist nicht automatisch die Besetzung von Comedian Chris Tall als Stimme des Roboters Claptrap gemeint, der in der Originalfassung von Jack Black gesprochen wird. Vielmehr kann der Comedian nichts für all die miesen Wort- und Satzkompositionen, die ihm im Laufe der 100 Filmminuten in den Mund gelegt werden. Egal ob „Scheiß-o-Mat“ oder „Na sichi!“: Der vermeintliche Wortwitz in „Borderlands“ ist so fernab jedweder Zielgruppe, dass jeder, aber auch wirklich jeder bemühte Gagausruf krepiert. Als nachdichtende Selbstreferenz geht das allerdings auch nicht durch, denn dafür nimmt sich der Film in seinem Humor schlichtweg zu ernst. „Borderlands“ will nämlich keine Parodie auf sich oder Videospielverfilmungen allgemein, sondern tatsächlich lustig sein.
Fazit: Wer weiß, vielleicht bekommen wir eines Tages den Film zu sehen, den Eli Roth ursprünglich mal gedreht hat!? Bis dahin bleibt uns mit der jetzt in die Kinos kommenden Version von „Borderlands“ einfach nur ein absoluter Super-GAU als Anschauungsmaterial dessen, was passiert, wenn ein Filmprojekt von allen Beteiligten zu Tode postproduziert wird.
„Borderlands“ ist ab dem 22. August 2024 in den deutschen Kinos zu sehen.
Lustiger Trash, oder wirklicher totaller Müll?