Geistervilla

Geister, die eine hilflose Mutter und ihren Sohn terrorisieren. Geisterjägerinnen und -Jäger, die selbst an der übernatürlichen Macht verzweifeln. Und ein verwinkeltes Gruselschloss als Handlungsort. Die Verfilmung der Disney-Park-Attraktion „Haunted Mansion“ vereint sämtliche Zutaten des klassischen Spukhauskinos, doch eine gehörige Portion Humor macht aus GEISTERVILLA eine Comedy-Gaudi, die Genrekonventionen allenfalls am Rande streift. 

OT: Haunted Mansion (USA 2023)

Darum geht’s

Kurz nachdem Gabbie (Rosario Dawson) und ihr Sohn Travis (Chase Dillon) in ihr neues Zuhause gezogen sind, merken sie, dass in dem Haus etwas nicht stimmt. Die altehrwürdige Villa beherbergt zahlreiche Geister der Vergangenheit, die sich einen Spaß daraus machen, Neuankömmlinge zu terrorisieren. In ihrer Verzweiflung wenden sie sich an den ortsansässigen Pfarrer Kent (Owen Wilson), der jedoch selbst überfordert ist und die Verantwortung direkt an Ben (LaKeith Stanfield) abgibt, der seinen Job als paranormaler Touristenführer jedoch längst nicht mehr ernst nimmt. Zu guter Letzt komplettiert das selbst ernannte Medium Harriet (Tiffany Haddish) die Truppe, die gemeinsam versucht, hinter das Geheimnis der Geistervilla zu steigen und nicht nur ihren eigenen Seelenfrieden wieder herzustellen…

Kritik

Die Startwoche rund um den 20. Juli 2023 hat derzeit gute Chancen, in die Filmgeschichte einzugehen. Nicht (nur) aufgrund der Filme, die hier ihren Release feierten. Sondern auch aufgrund eines Marketingcoups, der in dieser Kinodekade seinesgleichen sucht. Eine Verfilmung der milliardenschweren Spielzeugmarke Barbie, besetzt mit den Superstars Margot Robbie sowie Ryan Gosling und inszeniert von Independent-Darling Greta Gerwig war im Vorfeld schon eine sichere, sämtliche kinoaffinen Zielgruppen abdeckende Bank. Und auch „Oppenheimer“, das zeitgleich startende neue Werk von Christopher Nolan vermarktet sich aufgrund der Beteiligung des Ausnahmeregisseurs von selbst. Durch #Barbenheimer, ein Meme, das ziemlich penetrant darauf aufmerksam macht, dass zeitgleich (und nicht, wie bei einer solchen Größenordnung sonst üblich, auf mehrere Startwochen aufgeteilt) zwei derart populäre Filme in die Kinos kommen, fuhr die PR-Maschinerie zu Hochtouren auf – und nahezu von selbst. Man kann sicher sein: Wäre die soziale Vernetzung vor 15 Jahren schon ähnlich allgegenwertig und stabil gewesen, wäre aus dem Parallelstart von „The Dark Knight“ und „Mamma Mia“ sowas wie #MammaKnight oder #TheDarkMia geworden. Einen ähnlichen Marketingstunt rund um den Kinostart von „Geistervilla“ zu inszenieren, kommt derweil einer Unmöglichkeit gleich. Denn schon allein die Bestimmung der Zielgruppe ist schwierig und das Erbe des Films ein schweres. Nicht nur im Falle #Barbenheimer und #MammaKnight wiederholt sich also die Geschichte…

Travis (Chase Dillon) zieht mit seiner Mutter Gabbie (Rosario Dawson) in ein von Geistern bevölkertes Haus.

Auch die Gruselhauscomedy „Geistervilla“, die dieser Tage weltweit in den Kinos startet, ist genau genommen bereits Bestandteil der Filmhistorie. 2003 erschien schon einmal eine Verfilmung der Disneyland-Attraktion Haunted Mansion (in Disneyland Paris trägt sie, mit leicht abgewandeltem, inhaltlichem Konzept, den Titel Phantom Manor). „Die Geistervilla“ trumpfte einst mit Eddie Murphy als Hauptdarsteller auf. Trotzdem erwies sich das Pressefeedback als eher ernüchternd, die Kritiker:innen warfen „Die Geistervilla“ unter anderem fehlendes Herzblut und zu viel Routine vor. Disneyland-Insider:innen und Liebhaber:innen der Attraktion dagegen sehen die Verfilmung bis heute als vertane Chance an, der leidenschaftlich entworfenen Hintergrundgeschichte des Haunted Mansion gerecht zu werden. Und wenn man bedenkt, dass ausgerechnet Guillermo del Toro bereits sein Interesse an einer Leinwandadaption des Theme Park Rides bekundete, lässt sich auch für Unkundige erahnen, wie viele Möglichkeiten in ihm als Filmvorlage stecken mögen. Was „Die Geistervilla“-Regisseur Rob Minkoff nicht gelang und Gullermo del Toro noch nicht gelingen konnte, schafft „Dear White People“-Regisseur Justin Simien mit seiner Neuinterpretation „Geistervilla“ nun immerhin auf mindestens zufriedenstellendem Niveau. Trotzdem stellt sich die Zielgruppe für seinen Film als äußerst spitz heraus. Man muss schon ein Harcore-Fan der Disney Parks, mindestens aber der Attraktion Haunted Mansion respektive Phantom Manor sein, um ihre perfekte Eignung als Vorlage eines Gruselfilms zu verstehen. Simien hat viele visuelle Details des Rides kongenial im Film verbaut. Wer diese durch Vorwissen entdecken kann, dem offenbart sie auch die Liebe für sie. Alles Drumherum rückt in die zweite Reihe.

Leider müsste aber genau dieses Drumherum genau so überzeugen wie das, was sich nur für einen Bruchteil des Publikums erschließen wird. Wenn „Geistervilla“ sich dann auch noch zwischen die Stühle eines seichten Gruselfilms sowie einer bisweilen ziemlich albernen Buddycomedy setzt, braucht es schon fast ein Wunder, damit sich der Film nicht zum Kassengift entwickelt. Zumal „Geistervilla“ auch nicht mit einem einzelnen angesagten Hollywoodstar als Lead punkten kann. Zwar liest sich die Castliste für ein derartiges Projekt beachtlich: In Nebenrollen treten unter anderem Scream Queen Jamie Lee Curtis („Halloween“), Danny DeVito („Dumbo“) und Jared Leto („Blade Runner 2049“) auf. In den (erweiterten) Hauptrollen treten LaKeith Stanfield („Knives Out“), Rosario Dawson („Zombieland 2: Doppelt hält besser“), Tiffany Haddish („Night School“) und Owen Wilson („Marry Me“) in Eddie Murphys Fußstapfen. Jede und jeder Einzelne von ihnen ist zweifelsohne ein mindestens bekannter Name in Hollywood. Doch dürften Curtis, DeVito, Wilson und Dawson kaum ein Beweggrund sein, um jene Generation in die Kinos zu locken, für die „Geistervilla“ so etwas wie ein Einsteiger-Gruselfilm sein könnte. LaKeith Stanfield und Tiffany Haddish lassen sich da schon als „angesagter“ betrachten, der Ikonenstatus eines Eddie Murphy geht aber auch ihnen ab. Und Jared Leto ist als Voice Actor ohnehin kaum zu sehen. Fazit: Eine solche Besetzung ist zwar beeindruckend, dürfte den Anforderungen an ihren Werbewert aber nicht standhalten.

Jamie Lee Curtis stilecht als Madame Leota.

Der Film selbst ist hieraus die logische Konsequenz. Die Spielfreude des Casts sowie die liebevolle Spleenigkeit der einzelnen Figuren verhelfen „Geistervilla“ zu einem durchweg sympathischen Grundgerüst mit hohem Tempo. Gleichwohl ließe sich niemandem, weder einem Star selbst noch einer von ihm verkörperten Figur, attestieren, den Film auf seine Art zu prägen. „Geistervilla“ ist zwar schon allein aufgrund seines „eine Gruppe von Menschen kämpft gemeinsam gegen Geister“-Aufbaus ein Ensemblestück. Letztlich kocht jedoch jede Person ihr eigenes Süppchen. Das ergänzt sich manchmal stimmig. Etwa wenn Owen Wilsons betont trocken humoristischem Pfarrer die exzentrische Albernheit einer Tiffany Haddish gegenübergestellt wird. Rosario Dawson und ihr Filmsohn Chase Dillon („The Harder they Fall“) sind indes für die emotionale Erdung des Geschehens zuständig. Und LaKeith Stanfield, dessen Rolle des vom Schicksal gebeutelten Hardcore-Skeptikers noch am ehesten als eigentliche Hauptfigur zu verstehen ist, fungiert als Bindeglied zwischen beiden Tonalitäten. Manchmal wiederum erweckt die Besetzung eher den Eindruck von Stückwerk. FDanny DeVitos eigenbrötlerischer Historiker hat nur wenig Mehrwert zu bieten, während Jamie Lee Curtis als Madame Leota und Jared Leto als Hat-Box Ghost (quasi der Anführer der Geister und Haupt-Antagonist des Films) ihre Parts solide ausfüllen, ihre Aufritte aber gar nicht darauf ausgelegt sind, „Geistervilla“ personell zu prägen. Gleichwohl lässt sich keine:r von ihnen als großartiger Störfaktor ausmachen. Selbst überflüssigen Charakteren werden genug gelungenen Einzelszenen zuteil, um sie am Ende nicht negativ in Erinnerung zu behalten.

„Die Spielfreude des Casts sowie die liebevolle Spleenigkeit der einzelnen Figuren verhelfen ‚Geistervilla‘ zu einem durchweg sympathischen Grundgerüst.“

Bei „Geistervilla“ selbst trifft dies am ehesten noch auf das CGI-überladende, hysterische Finale zu. Wenngleich die Haunted Mansion-Attraktion, insbesondere in ihrer US-Fassung, schon auch ein Schaulaufen zahlreicher Geister ist, erweist sich das Finale auf einem Friedhof mit seinen unzähligen, computeranimierten Gruselgestalten als überladen, in Szenenarrangement und Ausleuchtung visuell unattraktiv und nimmt sich im Vergleich zu allem davor viel zu ernst. War als Schwerpunkt von „Geistervilla“ bis dato noch die Comedy auszumachen, steht hier plötzlich der Gruselaspekt im Fokus. Ganz so, als wäre Justin Simien und seiner Drehbuchautorin Katie Dippolt („Ghostbusters“) plötzlich eingefallen, dass das Grusel assoziierende „Geister“ in „Geistervilla“ ja auch noch irgendwie vorkommen muss. Dabei müsste es das eigentlich gar nicht. Haunted Mansion liefert primär eine tragische, weniger eine klassisch gruselige Grundlage, die in der US-Attraktion eine eher humoristische und in der europäischen eine melancholische Aufarbeitung erfährt. Insbesondere aus der US-amerikanischen Perspektive erfüllt „Geistervilla“ also genau das, was die Vorlage verspricht. Auch wenn sich der Film dadurch nicht in eine Schublade pressen lässt. Das macht es auch so schwer, den Film einer bestimmten Zielgruppe zu empfehlen. Mit Ausnahme von ein, zwei angedeuteten Jumpscares und ebenjenem Finale ist „Geistervilla“ nicht gruselig. Der Comedypart mag dominieren, wird für eine reine Gag-Aneinanderreihung jedoch immer wieder von der tragischen Hintergrundgeschichte rund um die Geister ausgebremst. Und das Drama rund um Bens Schicksal, dessen gespaltenes Verhältnis zu Geistern und sein dadurch fehlender Lebensmut vom frühen Tod seiner Verlobten herrührt, fördert lediglich in einer Szene tiefgreifende Emotionen zutage. „Geistervilla“ ist ein Genremix, der die Geschichte längst nicht vollends in sich zusammenstürzen lässt, der aber für ein solches Projekt viel zu überambitioniert erscheint. Sein ganzes Potenzial kann er dadurch nicht entfalten.

Father Kent (Owen Wilson), Gabbie (Rosario Dawson) und Harriet (Tiffany Haddish) bitten den Historiker Bruce (Danny DeVito) um Hilfe.

Was der Story nicht gelingt, haben aber immerhin sämtliche an Ausstattung und Setbuilding beteiligten Personen geschafft. „Geistervilla“ ist von Anfang an durchzogen von Referenzen an die Disneyland-Attraktion. So wird etwa der Eingangsbereich des Haunted Mansion zum Setpiece einer eigenen Actionszene. Deko-Elemente wie Büsten, das Interieur der Räume, sogar das Erlebnis, mit einem Wagen durch all das zu fahren, greift Simien auf. Selbst das Design der Geister, CGI hin oder her, ist an jenes der Haunted Mansion-Gruselgestalten angelehnt. Auf der akustischen Ebene setzt sich diese Detailverliebtheit fort. Kris Bowers („Green Book“) verarbeitete für seinen Score bekannte Klänge aus der Attraktion und das Sounddesign sorgt beim Auftritt der Madame Leota sogar für genau jenen leicht hallischen Klang, wie man ihn auch als Walt-Disney-World- oder Disneyland-Besucher:in von dem in eine Glaskugel gesperrten Frauenkopf kennt. An jeder Ecke lassen sich solch kleine Referenzen entdecken – aber dafür muss man sie zweifelsohne erst einmal kennen. Dadurch ist „Geistervilla“ am ehesten noch ein Wimmelbild für Haunted Mansion– respektive Phantom Manor-Fans, die durch ihr Vorwissen auch leichter durch die bisweilen ein wenig verkompliziert erzählte Geschichte steigen. Darüber hinaus bekommen sie einen kaum definierbaren, dafür grundsympathischen Genre-Mischmasch präsentiert – aber verkauft das mal dem zahlenden Publikum…

Fazit: „Geistervilla“ funktioniert am besten noch als Überbrückung zwischen zwei Disneyland-Besuchen und Wimmelbild für Fans der dem Film zugrunde liegenden Themenpark-Attraktion. Auch das Drumherum ist sympathisch, aber kein Aspekt fühlt sich vollends ausgearbeitet an. Meistens witzig, ein bisschen tragisch, mit inszenatorisch beabsichtigtem aber nicht richtig zündendem Gruselfaktor, sollte man sich am besten von der Kulisse und Spielfreude des Ensembles mitreißen lassen. Sonst kämpft man alsbald auf verlorenem Posten gegen die Geister der Geistervilla…

„Geistervilla“ ist ab dem 27. Juli in den deutschen Kinos zu sehen.

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