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Meine wissenschaftlichen Publikationen (Fortsetzung, 2002-2004)
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Meine wissenschaftlichen Publikationen (2002-2004)

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Zur korrekten Darstellung kirchenslavischer Titel werden die freien Fonts Slovenica und Kurilovica benötigt.

  1. Nikolaos Trunte: In quadam civitate, quae lingua gentis illius Dowina dicitur. Versuch einer Neulokalisierung. — Zeitschrift für Slavische Philologie, Band 61/1. Heidelberg: C. Winter Verlag, 2002, S. 1-24.

  2. Nikolaos H. Trunte: Словѣньскъи ѩзыкъ. Ein praktisches Lehrbuch des Kirchenslavischen in 30 Lektionen. Zugleich eine Einführung in die slavische Philologie. Band 1: Altkirchenslavisch. (Slavistische Beiträge 264, Studienhilfen 1). 5., völlig neu bearbeitete Auflage. München: Verlag Otto Sagner, 2003. XXXII+317 S.

  3. Nikolaos Trunte: Πρός τό σαφέστερον. Zu Reformen in der glagolitischen Schrift. — Glagoljica i hrvatski glagolizam. Zagreb 2004, S. 419-434.

  4. Nikolaos Trunte: Die römische Mission Konstantins des Philosophen. Zur byzantinischen Diplomatie der 60er Jahre des 9. Jahrhunderts. — Преславска книжовна школа 7 (Шумен 2004), S. 256-293.

  5. Nikolaos Trunte: Symeon Stylites der Ältere. — Syrische Kirchenväter. Herausgegeben von Wassilios Klein. Stuttgart: Urban-Verlag, 2004, S. 71-82.

  6. Nikolaos Trunte: Rьci slovo tvrьdo. Ein Zungenbrecher für Slaven?Germano-Slavistische Beiträge. Festschrift für Peter Rehder zum 65. Geburtstag. Herausgegeben von Miloš Okuka und Ulrich Schweier. (Sammelbände/Sborniki, Band 21). München 2004, S. 287-294.

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Resümees und Inhaltsangaben zu den Publikationen


In quadam civitate, quae lingua gentis illius Dowina dicitur. Versuch einer Neulokalisierung.

Elf Jahre sind vergangen, seit Martin Eggers in einer monumentalen Dissertation den Versuch unternommen hat, das Zentrum des traditionellerweise "großmährisch" genannten Reiches von der March an die Theiß zu verlegen und die aus den Quellen bekannte Hauptstadt "Morava" mit der "urbs Morisena" ungarischer Chroniken und damit dem späteren Csanád und heutigen Cenad zu identifizieren. Eggers' Arbeit ist teils auf heftigen Widerspruch gestoßen, teils auch auf ungeteilte Zustimmung. Hier nun wird versucht, unter Zugrundelegung der Eggers'schen Lokalisierung Moravias auch für eine weitere namentlich bekannte Burg dieses Reiches eine Neulokalisierung vorzunehmen.

Die nur aus den Annales Fuldenses und dem Chronicon des Hermann von Reichenau bekannte Burg Dowina wurde bei der traditionellen Lokalisierung Moravias in Mähren mit Theben (slovak. Devín, magy. Dévény) bei Pressburg (slovak. Bratislava, magy. Pozsony) identifiziert. Die Gleichsetzung stößt jedoch auf sprachliche Schwierigkeiten: das "o" von Dowina kann nicht aus "ě:" erklärt werden, und alle alten Namensbelege für Theben enthalten in der ersten Silbe einen vorderen Vokal. Dazu kommt das Fehlen passender archäologischer Daten. Eggers hat daher Dowina in der Ungarischen Tiefebene suchen wollen, ohne sich aber auf einen Ort festzulegen. Gegen alle von Eggers erwogenen Gleichsetzungen spricht aber, dass Namen mit "o"-Vokal in der ersten Silbe die Glossierung der Annales Fuldenses mit id est puella nicht erklären können.

Die Quellen erwähnen Dowina, weil die Einschließung dieser Burg 864 den fränkisch-moravischen Krieg entscheidet. Die bekannten Fakten zum Verlauf dieses Krieges lassen die Vermutung zu, dass Fürst Rastislav unweit der bulgarischen Festung Belgrad (heute Alba Iulia) stand, als er von Westen durch König Ludwig im Tal der Mieresch (rum. Mureş, magy. Maros) eingeschlossen wurde. Dort nun befindet sich die Stadt Diemrich (rum. Deva, magy. Déva), überragt von einem Vulkankegel, auf dessen Spitze sich in in römischer Zeit eine Festung befand. Die heutigen Ruinen stammen aus dem 13. Jahrhundert, Archäologen haben aber eine Erweiterung der römischen Bauten im 9. und 10. Jahrhundert feststellen können.Angesichts der nahen bulgarischen Festung Belgrad dürfte Diemrich die Rolle einer Grenzburg gegen Bulgarien zugefallen sein.

Der heutige Name der Stadt sieht dakisch aus (dak. dava oder deva "Burg", ist aber erst 1269 erstmals belegt und könnte damit magyarisch sein. Älter ist Decidava, wohl die Latinisierung des bei Ptolemaios genannten Δοκίδαυα, das andererseits der von Humanisten gräzisierten Form Dacopolis zu Grunde liegt. Damit scheint vorstellbar, dass der Ort bei der Ankunft der Slaven den Namen *Dava trug, vielleicht neben *Deva.

Das Slavische kannte die Lautfolge "ev" nur vor Silben mit vorderem Vokal, beispielsweise devętь aus älterem *newntis, während idg. *newos als novъ reflektiert wird. Ein vorgefundenes *Deva hätte somit ebenso wie ein vorgefundenes *Dava als *Dova wiedergegeben worden sein sollen. Die Burg am Orte *Dova hätte slavisch dann *Dovinъgradъ heißen sollen; da im Lateinischen wie Deutschen die Bezeichnung für Burg feminin ist (Burg, civitas, urbs), ist die Überführung von *Dovinъ in Dowina leicht zu verstehen. Das Slavische kennt aber auch eine andere Behandlung der Lautfolge "ev" in Fremdnamen, nämlich die Ersetzung durch "iv" (z. B. Pulpudeva "Plovdiv" > Plъpьdiva) oder "ěv" (belegt ist zumindest das Schwanken zwischen Andreja, Andrěa und Andrie für griech. Άνδρέας). Es mag daher neben der slavischen Form *Dova auch eine konkurrierende Form *Děva gegeben haben, die zu der Glossierung "id est puella" geführt hat.

Wenn Diemrich die Ostgrenze Moravias in Siebenbürgen bezeichnet hat, dürfte sich diese ziemlich genau mit dem mutmaßlichen Herrschaftsgebiet Ajtonys gedeckt haben, das im Westen bis an die Theiß reichte, im Süden bis an die Donau und im Norden bis an die Kőrös, während das Gebiet des gleichfalls gegen den ungarischen König Stephan revoltierenden gyula, den die Slaven Prokuj nannten, sich ostwärts anschloss und die früher bulgarisch kontrollierten Gebiete umfasste. Sicherlich erinnerten sich Slaven hundert Jahre nach dem Untergang Moravias noch einstiger slavischer Staatlichkeit in diesem Raum, so dass es vorstellbar scheint, dass sie Anteil an diesem Aufstand hatten. Vergleicht man zudem die Klage des heiligen Gerhard (magy. Gellért), des ersten katholischen Bischofs von Csanád, über das Wirken von "Methodianistae" in seiner Diözese, so wird man auch die ostkirchlichen Anfänge Siebenbürgens neu bewerten müssen.

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Lehrbuch des Kirchenslavischen. Band I: Altkirchenslavisch

Das seit mehr als zehn Jahren im akademischen Unterricht an den meisten deutschsprachigen Universitäten und darüber hinaus bewährte Praktische Lehrbuch des Kirchenslavischen unterscheidet sich in der 5., völlig neu bearbeiteteten Auflage nicht nur graphisch von den Vorgängern. Entsprechend dem 2. Band zum Mittel- und Neukirchenslavischen fand die Kulturgeschichte stärkere Berücksichtigung, dabei auch die Kontroverse um die Lage Moravias. Die indogermanistischen Kapitel wurden dem neuen Forschungsstand angepasst. Die Einleitung geht auf die Geschichte der Paläoslavistik ein, und in Lektion 2 wird ein ausführlicher Überblick über das Corpus der altkirchenslavischen Denkmäler einschließlich der Neufunde der 70er und 80er Jahres des 20. Jahrhunderts gegeben. Die beiden letzten Lektionen, die nicht normalisierte Texte zu Grunde legen, sind — teilweise mit Abbildungen — um Beispiele aus dem Vatikanischen Palimpsest, dem Codex Suprasliensis, dem sinaitischen Fastentriodion, dem neu gefundenen Teil des Euchologion sinaiticum und dem Menaion sinaiticum erweitert worden und vermitteln so einen besseren Eindruck vom tatsächlichen Aussehen des Altkirchenslavischen. Sachweiser (zur Grammatik und zur Kulturgeschichte) sowie ein Glossar (2160 Lemmata) ergänzen das Lehrbuch.

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Πρός τό σαφέστερον. Zu Reformen in der glagolitischen Schrift.

Ausgehend von der berümten Stelle in der Legenda Legenda Ochridica, an der Kliment die Erfindung klarerer Buchstaben zugeschrieben wird, sollte gezeigt werden, dass es Reformen in der Glagolica gegeben hat, die vielleicht Kliment zugeschrieben werden dürfen. Dass die Erfindung der Kyrillica gemeint gewesen sein könnte, ist abzulehnen: die Kyrillica ist nicht klarer als die Glagolica, zudem selbst in ihren ältesten Zeugnissen zu jung, als dass sie mit Kliment verbunden werden könnte.

Reformen in der Glagolica anzunehmen setzt voraus, dass die Urglagolica Konstantins entgegen verbreiteter anderer Überzeugnung keineswegs vollkommen gewesen ist. Die nachweisbaren Mängel finden ihre Erklärung teils in griechischem und armenischem Schriftdenken, teils in davon unabhängigen Systemfehlern, die nie beseitigt worden sind.

Mit dem Namen Kliments lassen sich nur solche Reformen verbinden, die die Beseitigung von Mängeln in der klassischen Glagolica zur Folge hatten. Der Verdacht stattgehabter Reformen stellt sich bei einander ähnlichen Graphemen der klassischen Glagolica ein, die durch Differenzierung aus einem gemeinsamen Grundzeichen abgeleitet werden können (drittes i- und drittes o-Zeichen, zweites Jerzeichen), außerdem bei Digraphen (Nasalvokalzeichen).

Der Grund für die Notwendigkeit von Nachbesserungen könnte außer in mangelnder Sprachkompetenz bei dem Nichtslaven Konstantin-Kyrill auch darin zu suchen sein, dass das Uraltkirchenslavische Konstantins eine andere Dialektgrundlage hatte als das Klassisch-Altkirchenslavische. Die scheinbaren Mängel der Urglagolica lassen sich durch die Annahme einer ostbulgarischen Dialektgrundlage erklären. Der lange Aufenthalt der Slavenlehrer in Bithynien macht eine ostbulgarische Dialektgrundlage des Uraltkirchenslavischen wahrscheinlich, denn die bithynischen Slaven stammten aus Nordostbulgarien.

Das Zeichen -Zeichen wird hier als ursprüngliches Graphem für ψ verstanden, das erst in Makedonien zu šč umgedeutet wurde.

Der umstrittene Bestand an urglagolitischen Graphemen lässt sich mit dem aufgrund ihrer Verwendung als Zahlenzeichen anzusetzenden Umfang von 36 Zeichen (4 Enneaden) in Deckung bringen, wobei allein die Position des f und des zweiten ch sich nicht sicher bestimmen lassen.

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Die römische Mission Konstantins des Philosophen. Zur byzantinischen Diplomatie der 60er Jahre des 9. Jahrhunderts.

Die Tatsache, dass Konstantin-Kyrill sich von Moravia aus nach Rom und nicht nach Konstantinopel gewendet hat, um seine Schüler weihen zu lassen, hat oft Erstaunen hervorgerufen und hat sogar zu Spekulationen geführt, die Slavenlehrer hätten mit dem Patriarchat von Konstantinopel gebrochen (so Pastrnek). Diese überraschende Wendung findet jedoch eine Erklärung, wenn man berücksichtigt, dass der Konstantin als rhomäischer Diplomat bei dieser Gelegenheit auch die Clemensreliquien nach Rom transferiert hat. Aus dem Wert des Geschenks und unter Berücksichtigung der damaligen Reisezeiten ergibt sich jedoch (anders als bei Uchanova), dass die Transferierung im Auftrage von Kaiser und Patriarch erfolgt sein muss, und dass Konstantin diesen Auftrag bereits vor Antritt der moravischen Mission erhalten hat; es ist sogar wahrscheinlich, dass die Auffindung der Reliquien mit dem Ziel erfolgte, diese nach Rom zu transferieren, um damit politische Ziele zu erreichen.

Über den politischen Auftrag Konstantins lässt sich nur spekulieren. Uchanova rechnet damit, dass das großherzige Geschenk dazu dienen sollte, den Streit um Photios beizulegen. Diese Annahme kann jedoch den Umweg Konstantins über Moravia nicht erklären. Hier wird nun angenommen, dass die Reise Konstantins nach Moravia und Rom dazu dienen sollte, die illyrische und die damit eng zusammenhängende Frage Bulgariens und der slavischen Missionsgebiete zu klären. In diese Richtung deutet die Bereitschaft Photios' zur Rückgabe der fraglichen Gebiete in einem Schreiben vom Sommer 861. Wenn Papst Nikolaus I. mit seinem Urteil in der Frage der Besetzung des konstantinopolitanischen Stuhls, die er von Zugeständnissen des Reiches hinsichtlich Bulgariens abhängig machte, bis zum Sommer 863 zögerte, so erklärt sich mit dem Warten auf einen rhomäischen Gesandten.

Das plötzliche Interesse Konstantinopels an der Beilegung des Konflikts um das Illyricum findet seine Erklärung in der Gefahr eines neuen fränkisch-bulgarisches Bündnisses, das Anfang des 9. Jahrhunderts zu einer dramatischen Bedrohung für das Reich geworden war und Kaiser Michael I. Rhangabe zur Unterzeichnung des schmählichen Friedens von Aachen genötigt hatte. Auf diesem Hintergrund ist zu vermuten, dass Konstantinopel bereit war, das Illyricum an Rom zurückzugeben, dazu die slavischen Missionsgebiete (Moravia), wenn im Gegenzug seine Ansprüche auf Bulgarien in den aktuellen Grenzen (also unter Einbeziehung von Teilen des ehemaligen Illyricums) anerekannt würden.

Die Frage der slavischen Liturgiesprache stellte sich Rastislav sicher nicht, denn in der ganzen ihm bekannten Welt gab es dafür kein Vorbild. Auch Konstantinopel hatte kein Interesse an der Schaffung einer slavischen Liturgiesprache, denn für die Slaven auf Reichsgebiet wurde sie nicht geschaffen und auch später nicht übernommen. Zum Einsatz kam sie nur in Gebieten, die Rom unterstehen sollte, so dass sich der Verdacht einstellt, dass die eigene Liturgiesprache als Trojanisches Pferd gedacht war, die im römischen Lager Unfrieden stiften und zu Spaltungen führen musste. Dass sich freilich die Methodschüler nach ihrer Vertreibung ausgerechnet nach Bulgarien wenden würden und dass so die Waffe, die die Einheit des Westens untergraben sollte, Slaven und Bulgaren einen und sie bestärken würde in ihrem Widerstand gegen Hellenisierungsbemühungen, konnte auch der listenreiche Photios nicht voraussehen.

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Symeon Stylites

C. Detlef G. Müller vergleicht die Styliten insgesamt mit Magiern, und W. Stewart McCullough attestiert Symeon Stylites († 459) ein Gespür für die Kunst, sich wirkungsvoll in Szene zu setzen. Von diesem Vorwurf ausgehend, wird hier zunächst das Leben Symeons des Älteren dargestellt. Wichtiges Ergebnis ist dabei, dass Symeon seine exzessive Askese nur dank der Hilfe anderer durchhalten konnte. Auch weckte seine Lebensweise neben Bewunderung schon bei Zeitgenossen Zweifel an seiner Integrität und Rechtgläubigkeit; die Zweifel verstummten allerdings nach dem Tode des Heiligen.

Symeon hat zahlreiche Nachahmer gefunden, und das nicht nur im Orient, sondern auch bei Griechen und Slaven. Der erste slavische Stylit war im 10. Jahrhundert Ioann von Rila. Im 13. Jahrhundert wird die Askese Petrs von Koriša, obwohl er nie eine Säule bestiegen hat, in seiner Vita mit dem Stylitentum verglichen. In der Rus' hat im 12. Jahrhundert Kyrill von Turov als Erster eine Zeitlang als Stylit gelebt, bevor er Bischof wurde. In der Gestalt Savvas von der Višera kennt Russland aber auch ein anderes Stylitentum, das sich im Verborgenen abspielt und frei ist von effektheischender Selbstzurschaustellung, dabei eingebunden in das liturgische Leben der Gemeinde. Ähnliches gilt im 18. Jahrhundert für Serafim von Sarov, den Erneuerer des Starzentums in Russland. Während das Stylitentum im Osten verbreitet war, hat es im lateinischen Westen nie Fuß fassen können; nur ein einziger Fall eines Versuchs, als zu Stylit zu leben, ist aus dem Frankenreich im 6. Jahrhundert überliefert.

Auffällig ist, dass abgesehen von Savva Višerskij und Serafim Sarovskij die Styliten stets die Nähe großer Städte gesucht haben, wo sie Unterstützung und ein Publikum fanden. Der Aspekt des fehlenden sozialen Nutzens solch privater Askese wird auch von Luis Buñuel in seinem Film Simeón del desierto (Mexiko 1965) hervorgehoben.

Nichtsdestoweniger haben die Styliten mit ihrer schroffen Askese Anerkennung und Bewunderung geweckt, und das nicht nur bei Christen: der frühe Islam sah in ihnen Vertreter des wahren Christentums und begegnete ihnen mit Hochachtung, auch heißt es, das Minarett verdanke Form und Funktion den Säulen syrischer Asketen.

Da für diesen Beitrag Sonderdrucke nicht zur Verfügung gestellt werden, biete ich hier anstelle eines Separatums mein Originaltyposkript im pdf-Format an, das sich von der Druckfassung in der Paginierung, typographisch und in den Namensformen (wissenschaftlich statt populär) unterscheidet und auch etwas mehr bibliographische Angaben macht.

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Ein Zungenbrecher für Slaven?

Die slavischen Buchstabennamen bildeten — anders als die griechischen, armenischen, georgischen, gotischen oder syrischen — ursprünglich einen fortlaufenden sinnvollen Text, von dem freilich nur fünf Kurzsätze einigermaßen sicher rekonstruierbar sind. Der fünfte wird von den Buchstabennamen für r, s und t gebildet und lautet: rьci slovo tvrьdo. K. Ericsson übersetzte den Satz 1970 mit 'say a strong word'; dagegen ist einzuwenden, dass slovo im Kirchenslavischen nicht das Einzelwort bezeichnet, sondern ein Syntagma, außerdem legt den Kontext für tvrьrdo eher die Bedeutung 'schwierig' nahe wie im Čakavischen, Alttschechischen und Altrussischen. So verstand den Satz auch V. Tkadlčík, der ihn 1971 auf die folgenden Buchstabennamen ukъ, frъtъ und chěrъ bezog. Er deutete diese drei unslavischen Wörter als griechische [hier in monotoner Orthographie] ουκ, φέρετε und χαίρε, was allerdings kein sinnvolles Syntagma ergibt. Außerdem steht in frühen Abecedarien statt ukъ als Buchstabenname hic oder ik, so dass kein Monograph für /u/ gemeint sein wird, sondern die Entsprechung zu griechischem Ypsilon, das allein stehend bei Gebildeten damals noch /ü/, nicht /i/, gelesen wurde. Das slavische Alphabet besaß ursprünglich ebenso wie die anderen christlichen Missionsalphabete nach griechischem Vorbild nur einen Digraph zur Darstellung des Phonems /u/. Da es ein griechisches Wort *υκ- nicht gibt, ist wohl an das homophone οίκος 'Haus' zu denken. Auf das unslavische Phonem /ü/ folgt das ebenso unslavische /f/, wobei frъtъ statt als φέρετε vielleicht besser als stärker volkssprachliches φέρτε gelesen werden sollte. Das dritte Wort allerdings beginnt mit dem Phonem /x/, das für einen Slaven nicht schwierig gewesen sein kann. Nun besaß die Glagolica ursprünglich zwei Zeichen für /x/, von denen eines in slavischen, das andere in griechischen Wörtern vorkam. Wie ich bereits in meinem Artikel Ex Armenia lux (Position 20 des Publikationsverzeichnisses) nachzuweisen versucht habe, war Konstantin-Kyrill möglicherweise Armenier, und auch das Armenische unterscheidet ein einheimisches /x/ von einem /kh/ in griechischen Namen. Konstantin-Kyrill wollte also den Slaven vielleicht eine Realisierung des griechischen χ als /kh/ (und des griechischen φ als /ph/ nahe legen. Die von den drei Buchstabennamen vertretenen Phoneme wären dann /ü/, /ph/ und /kh/, die alle drei für Slaven schwer auszusprechen gewesen sein müssen.

Welches sinnvolle griechische Syntagma hinter den Buchstabennamen *ükъ, phrъtъ und khěrъ zu suchen ist, kann nicht mit Sicherheit bestimmt werden; anbieten würde sich *οίκον φέρτε χε(ι)ρί, 'tragt das Haus mit der Hand'. Ein solcher Satz begönne nicht nur in drei aufeinander folgenden Wörtern mit schwierigen Lauten, auch inhaltlich beschriebe er Unmögliches und entbehrte somit nicht jenes sympathischen Humors, der bereits in dem einleitenden Kurzsatz Azъ buky vědě 'Ich kann die Buchstaben' erkennbar geworden ist.

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© Dr. Nikolaos Trunte. Zuletzt aktualisiert am 31.10.2006. Für den Inhalt externer Seiten wird keine Verantwortung übernommen.