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Der Fetisch mit der Rechtschreibung: Deppen’s Apostroph | taz.de

Der Fetisch mit der RechtschreibungDeppen’s Apostroph

Lin Hierse
Kommentar von Lin Hierse

Medien melden: Ab jetzt soll in Eigennamen wie „Bärbel’s Büdchen“ der Apostroph erlaubt sein. Dabei war er das schon. Ein Depp, wer das nicht wusste!

Für „Erika’s Eckkneipe“ und „Bärbel’s Büdchen“! Illustration: taz

D er Mensch ist ein Depp, dafür gibt es reichlich Belege. Keine andere uns bekannte Spezies hat es zum Beispiel geschafft, sich allen wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Trotz so dermaßen gründlich an ihrem eigenen Lebensraum zu vergehen, dass er unbewohnbar zu werden droht. Vom verlässlichen Erfolg populistischer Oberdeppen und komplett nutzlosen Erfindungen aus dem Hause Tchibo ganz zu schweigen.

Konsequent also, dass auch menschengemachte Publikationsorgane ab und an herum­tölpeln. ­Vergangene Woche machte von Stern bisSWR3 und Kölner Stadt-Anzeiger die Meldung die Runde, dass der sogenannte Deppenapostroph jetzt dank einer Entscheidung des Rats für deutsche Rechtschreibung offiziell verwendet werden dürfe.

Vorbei also die Zeiten, in denen Spießbürger mit Rechtschreibfetisch bei jeder Gelegenheit mit dem Finger auf Bärbel’s Treff, Oli’s Büdchen und Cem’s Trinkhalle zeigen können! Jedenfalls ein bisschen, denn Bärbel, Cem und Oli würden glücklicherweise weiterhin oberpeinliche, ­deppenhafte Fehler machen, wenn sie von Bärbel’s Briefmarkensammlung, Cem’s Winterjacke oder Oli’s Mutter schrieben.

Besserwisser wissen: „Die Verwendung des Apostrophs zur Abgrenzung des Genitiv-s bei ­Eigennamen ist möglich, wenn die Gesamt­konstruktion ein Eigenname ist“, lautet die bereits im Juli aktualisierte Regel. Und sie hoffen ins­geheim, dass die Schlechterwisser schon noch genug Fehler machen werden, über die es sich ­herziehen lässt.

Die Meldung zum Häkchen hat allerdings einen Haken. Wirklich unzulässig, geschweige denn verboten war der „Deppenapostroph“ auch vorher nicht. Schon im amtlichen Regelwerk des Rechtschreibrates von 2006 steht der Satz: „Von dem Apostroph als Auslassungszeichen zu unterscheiden ist der gelegentliche Gebrauch dieses Zeichens zur Verdeutlichung der Grundform eines Personennamens vor der Genitivendung -s oder vor dem Adjektivsuffix -sch: Carlo’s Taverne, Einstein’sche Relativitätstheorie.“ Carlo hat also nichts falsch gemacht. Wer Carlo ausgelacht hat, allerdings schon.

Laut Duden ist der Depp ja eine besonders im süddeutschen, österreichischen und schwei­zerischen Sprachgebrauch verbreitete „abwertende Bezeichnung für einen einfältigen, un­geschickten Menschen, Tölpel, Dummkopf“. Ein Depp ist also gewissermaßen ein Stolperer, und ein Stolperer braucht vielleicht einfach etwas, ­woran er sich festhalten kann. Überlegenheits­posen zum Beispiel. Oder die gelegentliche ­Dosis anlasslose Aufregung.

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Lin Hierse
taz-Redakteurin
Lin Hierse ist Redakteurin der wochentaz und Schriftstellerin. Nach ihrem Debüt "Wovon wir träumen" (2022) erschien im August ihr zweiter Roman "Das Verschwinden der Welt" im Piper Verlag. Foto: Amelie Kahn-Ackermann
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45 Kommentare

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  • Danke, schön erklärt.

  • Noch schlimmer wird die Verwendung bei z.B. Pluralbildung.

  • Bei der Schlechtschreibreform hieß es immer "Vereinfachung". Hier soll nun ein zusätzliches Zeichen besser sein...

    Vor einiger Zeit gesehen: "Käpt´ns Kiosk".

    Und wie schon jemand geschrieben hat, es wird ja oft nicht einmal ein Apostroph genommen, sondern ein Akzentzeichen.

    • @Ciro:

      PS. Ich merke gerade, "Käpt'n" ist ja vielleicht eine korrekte Schreibweise dieser umgangssprachlichen Form, zumindest nicht ungewohnt, das wird es erst durch das angehängte s, aber wiederum korrekterweise ohne Apostroph. Bleibt die Verwendung des Akzents.

      • @Ciro:

        Der Akzent kommt hinein, weil sonst im Getippten von Word plötzlich aus dem Apostroph ein Komma gemacht wird o.ä.

        Kapitän wird norddeutsch zu Käpt'n, wo zumindest der Duden den Auslassungs-Apostroph schon möchte. Komisch sieht es aus, gleichwohl. Wieso nicht Kombüse oder Schiffsmesse? Ahoi!

  • Der oder Das Apostroph?

    • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

      Die Apastrophe

      • @Tom Lehner:

        Der Opa Stoph.

  • Im Anschluss daran die Frage: heißt es künftig noch korrekt „schgeh Aldi“, oder muss es dann „sch‘geh Aldi“ geschrieben werden?

    • @Meister Petz:

      sch’geh, mit dem richtigen Apo, also 9, nicht 6

      • @derzwerg:

        Sogar „’sch geh’ Aldi“, denn ausgelassen wird ja am Anfang des ersten Worts und am Ende des zweiten. Der zweite Apostroph ist aber fakultativ laut Duden’s Wörterbuch. (It’s banana’s! ;-))

  • Apostroph hat mit Depp nichts zu tun, weils das früher sinnvollweise auf Deutsch gab. Steht so bei wikipedia. War ein Fehler, das abzuschaffen. Funktionert gut auf Englisch, warum nicht wieder auf Deutsch?

    • @Kommen Tier:

      Den Apostroph gab's natürlich schon immer und der wurde auch nie abgeschafft. Nur wird er permanent falsch verwendet. "Montag`s, Auto`s, Uns'er Einkaufsmarkt, Schwein's Hax'n.". Alles so schon gesehen. Keine Ahnung, wo die Leute das her haben, aber für sowas gibts die Bezeichnung Deppenapostroph absolut zurecht.

      Hier gibts das gesamte Grauen gesammelt:

      www.deppenapostroph.info/

  • Ich habe den Eindruck, in der derzeit aus dem Ruder laufenden und von mehreren Seiten unter Beschuss genommenen deutschen Orthographie und Grammatik gibt es andere Baustellen als ein fehlerhaft gesetztes Apostroph.



    Insofern frage ich mich, ob der Text selbst nicht ein Beispiel für, ich zitiere, "die gelegentliche ­Dosis anlassloser Aufregung" ist.

    • @Vigoleis:

      "der Apostroph", bitte, so viel Zeit muss sein.



      Wer sich unbelegt derart apokalyptisch-klagend ausdrückt ...

    • Alexander Diehl , Autor , Redakteur taz nord
      @Vigoleis:

      Die "deutsche Orthographie und Grammatik" läuft "derzeit aus dem Ruder"? Wo denn?

  • Ich gehe davon aus, dass dieser Apostroph in Kürze in vielen Bundesländern verboten wird:

    Es stört den Lesefluss massiv und ist eine Verschandelung der deutschen Sprache sondergleichen!



    Ein Gendersternchen ist wenigstens rund und harmonisch. Aber dieser wortzerfetzende Enterhaken ist nur noch ekelhaft!

  • Wer ist schuld? Duden und sein Vorschriftenwahn! Bis 1901 war es anders richtig und Thomas Mann, der nun wirklich mit der deutschen Sprache umzugehen wusste, hat sich auch viel später noch gegen die Duden’sche Regel entschieden.



    Sprechen wir doch bitte lieber über die Orthotypographie: Der Apostroph ist kein Zollzeichen ('), auch wenn das um der Schreibmaschinen willen zugelassen war, und erst recht kein ʻOkina (ʻ), auch kein isoliertes Gravis (`)! So heißt’s (und schreibt sich’s) denn: „Ja, hallo, geht’s noch?“



    Für die Freunde der Anglophonie: Bitte nicht mit den „greengrocers’ apostrophe’s“ verwechseln! Das sind überflüssige Hochkommata im Englischen (und als -komma’s hypothetisch auch im Deutschen.)

  • Klopp's Klops?

  • Es ist das Gebot der Zeit, Regeln an das Vermögen und die Bereitschaft der Menschen anzupassen, diese Regeln einzuhalten. Alles andere ist Ausgrenzung und Diskriminierung. Nivellierung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner ist das Ziel. Und der geht so auf längere Sicht asymptotisch gegen Null.

    • @QuerBeetLeser:

      Der kleinste gemeinsame Nenner geht wenn überhaupt gegen 1, und wie das asymptotisch funktionieren soll, ist mir schleierhaft.

      • @derzwerg:

        Nehmen Sie es doch nicht so mathematisch. Hier geht es doch um die Sprache!

        • @QuerBeetLeser:

          Na komm, bei soner Steilvorlage

  • Frau Hierse ist offenbar eine eifrige Leserin von "Übermedien".

    Dort wurde dasselbe Thema mit genau derselben Argumentation (etwas pointierter vielleicht) bereits vor 4 Tagen behandelt.

  • @WILLIFIT

    Backquote`s! Das ist unfair!!!

    OK, OK, Sie gewinnen :-)

  • Ich schreibe ja, wie mir die Feder gewachsen ist, will sagen, seit der Schulzeit habe ich wenig dazugelernt, eher im Gegenteil.



    Die Tatsache, dass es bei uns an der Tanke neuerdings Croissant's gibt, zaubert mir dann aber schon ein, sagen wir mal, vorfreudiges, Lächeln auf die Lippen...

  • Na genau dies ist ja nicht das wirklich Schlimme. Sondern, wer bspw. die B1 von der polnischen Grenze nach Berlin fährt, linkerhand dann das Imbiss-Schild FREITAG'S EISBEIN. Das ist es, was einen wirklich zur Raserei bringt. ;-)))

  • Nichts gegen Frau Hierse, ich lese sie gern, aber das mit dem "Deppenapostroph" ist wohlfeiles bildungsbürgerliches Ressentiment.

    Vor allem, wenn man in Betracht zieht, auf welchen Hund der Journalismus in Sachen Sprache und Genauigkeit gekommen ist.

    Manchmal empfinde ich Schmerzen beim lesen mancher Artikel, weil sie einfach so schlecht sind.

    Vor allem wenn sie gemäß der unsäglichen Mode verfasst sind, die vorschreibt, dass der Autor wichtig ist, nicht die Geschichte.

    Auf die Spitze treiben das die Podcasts, die ich, käme ich an die Macht, verbieten würde.

    • @Jim Hawkins:

      "das mit dem "Deppenapostroph" ist wohlfeiles bildungsbürgerliches Ressentiment."

      Nach meinem Verständnis sieht Lin Hierse das ganz genau so. Insofern wundert mich das "ich lese sie gern, aber.." ;-) Ist das deine "gelegentliche ­Dosis anlasslose Aufregung"?

      Podcasts sind eine sehr neue und sehr spezifische Form des Journalismus. Das kann man mit dem geschriebenen Wort nicht vergleichen, und sollte mE auch mit anderen Ansprüchen und Erwartungen rezipiert werden. Die meisten, die ich kenne, nerven mich ebenfalls kolossal, auch wenn ich zT. die Podcaster ansonsten schätze (zB. Böhmermann). Aber auf Wolfgang M. Schmitt und Ole Nymoen, aber auch viele andere linke Formate würde ich zB. sehr ungern verzichten. Solltest du also an die Macht kommen, würde ich mir Milde wünschen.

    • @Jim Hawkins:

      -> "Beim Lesen", bitte: Substantivierung.



      (ich schreibe dabei selbst online auch schludriger als sonst).

      Lifestyle-Zeilen aus dem Leben der Journalistens empfinde ich in der Regel als überflüssig, darum ging's hier aber nicht.

    • @Jim Hawkins:

      Nun, der Begriff stammt nicht von Frau Hierse.

      Kamma gugln.

      Als Kommentaraufreger taugt das eher nicht, zumal - so lese ich das - Frau Hierse den Begriff aus anderen Medien zitiert hat.

    • @Jim Hawkins:

      Artikel nicht gelesen, aber das eigene Ressentiment gegen Podcasts im Kommentar untergebracht, prima.

      • @Wonko the Sane:

        Ach naja, wer ohne Fehler ist, der starte den nächsten Podcast.

        Am besten einen, der sich so anhört, als würden sich ein paar Erstsemester in einer Kneipe plappernd unterhalten.

        • @Jim Hawkins:

          Das Deppenapostroph verdient nicht, mit so viel Schmerz um die verlorene Jugend beladen zu werden.

          • @Wonko the Sane:

            OK, the kids are not allright und das leider in vielerlei Hinsicht.

            Allerdings waren es ja wir, also ich jedenfalls, die nichts besseres weitergeben konnten.

            • @Jim Hawkins:

              Auch wenn des etwas schlecht gealtert ist, wofür aber auch kein Mensch was kann*lol*; im Grunde immer richtig:



              www.youtube.com/wa...UojQ&start_radio=1



              Die Kids meiner Altersgenoss*inen in meiner "Punkbubble" sinds auf Jeden, manchmal gehen die mit ihren Alten auch auf die gleiche Musiktanzveranstaltung.



              "Carlo’s Taverne" wäre übrigens eh richtig, auch bei den Orthographiefaschisten, denn, es gäbe ja auch die Taverne von Carlos, ned nur die von Carlo.

  • Wie wär's mal mit Oli's Büd'chen?

    Das wär' mal kreativ ;-)

    • @tomás zerolo:

      Ich setz´ noch einen dr´auf:



      In Oli`s Büd`chen spielen Baby`s mit Handy´s

      • @willifit:

        kurz - der Duden bin ich - wer denn sonst? '•

      • @willifit:

        Mein Favorit kommt aus Thüringen:



        "Bahnhof's Snack's". Jemand, der das toppen kann?

        • @Stechpalme:

          Bitte nicht ins Glei's treten.

        • @Stechpalme:

          Gab es schon vor Jahren beim Großmeister TOM. Da stand in einem seiner Cartoons im Hintergrund zu lesen

          "Uschi's Sushi's"

          Es gibt nichts Neues unter der Sonne, wusste man ja schon in biblischen Zeiten.

          • @ PeWi:

            Tom ist nicht zu toppen

            • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

              Liggers. Doch. Dr Borg‘s Funzstück:



              “Sprot‘s Bar“ ist doch auch nicht so ganz schlecht!