Volker Gäckle / Jürgen Schuster (Hg.): Mission im 21. Jahrhundert
Volker Gäckle / Jürgen Schuster (Hg.): Mission im 21. Jahrhundert. Überlegungen und Perspektiven zur Zukunft der christlichen Weltmission, Münster: LIT Verlag, 2024, Pb., 342 S., € 24,90, ISBN 978-3-643-25121-3
Die Weltmission befindet sich im Wandel, das ist klar. „In vielen Bereichen ist ein ‚Weiter so‘ nicht mehr möglich und der Wandel ist in vollem Gange“ (7), schreiben die Herausgeber Volker Gäckle und Jürgen Schuster im Vorwort. Der Sammelband Mission im 21. Jahrhundert. Überlegungen und Perspektiven zur Zukunft der christlichen Weltmission geht aus einem dreijährigen Prozess der Liebenzeller Mission und der Internationalen Hochschule Liebenzell hervor. Wie kann und muss Weltmission im 21. Jahrhundert aussehen? Diese große Frage gilt es anzugehen. Inmitten dieses Prozesses ist nun ein Sammelband mit 15 Aufsätzen erschienen. Unterschiedliche Facetten der Weltmission werden aufgegriffen und behandelt. Die Autorinnen und Autoren sind mit wenigen Ausnahmen in Liebenzell tätig. Der Sammelband klärt keine Grundsatzfragen zu Mission im weiten Sinne, sondern möchte konkret nach Gestaltungsformen von Mission fragen. Es geht also nicht darum, das „Ob“ von Mission zu diskutieren, sondern das „Wie“ (140) zu erörtern.
Der erste Teil des Sammelbandes ist eine Standortbestimmung. Die Rede ist von einem Ende der Selbstverständlichkeiten aus protestantischer Sicht (8). Mission befindet sich inmitten eines Epochenwechsels (34). Missionarische Bewegungen geschehen schon lange nicht mehr von Nord nach Süd. Das Christentum ist polyzentrisch zu beschreiben, quer über den Globus verteilt, mit missionarischen Bewegungen, die in alle Richtungen reichen (38). Vieles befindet sich im Wandel und ist in der Beschreibung eines Weltchristentums mit einzubeziehen: Das Wachstum pfingstlerischer und charismatischer Gemeinden, insbesondere im globalen Süden, der Rückgang von Volkskirche im globalen Norden, der schleichende Rückgang von Konfessionalität, (33) die zunehmende Missionsmüdigkeit im globalen Norden (33), aber auch Phänomene wie Migrationsgemeinden (66) und Urbanisierung (67) werden angesprochen. Es wird ebenso gefragt, wie im Angesicht eines polyzentrischen Christentums theologisch gearbeitet werden muss, um nicht einer einseitigen Sicht zu verfallen (71). Auch die Frage nach einer ungleichen Ressourcenverteilung innerhalb neuer Dynamiken spielt eine Rolle (59). Dass dies alles große Auswirkungen und Veränderungen in der Gestaltung von Missionsarbeit mit sich bringt, liegt auf der Hand.
Der zweite Teil bohrt nun etwas tiefer und befasst sich mit Einzelfragen, die sich angesichts des Wandels in der Mission stellen. Wie ist Mission im Lichte postkolonialer Kritik einzuordnen? Kann man Mission überhaupt in einem postkolonialen Zeitalter begründen? (Schuckert, Kramer) Wie ist heute auf die Rolle des Missionars zu schauen? Wie hat sie sich verändert? Sollte man weiterhin von Missionar sprechen oder nach einer anderen Bezeichnung suchen? (Herrmann) Was bedeutet der Wandel in der Mission für westliche Missionsgesellschaften? Welche Veränderungen ergeben sich angesichts schwindender Unterstützung im globalen Norden und eines wachsenden Christentums im globalen Süden? (Gäckle) Wenn man von Mission spricht, dann betrifft dies freilich auch das Thema Konversion. Mihamm Kim-Rauchholz und Andreas Jägers beleuchten das Phänomen der Bekehrung aus unterschiedlichen Richtungen.
Der dritte Teil zeigt Themen auf, die es „anzupacken gilt“. Etwa die Frage nach partnerschaftlicher Zusammenarbeit von Missionsorganisationen (Blöcher). Blöcher plädiert dafür, enger in der Missionsarbeit zusammenzuarbeiten, um Synergien nutzen zu können. Anhand mehrerer Beispiele bringt er verschiedene Formen partnerschaftlicher Zusammenarbeit ein. Kimberly Schuster wendet sich den noch wenig beachteten Genderfragen innerhalb der Missionsarbeit zu und befasst sich mit der Frage, welche besondere Bedeutung Frauen in der Weltmission zukommt. Den Abschluss bilden zwei Aufsätze, die das Thema Kontextualisierung behandeln. Wie kann das Evangelium in einem bestimmten Kontext Gestalt annehmen? Jean-Georges Gantenbein plädiert dafür, einen neuen Blick auf die von protestantischer Seite lange stiefmütterlich behandelte Ästhetik zu werfen. Er stellt die Frage, wie eine ästhetische Missionstheologie aussehen kann. Jürgen Schuster macht zum Abschluss deutlich, dass Kontextualisierung nicht bloße Adaption sein dürfe, sondern immer dynamisch sei. Er bringt Gedanken ein, wie man eine Kontextualisierungskompetenz aufbauen und fördern kann.
Der Sammelband packt eine gewaltige Frage an: Nichts weniger als die Zukunft der Weltmission im 21. Jahrhundert. Dass hier nur eine Auswahl an Themen angerissen werden kann, liegt auf der Hand. (Das große Thema Digitalisierung etwa wird nicht behandelt. Es ist jedoch nicht übersehen worden, sondern wartet schlicht noch auf entsprechende Bearbeitung. [12]). Wer meint, man hätte einen Sammelband in der Hand, der abschließend alle Fragen zu beantworten sucht, der irrt. Es ist ein Vorantasten der Autorinnen und Autoren in gebotener Demut vor großen Fragen, die sich dennoch nicht scheuen, konkrete Ideen und Vorschläge einzubringen. Wer die weltweiten Dynamiken des Christentums und deren Auswirkungen auf die Missionsarbeit besser verstehen möchte, findet in diesem Sammelband reiche Einblicke.
Schon 2014 veröffentlichten Volker Gäckle und Jürgen Schuster einen Sammelband, der sich mit dem Paradigmenwechsel in der Weltmission befasst. Das nun erschienene Buch ist als wichtige Fortsetzung anzusehen. Ein Einblick in tiefe Wandlungsprozesse der Weltmission.
Clemens Hanssmann, Pfarrer der Landeskirche in Württemberg, Doktorand in Interkultureller Theologie und Missionswissenschaft an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal