Friedemann Burkhardt / Simon Herrmann / Tobias Schuckert (Hg.): Stuttgarter Gottesdienst- und Gemeindestudie
Friedemann Burkhardt / Simon Herrmann / Tobias Schuckert (Hg.): Stuttgarter Gottesdienst- und Gemeindestudie. Religionssoziologische Momentaufnahme christlicher Gemeinden einer europäischen Metropolregion in ökumenischer Perspektive, Leipzig / Baden-Baden: Evangelische Verlagsanstalt Leipzig / Nomos Verlagsgesellschaft, 2022, Pb., 518 S., € 88,–, ISBN 978-3-374-07263-7
Die Stuttgarter Gottesdienst- und Gemeindestudie wurde vom Liebenzell Institute for Missiological, Religious, Intercultural, and Social Studies (LIMRIS) durchgeführt und untersucht die Gottesdienstlandschaft christlicher Gemeinden in der inneren Metropolregion Stuttgart. Der vorliegende Band stellt die Ergebnisse der Studie vor. Der Aufbau des Buches besteht aus drei Hauptteilen, sowie einem Anhang und einem Register für Namen, Orte und Sachen, was eine gezielte Lektüre einzelner Beiträge erleichtert.
Der einleitende erste Teil stellt die theoretischen und methodischen Grundlagen der Studie vor. Der große Mehrwert dieser Studie liegt darin, dass sie sich nicht auf einzelne Konfessionen oder Konfessionsgruppen beschränkt, sondern nach Möglichkeit alle christlichen Gemeinden berücksichtigt, von den beiden etablierten Volkskirchen bis zu unabhängigen Einzelgemeinden, die keinem Gemeindebund oder Netzwerk angehören. Sogar christliche Sondergemeinschaften wie die Zeugen Jehovas sind Untersuchungsgegenstand der Studie. Dadurch gelingt es der Studie, die empirische Pluralität der christlichen Gemeinden in der inneren Metropolregion Stuttgart vor Augen zu führen und konfessionelle Engführungen aufzubrechen. Die Breite der Studie eröffnet so den christlichen Gemeinden und Kirchen neue Potenziale gegenseitigen Lernens. Auch der methodische Mix aus quantitativen und qualitativen Zugangsweisen überzeugt, weil er ebenfalls zu einer breiten und dichten Beschreibung der empirischen Lage beiträgt.
Der zweite Teil stellt die Ergebnisse der Studie dar, wobei der Schwerpunkt auf quantitativen Aspekten liegt. Den drei Beiträgen dieses Teils gelingt es, die komplexen Daten der Studie zu einem Gesamtbild zu verbinden, das den eigenen Gemeindehorizont enorm weitet. Die kirchenkundliche Darstellung der Gemeinden in der inneren Metropolregion Stuttgart führt dem Leser die geradezu unüberschaubare Vielfalt christlicher Gemeinden vor Augen. Besonders bemerkenswert ist hierbei, dass die beiden traditionellen „Großkirchen“ nur knapp die Hälfte der Gemeinden stellen. Ebenso bemerkenswert ist, dass sich der Gottesdienst am Sonntagvormittag gerade nicht als Auslaufmodell erweist, sondern nach wie vor als das Zentrum christlicher Gottesdienstpraxis. Die Ergebnisse zeigen besonders für die Gemeinden mit einer triadischen Schwerpunktsetzung ein hohes Mobilisierungsvermögen. Sie gestalten ihre Gottesdienste als Raum für Transzendenzerfahrung, zum Beispiel durch Worshipmusik, aber verfügen auch über inklusiv-integrative Angebote, die gesellschaftsrelevant und gemeinschaftsstiftend sind.
Der dritte Teil ist der umfangreichste und repräsentiert schwerpunktmäßig qualitative Ergebnisse der Studie. Er besteht aus Einzelbeiträgen, die exemplarisch einzelne Gemeinden, Projekte oder Perspektiven der Stuttgarter Gottesdienstlandschaft vorstellen. Die Beiträge beleuchten so unterschiedliche Phänomene wie eine Kirche im digitalen Raum, eine japanische und eine afrikanische Gemeinde. Andere Beiträge reflektieren die Ergebnisse aus besonderen Perspektiven wie zum Beispiel aus freikirchlichem oder römisch-katholischem Blickwinkel. Es gelingt dadurch, den Reichtum und die Vielfalt der christlichen Gemeinde der inneren Metropolregion Stuttgart konkret zu machen.
Der vorliegenden Band legt erstmals eine empirische Untersuchung christlicher Gottesdienstpraxis einer Region mit ökumenischer Perspektive vor. Die Ergebnisse erweitern den Horizont des Lesers ungemein und motivieren dazu, neue Gemeinden und deren Gemeindeleben kennenzulernen. Zugleich stellen sich aufgrund der Ergebnisse auch neue Forschungsfragen. Wie sieht die religiöse Praxis in anderen Religionen wie dem Islam in der Region aus? Oder wie wird diese Momentaufnahme christlicher Gottesdienst- und Gemeindepraxis in einigen Jahren aussehen? Es ist daher zu hoffen, dass das LIMRIS-Institut noch weitere Studien dieser Art folgen lässt.
Benjamin Hummel, Pfarrer der Ev. Landeskirche in Württemberg, Holzmaden