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Louise Perry: The Case Against the Sexual Revolution – AfeT
Systematische Theologie

Louise Perry: The Case Against the Sexual Revolution

Louise Perry: The Case Against the Sexual Revolution. A New Guide to Sex in the 21st Century, Cambridge: Polity, 2022, kt., xi+216 S., € 24,–, ISBN 978-1-5095-4998-6


Louise Perry ist eine britische Journalistin, Autorin und Podcast-Moderatorin. Sie schreibt für zwei Tages- und Wochenzeitungen. Perry ist Mitbegründerin der Wohltätigkeitsorganisation „We Can’t Consent To This“, die sich für Frauenrechte und gegen gewalttätige Sexualakte einsetzt.

Perry ist keine Theologin und offensichtlich auch nicht religiös. Ihre Kritik an der Gesellschaft basiert auf wissenschaftlichen, feministischen und anthropologischen Beobachtungen und nicht auf der Grundlage von biblischer Theologie. Die vulgäre und offene Sprache des Werkes kann überfordernd sein und hier und dort auch in eine Atempause führen. Die Autorin thematisiert grausame, verderbte Sexualpraktiken in unserer westlichen Welt, die in der öffentlichen Wahrnehmung häufig tabuisiert werden oder vielen Lesern wahrscheinlich nicht einmal bekannt sind. Dazu gehören bestimmte sexuelle Gewaltakte, die kaum oder laut Autorin noch nicht strafrechtlich verfolgbar sind. Falls das einem Leser Mühe macht, sollte man die Kapitel fünf, sechs und sieben meiden.

In ihrer Publikation übt die Autorin Kritik am liberalen Feminismus und an der Grundprämisse einer Gleichsetzung von Sexualität und Kapitalismus. Sie zeigt historisch auf, dass effektive Methoden der Empfängnisverhütung und andere technische Errungenschaften seit den 1960ern dazu beitragen, dass Männer in ihrer Rolle als Entscheidungsträger in Fragen der biologischen Vermehrung privilegiert werden, da sie Sex für sich als Freizeitbeschäftigung erscheinen lassen. Für Frauen hingegen führt diese Entwicklung in eine nur scheinbare Freiheit.

Ein wichtiger Grundpfeiler in Perrys Argumentation liegt in den unterschiedlichen sexuellen Interessen beider Geschlechter. Diese Interessen sind in der Biologie verwurzelt. Einige dieser Interessen sind grundlegender Natur und betreffen die Tatsachen des Lebens selbst: Der Beitrag des Mannes zur Zeugung eines Kindes ist schnell erledigt und mit keinen Kosten verbunden, während der Prozess bei der Frau über einen längeren Zeitraum andauert und mit finanziellem Aufwand verbunden sein kann; im schlimmsten Fall zahlt sie dafür mit ihrem eigenen Leben. Andere Interessen lassen sich auf psychologische Unterschiede zurückführen, beispielsweise die statistische Tatsache, dass Männer ein deutlich größeres Verlangen nach Sexualität haben als Frauen. Diese Unterschiede werden in unserer Zeit nicht ins Gleichgewicht gebracht, im Gegenteil: „it promotes the interests of the Hugh Hefners of the world at the expense of the Marilyn Monroes“ (10–11). Hier nutzt Perry den Playboy-Gründer Hefner und das archetypische Sexsymbol Monroe als eindrückliche Bilder für das Machtgefälle in der westlichen Welt. Männer sind hier stärker, nutzen Macht und Tricks zu ihrem eigenen Wohl aus, während Frauen in dieser Kultur eher schwach dastehen und bei gewissen Machtspielen verlieren und verletzt werden.

Perry analysiert den Missbrauch von Frauen, die Pornografie produzieren, und warnt vor der Verschleierung der Verbindung zwischen Pornografie und gewalttätigem Sexualverhalten durch den Begriff des Einverständnisses (Consent). Perry stützt ihre Argumentation auf ihre Erfahrungen in einem Krisenzentrum für Vergewaltigungsopfer. Ihrer Auffassung nach verharmlost der liberale Feminismus die Unterschiede zwischen den Geschlechtern und hindert Frauen daran, Maßnahmen zur Verringerung sexueller Übergriffe zu erörtern. Sie weist darauf hin, dass Vergewaltigungen nicht immer durch den Wunsch nach Macht motiviert sind, sondern oft durch das Streben nach sexueller Befriedigung gekennzeichnet sind. Das Buch kann als feministische Kritik an den kulturellen und liberalen Entwicklungen seit den 1960er-Jahren betrachtet werden.

Auf dem Weg zu einer Lösung dieses Problems meint Perry, ein wichtiges Prinzip aus dem Feminismus direkt ableiten zu können: „Unwanted sex is worse than sexual frustration. I’m not willing to accept a sexual culture that puts pressure on people low in sociosexuality (overwhelmingly women) to meet the sexual demands of those high in sociosexuality (overwhelmingly men), particularly when sex carries so many more risks for women, in terms of violence and pregnancy“ (79).

Nach einigen praktischen Tipps und Hinweisen für Männer und Frauen, scheint für Perry eine langfristig gute und sichere Lösung verblüffend nahe an der Oberfläche zu schlummern: „In order to change the incentive structure, we would need a technology that discourages short-termism in male sexual behaviour, protects the economic interests of mothers, and creates a stable environment for the raising of children. And we do already have such a technology, even if it is old, clunky and prone to periodic failure. It’s called monogamous marriage“ (181).

Das Buch ist eine wichtige Stimme, die sich nach Gerechtigkeit und Freiheit für beide Geschlechter sehnt. Perry arbeitet historisch fundiert und verweist immer wieder auf Studien und anthropologische, säkulare Erkenntnisse, die in der öffentlichen Debatte vermutlich zu oft in Vergessenheit geraten. Den Wert, den sie der Institution Ehe als einzig sichere, monogame und langfristige Beziehung beimisst, ist hoch zu loben (Kapitel 8: Ehe ist gut). Aus einer christlichen und anthropologischen Perspektive erscheinen die Ideen der Unversehrtheit des Individuums und dessen besonderen Wertes (letztlich durch die Ebenbildlichkeit Gottes) unterbelichtet. Es fehlt eine Begründung dafür, dass Gewalt von Männern gegen Frauen aus evolutionärer und ethischer Sicht verwerflich ist – ist dieses Denksystem doch darauf angelegt, dass der Stärkere (Angepasstere) überleben wird. Trotz dieser Kritikpunkte bleibt das Werk eine wichtige Stimme, die es verdient, in der politisch-öffentlichen Debatte gehört zu werden.


Joshua Ganz, Pastor und Armeeseelsorger, Winterthur, Schweiz