Mindestens 400 Frauen wurden im Konzentrationslager in Leobersdorf von den Nazis interniert, viele davon auch ermordet. Wie vor Kurzem bekannt wurde, soll an jenem Ort nun ein Gewerbepark errichtet werden. Mit dem Deal soll der Bürgermeister der Gemeinde Millionen verdient haben – mehr dazu in Gewerbepark auf KZ-Areal geplant (noe.ORF.at; 13.11.2024).
Das sorgt für Empörung, etwa beim Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde, dem Mauthausen Komitee und bei der Direktorin des Mauthausen Memorial. Sie wollen versuchen, auf dem Areal einen Gedenkort zu schaffen – eine Initiative, die vom Innenministerium Rückendeckung erhält. Dieses ist auch für Gedenkstätten zuständig. Auf Nachfrage von Ö1 heißt es dort inoffiziell, dass das letzte Wort in der Sache noch nicht gesprochen sei.
Die Israelitische Kultusgemeinde weist zudem darauf hin, dass es nicht um jüdische NS-Opfer gehe, sondern um mehr als 400 Frauen vor allem aus der damaligen Sowjetunion, aus Polen und aus Italien. „Es muss sichergestellt werden, dass auf dem Areal des ehemaligen KZ in öffentlichkeitswirksamer Weise an dieses dunkle Kapitel unserer Geschichte erinnert wird und es nicht mit einem Shoppingcenter überdeckt wird“, so der Präsident der Israelitische Kultusgemeinde, Oskar Deutsch.
Initiative will Überzeugungsarbeit leisten
Die Initiative für eine Gedenkstätte wurde von Barbara Glück, der Direktorin des Mauthausen Memorial, ins Leben gerufen. Deutsch unterstützt diese, ebenso wie Willi Mernyi vom Mauthausen Komitee. Gemeinsam wollen sie in der Gemeinde und beim Grundeigentümer Überzeugungsarbeit leisten.
„Die Idee ist, dass wir einen Appell an die Gemeinde Leobersdorf und den Bürgermeister richten, dass wir uns gemeinsam mit ihnen zusammensetzen und ausverhandeln: Wie kann Gedenken heute vor Ort stattfinden und wie können wir die Geschichte in Leobersdorf aufarbeiten?“, so Glück im Gespräch mit Ö1-Redakteur Stefan Kappacher.
Recherchen von „Wiener Zeitung“ und „Falter“ hatten aufgedeckt, dass das Gelände bis vor Kurzem noch einer Immobilienfirma des Bürgermeisters von Leobersdorf gehört hatte, die er schließlich an den aktuellen Investor verkauft hatte. Der Gemeinderat hatte Teile des Areals von öffentlich auf privat umgewidmet. Will die Republik die KZ-Gründe nun zurückkaufen?
Glück meint dazu: „Ein Kauf alleine schafft kein Bewusstsein. Eine Unterschutzstellung alleine schafft kein Bewusstsein und kein miteinander Auseinandersetzen. Gedenken ist heute immer ein Prozess, und wenn wir diesen Prozess starten, wissen wir oft gar nicht, wo es uns am Ende des Tages hinführt.“
„Begreifen, dass es nur gemeinsam geht“
Als Beispiel nennt Glück das ehemalige KZ Gusen in Oberösterreich. Dort gab es für die Weiterentwicklung der Gedenkstätte einen Beteiligungsprozess, die Republik kaufte dafür in den Jahren 2021/22 Grundstücke an. Wie lange kann so ein partizipativer Prozess in Leobersdorf dauern?
„In Gusen haben wir uns eineinhalb Jahre Zeit genommen“, sagt die Direktorin des Mauthausen Memorial. Man könne die Orte aber nicht miteinander vergleichen. Der wichtigste Schritt sei „für uns alle, einmal zu begreifen und zu verstehen, dass es nur gemeinsam geht und dass wir die Bereitschaft haben, uns gemeinsam an einen Tisch zu setzen“.
Die Unterstützung der Politik sei da, aber das allein reiche eben nicht aus, sagt Glück. Ihr Mitstreiter Oskar Deutsch hat in puncto Gedenkarbeit noch eine Forderung an die Politik, wie er gegenüber Ö1 sagt: Sie müsse von vornherein auch kleinere Gemeinden in die Pflicht nehmen und mehr Sensibilität im Umgang mit Orten nationalsozialistischer Verbrechen einfordern.