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Hochwasser bestraft Versäumnisse des Landes - noe.ORF.at
Hochwasser Versäumnisse Lehren Land Gemeinden Wasserverband
NÖ Straßendienst
NÖ Straßendienst
Wasserverband

Hochwasser bestraft Versäumnisse des Landes

Das Hochwasser im September hat Defizite an Dämmen und Flussläufen quer durch Niederösterreich offengelegt. Einsatzkräfte, Bürgermeister und Experten sehen Versäumnisse bei Wasserverbänden und dem Land als Aufsichtsbehörde. Ein Ortschef droht gar mit Klage.

„Es muss immer etwas passieren, damit etwas passiert“, sagt der Kommandant einer Feuerwehr, die bei einem Dammbruch im Einsatz war. Denn dass Dämme in schlechtem Zustand gewesen oder Flüsse nicht wie vorgeschrieben gepflegt worden seien, sei bekannt gewesen. Es ist eine Aussage, die noe.ORF.at im Zuge der Recherche mehrmals hört. Fest steht, dass die Fluten in vielen Gemeinden wieder einmal die Macht des Wassers aufgezeigten.

Für eine Überraschung sorgte das etwa in der Gemeinde Gedersdorf (Bezirk Krems). Dort wurde vor zehn Jahren um viel Geld ein Hochwasserschutz gebaut, der sich heuer auch bewährte. Allerdings wurden vor zwei Jahren für ein Pumpwerk der EVN Stromkabel verlegt – direkt durch den Damm. Die Künette wurde danach zugeschüttet, aber offenbar nicht ausreichend befestigt.

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FF Gedersdorf
Wasser, das über den Damm gelaufen ist, spülte das für die Stromkabel gegrabene Loch aus
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ORF/Schwarzwald-Sailer
Der 2015 fertiggestellte Damm soll vor allem die Ortschaft Brunn schützen
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ORF/Schwarzwald-Sailer
Die Feuerwehr wurde von den Herausforderungen überrascht …
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ORF/Schwarzwald-Sailer
… notdürftig wurde ein Teil des Loches mit Sandsäcken befestigt
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ORF/Schwarzwald-Sailer
Der Damm soll nun saniert und eventuell eine andere Lösung für die Stromkabel gefunden werden

Als im September Wasser über den vollen Damm lief, wurde das Loch immer weiter ausgespült. Die Feuerwehr, die davon völlig überrascht wurde, musste es mit Sandsäcken verstärken. Einsatzkräfte sprechen von einer „Blödheit“ und dass man dort fahrlässig eine Schwachstelle erzeugt habe, die durchaus zu mehr Schaden hätte führen können.

Damm wird saniert

Die EVN verweist auf Anfrage auf einen Bescheid der zuständigen Bezirkshauptmannschaft. Die Verlegung der Kabel über den Damm sei von der Behörde genehmigt worden, betont ein Sprecher, auch für die Verfüllung habe es behördliche Vorgaben gegeben. Bürgermeister Stefan Löffler (ÖVP) sagt aber, dass das Loch nicht so verfüllt wurde, wie Dämme normalerweise aufgebaut werden, nämlich schichtweise.

Dass die Stromkabel über den Damm gelegt wurden, noch dazu direkt bei der Überlaufstrecke, habe die Gemeinde nicht gewusst, sagt Löffler. Deshalb sei man genauso überrascht wie die Feuerwehr gewesen. Laut EVN wird der Damm nun saniert, dabei würden auch Varianten geprüft, die Kabel statt wie bisher durch den Schutzbau künftig darunter zu verlegen. Darauf drängt auch der Ortschef. Es gilt aber, aus solchen Fehlern zu lernen, betonen alle Beteiligten.

Falsche Gefahrenprognose

Zu gravierenden Schäden in Häusern kam es in der Gemeinde Himberg (Bezirk Bruck an der Leitha). Dort standen 130 Haushalte unter Wasser, weil der Neubach übergegangen war. Doch laut Prognosen des Landes bzw. dem Katastrophenschutzplan aus dem Jahr 2021 hätte so etwas gar nicht eintreten dürfen, sagt Bürgermeister Ernst Wendl (SPÖ): „Die rote Zone ist trocken geblieben und dort, wo eigentlich die weiße Zone ist, haben wir das Hochwasser gehabt.“

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FF Himberg
Feuerwehrleute entfernen Schilf, Sträucher und Baumstämme, die vom Hochwasser mitgerissen wurden
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FF Himberg
Der Neubach trat auf Grund der extremen Wassermassen über die Ufer
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FF Himberg
Mit Sandsäcken versuchten Feuerwehr und Bevölkerung einen Damm zu errichten
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FF Himberg
Trotzdem wurden etwa 130 Haushalte überschwemmt
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FF Himberg
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FF Himberg
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ORF
Mit ein Grund für die Probleme ist laut Gemeinde die schlechte Wartung des Bachlaufes
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ORF
Bäume und Schilf wachsen aus dem Bach

Der Grund dafür war, dass Verklausungen in der nahen Triesting das Wasser umgeleitet hatten, was auch Versäumnisse am Neubach offenlegte. Der Bewuchs des Dammes mit Schilf und Bäumen war „natürlich eine Behinderung“, sagt Wendl: „Das Wasser bringt irrsinnig viele Stämme, Bäume, Sträucher, alles wird mitgeschwemmt, das verklaust sich dann, das sperrt dann und das Wasser kann weniger schnell abfließen.“

Zuständig dafür, dass die Ufer regelmäßig gemäht werden und nicht wie in Himberg zuwachsen, sind die Wasserverbände. Diese sind eigene Gesellschaften, die mit Vertretern der betroffenen Gemeinden besetzt sind und für sie Aufgaben übernehmen. Die Aufsicht, ob Dämme oder Bach- und Flussläufe wie vorgeschrieben gewartet werden, liegt beim Land.

Dammbruch nach Verklausung

Verklausungen gab es auch beim Melkfluss in Zelking (Bezirk Melk). Sie hatten dort an einer Brücke einen so großen Druck erzeugt, dass sogar der Damm brach. Darauf, dass Bäume mitten im Fluss wachsen, die bei Hochwasser unterspült und abgetrieben werden können, habe Bürgermeister Gerhard Bürg (ÖVP) laut eigenen Angaben mehrmals aufmerksam gemacht, sei „bei der Behörde aber auf taube Ohren gestoßen“.

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NÖ Straßendienst
Die Brücke wurde durch die Wassermassen unterspült
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Durch den hohen Wasserdruck brach danach der Damm
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Gemeinde Zelking-Matzleinsdorf
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Das Dammufer muss nun aufwendig saniert werden

Für den Fall, dass sich ähnliche Versäumnisse wiederholen, die auch zu Schäden an Gebäuden führen, kündigt Bürg Klagen an. Mehr Tempo will er auch beim neuen und höheren Hochwasserschutz machen, über den seit 2011 diskutiert wird. Bisher fehle noch die wasserrechtliche Bewilligung, die es nächstes Frühjahr geben soll. Die Gelder von Bund und Land sind laut Bürg erst für 2032 zugesagt.

Handlungsbedarf am Rußbach

Mindestens seit zehn Jahren ist bekannt, dass der Rußbachdamm im südlichen Weinviertel saniert werden muss. Der Damm ist etwa 80 Jahre alt und heuer schon zwei Mal gebrochen, was auch an der schlechten Wartung liegen soll, beklagt Bezirksfeuerwehrkommandant Georg Schicker. Die Pflege sei „in den vergangenen Jahren nicht in dem Ausmaß erfolgt, wie wir uns das gewünscht hätten“. Beim Lokalaugenschein von noe.ORF.at fielen etwa sofort tiefe, von Tieren gegrabene Löcher durch den Damm auf.

Der Starkregen im September habe den Damm erneut „überfordert“. Der Bezirksfeuerwehrkommandant fordert deshalb die Wasserverbände auf, neu zu strukturieren: „Für die Nebengerinne, die wir im Bezirk haben, wäre es wichtig, einen gemeinsamen Verband mit einer hohen Expertise aufzustellen, der sich in Zukunft ganz einfach um diese Anliegen, um die Sanierung, um den Betrieb, um die Wartung, um die Sicherheitskonzepte kümmern muss.“

Hydrologe fordert bessere Kontrolle

Eine bessere und professionellere Kontrolle der vorgeschriebenen Wartungsmaßnahen ist auch für Hydrologen Alfred Blaschke von der Technischen Universität Wien „dringend nötig“: „Ich glaube, es gehört in einem größeren Bereich gedacht und es braucht eine hauptamtliche Person, von amtlicher Seite, die diese Kontrollen durchführt, wo man dann im Land herumfährt und schaut, passiert das tatsächlich?“

Dass Wasser schnell abfließen kann, sei auch mit Blick auf das Grundwasser ganz wichtig, ergänzt der Hydrologe. Denn je länger Wasser in Dämmen steht, umso höher steigt auch der Grundwasserspiegel in der Umgebung, was wiederum in den Haushalten zu nassen Kellern führt.

Land verspricht Anpassung der Einsatzpläne

Laut der Abteilung Wasserwirtschaft im Land werden die Erfahrungen gerade evaluiert. Bereits während des Extremereignisses hätten Befliegungen dazu stattgefunden, „um die Erkenntnisse in die Einsatz- und Katastrophenschutzpläne einfließen lassen zu können, denn natürlich müssen diese immer wieder aktualisiert und angepasst werden. Das gilt ebenso für die Aufstellung der Wasserverbände, genauso wie für die Pflegekonzepte der Gewässer.“

Hochwasser Versäumnisse Lehren Land Gemeinden Wasserverband
ORF
Entlang des Neubaches in Himberg wird der Bachlauf nun vom Bewuchs befreit

Im Alltag sei dabei zwar oft eine „zwischen Hochwasserschutz und Ökologie abgestimmte Vorgehensweise erforderlich“. Trotzdem hält man fest, dass „die Ufer regelmäßig und nach Priorität kontrolliert und gepflegt werden“ müssen. Warum das Land darauf nicht schon mehr gedrängt hat, bleibt unbeantwortet.

In Himberg hat man auf die Versäumnisse schon reagiert. Der Bachlauf wird seit dieser Woche ausgebaggert und von Schilf und Bäumen befreit, damit das Wasser bei Starkregen besser abfließen kann.