Was die Absage von Pantera Konzerten über den Umgang mit Ideologie und Musik sagt
Wie viele andere Dinge erleben derzeit auch klassische Metal-Songs ein Revival. Erst kürzlich wurde „Master of Puppets“ von Metallica dank einer Szene in „Stranger Things“ zum viralen TikTok-Hit. In der erfolgreichen Videospielverfilmung „Sonic The Hedgehog 2“ war letztes Jahr eine Band zu hören, die zwar nicht so bekannt ist, aber trotzdem den Sound von modernem Metal enorm geprägt hat: Pantera. In einer Szene spielt Bösewicht Robotnik „Walk“ von Pantera.
Ein neuer Sound
Pantera sind keine obskure Band aus einem suspekten Metal-Genre, das nur ein halbes Dutzend Leute hören. Der Band ist ein Erfolg gelungen, der in der Metal-Szene eher Seltenheitswert hat: Nach einem erfolglosen Start als Glam Rock Band, hat sie in den 1990er Jahren ihren eigenen Sound - und den von Metal allgemein - modernisiert und Einzug in den Mainstream gefunden, ohne dabei ihre Credibility als authentische Band zu verlieren.
Mit schweren und wiederkehrenden Riffs distanzierte sich Pantera von High-Speed Bands wie Metallica und spielte eine Art Metal, die man fast als tanzbar bezeichnen kann. Als „Groove Metal“ hat die Musik von Pantera sogar ein eigenes Label bekommen. Sie waren nicht die einzigen, die groovige Riffs spielten, aber sie waren eben die erfolgreichsten und hatten großen Einfluss auf die New-Metal-Bewegung, die Bands wie Korn, Slipknot oder Limp Bizkit hervorbrachte und zu den kommerziell erfolgreichsten Metal-Genres zählt.
Erfolge und Eklats
Parallel zu ihren Erfolgen sind die Band und insbesondere Frontman Phil Anselmo mit rassistischen Eklats bei Konzerten aufgefallen. In den 1990er Jahren, in denen Metal und Hip Hop als Subkulturen miteinander rivalisierten, machte Anselmo bei Konzerten oft Stimmung gegenüber schwarzen Rap Acts. Bei einem Konzert in Montreal im Jahr 1995 sagte Anselmo etwa, dass Pantera keine rassistische Band sei, aber dass Rap Artists auf die „weiße Kultur“ pissen würden. Bei anderen Auftritten fragte er, wieso man nicht „white pride“ rufen könne, obwohl Schwarze oft „black pride“ sagen würden.
Diese Ausfälle sind Anselmo und Pantera nie zum Verhängnis geworden. Die Band spielte weiterhin auf großen Festivals und auf MTV, andere Bands distanzierten sich nicht, es entstand nicht mal eine nennenswerte Kontroverse. Noch 2016 trat Anselmo etwa mit Dave Grohl von den Foo Fighters auf.
Suchtprobleme als Entschuldigung
Sowohl Anselmo selbst als auch seine Fans und die gesamte Musikszene entschuldigten das Verhalten mit seiner langjährigen Heroin- und Alkoholsucht. Anselmo galt als schwierige Person, mit der man die Zusammenarbeit zwar vermied, aber eben nicht wegen seiner rassistischen Aussagen, sondern wegen seiner Suchtprobleme.
Auch die anderen Mitglieder von Pantera haben sich wegen seiner Sucht von Anselmo distanziert. Politische Diskussionen dürfte es aber innerhalb der Band nicht gegeben haben. Dimebag Darrel, der legendäre Gitarrist der Band, der 2004 bei einem Konzert von einem Fan erschossen wurde, trug auf seiner Gitarre offen die Konföderierten-Flagge. Nicht als politisches Symbol, sondern als eine Referenz an Lynyrd Skynyrd, sagte Darrel, der aber ebenfalls mit rassistischen Aussagen auffiel. Pantera sahen sich als Southern Metal Band in der Tradition von Lynyrd Skynyrd, die mit „Sweet Home Alabama“ und „Free Bird“ Welthits geschrieben haben.
Zwischen „White Pride“ und „Southern Heritage“
Tatsächlich hat die Herkunft der Bandmitglieder auch ihre musikalische Identität geprägt. Während die großen Thrash Bands im sonnigen Kalifornien angesiedelt waren, haben Pantera Metal in den Südstaaten wie keine andere Band geprägt. Auch Anselmos Nebenprojekte wie „Down“ haben Erfolge gefeiert und die „Sludge“-Metaller von „Crowbar“ haben mit Anselmo zusammengearbeitet. So hat die Szene rund um Pantera nicht nur den New Metal, sondern auch den aktuell beliebten „Sludge“-Sound stark beeinflusst.
Neben Anselmos Suchtproblemen war es auch diese „Southern Heritage“, die als Erklärung für die rassistischen Ausfälle und den Einsatz von Konföderierten-Flaggen herhalten musste. Quasi nach dem Motto: In Louisiana oder Texas ist das halt so, da denkt sich niemand was Schlimmes dabei. Kaum getarnte rassistische Ideologie als ein Stück Folklore.
Selbst nachdem Anselmo 2016 bei einer Gedenkveranstaltung für Dimebag Darrel den Hitlergruß zeigte und dabei „White Power“ rief, gab es keine echten Konsequenzen. Nach anfänglichem Zögern entschuldigte sich der Sänger bei allen, die sein Verhalten verletzt haben könnte. „Gecancelt“ wurde er nicht.
Neuer Umgang mit Musik und Ideologie
Aktuell sind Pantera seit 23 Jahren zum ersten Mal wieder auf Tour - und das ist auch unter hartgesottenen Fans umstritten. Denn die Brüder Dimebag Darrel und Vinnie Paul, die einst die Band gegründet hatten, und sich zuletzt von Anselmo distanzierten, sind nicht mehr am Leben. Dafür hat Anselmo prominente Namen wie den langjährigen Ozzy-Osbourne-Gitarristen Zakk Wylde in die Band geholt.
Dass viele Fans von den aktuellen Absagen erschüttert sind, liegt nicht zuletzt daran, dass Pantera zwar immer rebellisch und mit einer für die Gen-X typischen „fuck you all“-Attitüde auftraten, aber im Sound und Stil weitgehend unpolitisch blieben. Im Gegensatz dazu haben etwa Slayer in ihrer Anfangszeit viel offener mit NS-Ästhetik provoziert. Sie konnten 2019 ihre lange Karriere mit einer Abschiedswelttour beenden.
Das Video, das Anselmo jetzt zum Verhängnis wurde, ist seit Jahren bekannt. Dass Pantera jetzt erst ausgeladen werden und so lange unter dem Radar bleiben konnten, zeigt auch, wie sich der Umgang mit Musik und Ideologie geändert hat. Was bis vor wenigen Jahren nicht ernst genommen oder schlichtweg ignoriert wurde, steht heute in einem anderen Licht.
Bei der diesjährigen US-amerikanischen Tour von Metallica sollen sie als Opener Band auftreten. Ob sich die Absagen in Europa darauf auswirken, wird sich noch zeigen. Vielleicht wäre es aber für Anselmo und Fans von Pantera besser gewesen, wenn es dieses Revival gar nicht erst gegeben hätte.
radio FM4
Wer hören will, muss fühlen
Es sind Konzertabsagen, die gerade nicht nur die Musikwelt beschäftigen: Bei Rock am Ring und Rock im Park hätte die Metalband Pantera spielen sollen. Aber die Gruppe wurde jetzt ausgeladen. Der Grund ist ein Video aus dem Jahr 2016 in dem sich der Pantera-Vokalist Phil Anselmo rassistisch äußert. Und auch ein Konzert von Pantera, das im Mai in Wien hätte stattfinden sollen, ist gerade ebenfalls abgesagt worden. Was bedeutet das jetzt? Was heißt das für Konzerte, was bedeutet das für unseren Umgang mit Musik und problematischen Aussagen? Das besprechen Christoph Sepin und Ali Cem Deniz im FM4 Musikpodcast. Im FM4-Player und überall, wo es Podcasts gibt.
Publiziert am 25.01.2023