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Tverʹ (Stadt) - EEO

Tverʹ (Stadt)

Tverʹ (russ., 1931–90 Kalinin).

Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

T. ist Hauptstadt des gleichnamigen Gebiets und liegt 167 km nordwestlich von Moskau entfernt, 143 m ü. d. M., an der Eisenbahnstrecke und Autostraße Moskau-St. Petersburg, hat den größten Flusshafen am Oberlauf der Wolga und einen internationalen Flughafen. Auf einer Fläche von 149 km² leben 405.618 Einwohner (2005), einschließlich 41.000 Studenten.
T. hat 11 staatliche höhere Bildungseinrichtungen, davon 5 Universitäten: die „Staatliche Technische Universität T.“ (Tverskoj Techničeskij Universitet), die „Staatliche Universität T.“ (Tverskoj Gosudarstvennyj Universitet), die „Staatliche Medizinakademie T.“ (Tverskaja Medicinskaja Akademija), die „Landwirtschaftliche Akademie T.“ (Tverskaja Selʹskochozjajstvennaja Akademija), die "Militärakademie der Luftabwehr Marschall-G.-K.-Žukov" (Voennaja Akademija Protivovozdušnoj Oborony im. Maršala Sovetskogo Sojuza G. K. Žukov) und Filialen Moskauer Hochschulen, außerdem private Institute.
Als eines von drei professionellen Theater sei das „Akademische Dramatheater T.“ (Tverskoj Akademičeskij Teatr Dramy) genannt, das zu den ältesten Russlands zählt und zwischen 1745-48 aus dem „Priesterseminar T.“ (Tverskaja Duchovnaja Seminarija) hervorging.

2 Kulturgeschichte

T. entstand im 12. Jh. aus einer Ansiedlung von Kaufleuten und Handwerkern an der Mündung des Flusses Tverca in die Wolga, wobei eine Siedlung an der Mündung der Tʹmaka in die Wolga für das 9. Jh. angenommen wird. In Urkunden wird T. in den Jahren 1134–35 erwähnt, in der Laurentius-Chronik (Lavrentʹevskaja letopisʹ) findet sich die erste Nennung um die Jahre 1208/09. Zunächst gehörte die Stadt wohl zum Fürstentum Novgorod, ab 1209 zum Fürstentum Vladimir-Suzdalʹ, von 1246–1485 war sie Residenzstadt des Fürsten bzw. Großfürsten. 1247 wurde T. unter Jaroslav Jaroslavič ein eigenständiges Fürstentum, und 1265 Bistumszentrum. Auch nachdem Jaroslav Großfürst von Vladimir geworden war, blieb T. Residenzstadt und wurde zum mächtigsten Konkurrenten der Moskauer Rus.
Der Raum Vladimir-Suzdalʹ litt seit 1237 unter der zweieinhalb Jh. währenden Mongolenherrschaft. 1238 wurde T. selbst von den Mongolen gestürmt, ohne unmittelbar danach an Macht zu verlieren. 1327 kam es in T., das den Mongolen tributpflichtig war, zu einem bewaffneten Aufstand der Bevölkerung gegen die Mongolen, der mithilfe der Moskauer Rus niedergeschlagen wurde und den politischen Niedergang der Stadt einleitete. Erfolglos versuchte T. mit einer strategischen Anlehnung an Polen-Litauen den Mongolen die Stirn zu bieten.
Im 14. und 15. Jh. blieb T. ein wichtiges kulturelles und wirtschaftliches Zentrum in der nordöstlichen Rus mit bis nach Böhmen und sogar Indien reichenden Handelsbeziehungen. Ein wichtiges Zeugnis dieser Zeit ist der von dem aus T. stammenden Kaufmann Afanasij Nikitin verfasste Reisebericht (1468–75).
Unter Ivan III. verzichtete T. 1485 auf seine Großfürstenwürde und wurde schließlich der Moskauer Rus angegliedert. Einen Aufschwung erlebte T. erst wieder im 18. Jh. nach der Gründung von St. Petersburg aufgrund seiner Lage zwischen der alten und der neuen Hauptstadt. T. war ein wichtiges Handelszentrum an der oberen Wolga und wurde 1775 Zentrum des gleichnamigen Gouvernements.
Eine intensive Bautätigkeit begann nach dem Brand der Stadt 1763 mit der Unterstützung durch Katharina II. nach Plänen von Pëtr Nikitin, Matvej Kazakov u. a., die nach dem Vorbild von St. Petersburg eine Komposition aus vier Plätzen im Zentrum einer Magistrale und drei strahlenförmig ausgerichteten Straßen entwarfen. Um den achteckigen Hauptplatz steht ein klassizistisches Ensemble aus einem Gebäude für den Magistrat (1770– 80), dem Hof (1766–70) und einer Schule (1786). Als weitere klassizistische Baudenkmäler sind der von Matvej Kazakov 1763–67 erbaute und von Carlo Rossi 1809 vollendete „Reisepalast“ (Putevoj dvorec) Katharinas II., die „Himmelfahrts-Kathedrale“ (Sobor Voznesenija) und die „Adelsversammlung“ (Dvorjanskoe sobranie) (1841) hervorzuheben. Bis heute ist der historische Grundriss erhalten, zu dem außerdem Viertel mit rechteckigem Straßennetz gehören.
Der hiesige Adel gehörte zu den Unterstützern der liberalen Reformen des 19. Jh., 1862 richtete er eine Adresse an den Zaren und forderte die Fortsetzung der Reformen und 1878 die Einrichtung einer Konstitution. Die 13 Unterzeichner der Adresse wurden in der „Peter-Paul-Festung“ (Petropavlovskaja krepostʹ) in St. Petersburg inhaftiert.
Ab Mitte des 19. Jh. entwickelte sich T. zu einem Industriestandort. Neben der Holz-, Textil- und Chemieindustrie sowie der in jüngster Zeit entstandenen Bioenergieerzeugung haben besonders die Waggon- und die Baggerproduktion und das drucktechnische Gewerbe bis heute landesweite Bedeutung.
1931 wurde T. nach dem sowjetischen Politiker Michail Kalinin umbenannt und trug bis 1990 den Namen Kalinin.
Im Zweiten Weltkrieg besetzte die deutsche Wehrmacht T. vom 17.10.–16.12.1941. Die Stadt wurde in dieser kurzen Zeit schwer zerstört. Bereits in den Jahren unmittelbar nach dem Krieg wurde sie vollständig wieder aufgebaut und 1971 mit dem „Rotbanner-Orden“ (Orden Trudovogo Krasnogo Znameni) ausgezeichnet. In T. befindet sich ein Museum für den im Gouvernement T. geborenen Schriftsteller Michail Saltykov-Ščedrin (1826–89).

Pavinskaja N. V. 2003: Tverskoj akademičeskij teatr dramy. 250-letiju dramatičeskogo iskusstva Tveri posvjaščaetsja. Tverʹ. http://www.tver.ru [Stand 24.5.2005].

(Ulrike Granaß)


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