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Kindergärten - Deutsche Einheit 1990

Kindergärten

Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-1990-0511-305, Fotograf: Hubert Link
Kinder vom Kindergarten Max-Beermann-Straße in Ost-Berlin spielen im Mai 1990 an der frischen Luft. Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-1990-0511-305, Fotograf: Hubert Link

Als das Ministerium für Bildung und Wissenschaft im April 1990 neu gebildet wird, gibt es anfänglich Überlegungen, die Kinderbetreuung in Tageseinrichtungen in den Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Familie und Frauen zu übergeben. Nach eingehenden Beratungen wird jedoch entschieden, dass die Kindergärten im Verantwortungsbereich des MfBW und der Schulämter verbleiben. Gleichzeitig wird vereinbart, bei der Ausarbeitung neuer rechtlicher Rahmenbedingungen und inhaltlicher Konzeptionen eng zusammenzuarbeiten. Dazu wird für die Zeit des Übergangs eine gemeinsame Kommission aus Vertretern beider Ministerien gebildet. Nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik fällt die Gestaltung der Kinderbetreuung in den Kompetenzbereich der neuen Länder. Bis es soweit ist, sollen die Kinderkrippen und -gärten stärker als familienunterstützende und -ergänzende Einrichtungen profiliert werden. Dabei kommt es darauf an, sowohl die gesetzlichen als auch pädagogischen Grundlagen für die Arbeit der Kindereinrichtungen neu zu bestimmen.

Flächendeckende Einrichtungen der Kinderbetreuung erhalten

Ziel ist es, die vorhandene flächendeckende Kinderbetreuung zu erhalten bzw. alternative Modelle der Kinderbetreuung aktiv zu fördern, um insgesamt ein differenziertes und flexibles Kinderbetreuungsangebot zu schaffen. Das vorhandene, weit ausgebaute Netz an Kinderkrippen für Kinder bis zum Alter von drei Jahren sowie Kindergärten für die Drei- bis Sechsjährigen mit langen Öffnungszeiten ermöglicht den Frauen die (oft volle) Berufstätigkeit. Die ganztägige Kinderbetreuung ist außerdem bis auf einen Essensgeldzuschuss kostenlos. 1989 besuchen fast 98 % der Drei- bis Sechsjährigen den Kindergarten und rund 80 % der 0- bis 3-Jährigen haben einen Krippenplatz. Die meisten Kinder gehen in staatliche oder betriebliche Einrichtungen, wie die folgende Tabelle zeigt:

Kennzahlen Kinderbetreuung 1989 in der DDR

Anzahl KiGas und BetreuungsplätzeTrägerFinanzierung
11.592 Kindergärten mit 760.600 Plätzen Kommunaler TrägerVolle Finanzierung aus dem Staatshaushalt (1695 Mio Mark)
1.477 Kindergärten mit 110.000 Plätzen Betrieblicher TrägerStaatliche Zuschüsse für die Sicherung festgelegter Aufgaben sowie volle Finanzierung der Personalkosten für die Pädagogen (140 Mio Mark)
383 mit 17.800 Plätzen Konfessioneller Träger Staatlicher Zuschuss für Kinderspeisung, den ca. 50 % der Einrichtungen in Anspruch nehmen (0,8 Mio Mark)
In den Kindergärten sind 90.570 Pädagogen beschäftigt, die 747.140 Kinder ab vollendetem 3. Lebensjahr bis zum Eintritt in die allgemeinbildenden Schulen betreuen. Zur Finanzierung der 13.452 Kindergärten werden 1989 etwa 1835 Mio Mark aufgewendet. Quelle: BArch, DR 4/37, Band 2

Maßnahmen zum Erhalt der Betreuungseinrichtungen

Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-1986-0905-010, Fotograf: Helmut Schaar
Kinder vor dem Betriebskindergarten des Kalibetriebes „Werra“ 1986 in der Bergarbeitergemeinde Tiefenort (Bezirk Suhl). Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-1986-0905-010, Fotograf: Helmut Schaar

Mit der bevorstehenden Einführung der Marktwirtschaft und den damit verbundenen Konsequenzen für die volkseigenen Betriebe stehen die betrieblichen Kindergärten im Sommer 1990 vielfach vor dem Aus. Entsprechend den gültigen Rechtsgrundlagen sind die Betriebe für den Bau, die Ausstattung und den Unterhalt sowie für die Personalkosten der technischen Mitarbeiter in den angegliederten Betriebskindergärten verantwortlich. Doch viele Betriebe können oder wollen diese Verantwortung nicht mehr wahrnehmen. Das Ministerium muss regulierend eingreifen und Regelungen zur Übertragung der Rechtsträgerschaft in die Kommunen bzw. in die freie Trägerschaft treffen. Mit der Verordnung über die Aufrechterhaltung von Leistungen betrieblicher und betriebseigener Kinderkrippen vom 4. Juli 1990 soll „dem unkontrollierten Zerfall des Netzes bewährter sozialer Einrichtungen der Kinderbetreuung, die sich in betrieblicher Rechtsträgerschaft befinden, entgegenwirkt werden“. Als Maßnahmen sind – in diesem Fall durch das Ministerium für Familie und Frauen – vorgesehen:

  • gegen die einseitige Auflösung von vertraglich vereinbarten Betreuungsleistungen rechtlich vorzugehen
  • Einrichtungen, die nicht von Kapitalgesellschaften übernommen werden, in kommunale oder freie Rechtsträgerschaft einzuordnen
  • durch steuerliche Vergünstigungen die Leistungen bei der Kinderbetreuung zu fördern

Ergänzend dazu tritt am 1. August 1990 die gemeinsam mit dem Ministerium für Familie und Frauen erarbeitete Verordnung über die Errichtung und den Betrieb von Tageseinrichtungen für Kinder in freier Trägerschaft in Kraft. Mit dieser Verordnung werden rechtliche Rahmenbedingungen für die staatliche Anerkennung und finanzielle Unterstützung von konfessionellen Tageseinrichtungen für Kinder geschaffen. Dem MfBW, den Bezirken und Kreisen liegen zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Verordnung mehr als 60 Anträge auf die Errichtung von Kindertageseinrichtungen in freier Trägerschaft vor.

Erneuerung der pädagogischen Arbeit

Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-1990-0511-304, Fotograf: Hubert Link
Der Mittagsschlaf gehört zum festen Tagesablauf in den Kindergärten wie hier im Kindergarten Max-Beer-Straße in Ost-Berlin. Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-1990-0511-304, Fotograf: Hubert Link

Über die breit angelegte und zentralistisch organisierte Kinderbetreuung sichert sich der Staat bis 1989 die Einflussnahme auf die Erziehung der jüngsten DDR-Bürger. Kinderkrippe und Kindergarten bilden zusammen die erste Stufe des staatlichen Bildungssystems und erfüllen einen eindeutigen Erziehungsauftrag. Auch wenn die Eltern nicht unbedingt mit dem staatlichen Erziehungsziel der „allseitig und harmonisch entwickelten sozialistischen Persönlichkeiten“ übereinstimmen, ist die Erziehung in den Einrichtungen darauf ausgelegt. Ein Mitbestimmungsrecht der Eltern über Ziele und Inhalte der pädagogischen Arbeit gibt es nicht. Vielmehr regelt das „Programm für die Bildungs- und Erziehungsarbeit im Kindergarten“ (1985) detailliert die pädagogische Arbeit mit Lernzielvorgaben und strukturiert den Tagesablauf im Kindergarten weitestgehend. Im Vordergrund stehen dabei gemeinsame Tätigkeiten bzw. die Gemeinschaft, in der das Kind seinen Platz finden soll sowie die gezielte Vorbereitung auf die Schule. Individuelle Bedürfnisse der Kinder spielen eine eher untergeordnete Rolle. Mit der Außerkraftsetzung des bisherigen Bildungs- und Erziehungsprogramms durch Minister Meyer wird der Weg für eine Erneuerung der Kindergartenpädagogik geebnet. Mehrere Projektgruppen werden eingesetzt, die unabhängig voneinander Angebote für die Gestaltung der pädagogischen Arbeit erarbeiten. Diese Konzepte stellen sie den Kindergärten als Erprobungsmaterialien zur Verfügung.

Zusammenführung bisheriger Rechtsvorschriften

Um eine gemeinsame Basis aller Tageseinrichtungen für Kinder zu schaffen – dazu zählen neben Kinderkrippen und -gärten auch Horte und Schülerfreizeitstätten – werden die bisher nebeneinander bestehenden Rechtsvorschriften zusammengeführt. Die Schwerpunkte der Verordnung über Tageseinrichtungen für Kinder vom 18. September 1990 richten sich auf:

  • Die Fixierung tragender Grundsätze und Aufgaben von Tageseinrichtungen für Kinder unter Wahrung der Autonomie der Familie
  • Die Gewährleistung eines pluralistischen Angebotes, das den Wünschen und Interessen der Eltern nach Berücksichtigung unterschiedlicher Fähigkeiten und Anlagen der Kinder, Grundrichtungen der Erziehung sowie der Wertorientierung Rechnung trägt
  • Rechtliche Regelungen zur Sicherung des Leistungsangebotes im Sinne des Wohles der Kinder
  • Rechtliche Verankerung des Betreibens von Tageseinrichtungen für Kinder in unterschiedlicher Trägerschaft

Die Verordnung bietet Orientierung zu Fragen der Trägerschaft, Aufnahme von Kindern, Gruppenbildungen, Personal, Finanzierung und Förderung. Sie schafft in Ergänzung zum Jugendhilfeorganisationsgesetz die notwendige gesetzliche Grundlage und gilt bis zum Inkrafttreten entsprechender landesrechtlicher Regelungen nach der Wiedervereinigung.

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