Opaker Kontext

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Als intensionaler oder (referentiell) opaker Kontext (lat. opacus „beschattet, lichtundurchlässig“) wird in der Sprachphilosophie, der Logik und der Semantik ein sprachlicher Kontext bezeichnet, in dem sich durch Ersetzung von Teilausdrücken mit gleichem Bedeutungsumfang der Wahrheitswert der ausgedrückten Aussage möglicherweise ändert. In gewöhnlichen nicht-opaken Kontexten ist die Ersetzung extensionsgleicher Ausdrücke immer wahrheitserhaltend, also salva veritate möglich.

Die Darstellung opaker Kontexte ist eine der wesentlichen Herausforderungen für jedes Modell einer formalen Semantik, da sich an ihnen zeigt, dass weder die gewöhnlichen Objekte in der Welt noch private Vorstellungen unmittelbar die Bedeutung von sprachlichen Ausdrücken sein können. Gottlob Frege identifizierte unter anderem die Wiedergabe fremder Äußerungen in indirekter Rede als einen opaken Kontext (von ihm als „ungerade Rede“ bezeichnet). Die Untersuchung von opaken Kontexten spielt eine Rolle für die philosophische Theorie der Eigennamen, die Theorie der Kennzeichnungen sowie für Modallogik und epistemische Logik.

Extension und Intension

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit der Logik von Port-Royal (1662) ist es üblich, an sprachlichen Ausdrücken ihren Gegenstandsbezug (Referenz oder Extension) und ihren Inhalt (Bedeutung oder Intension) zu unterscheiden. In der auf Gottlob Freges Aufsatz Über Sinn und Bedeutung (1892) aufbauenden, im Wesentlichen auf Alfred Tarski und Rudolf Carnap zurückgehenden modernen Semantik hat sich folgende Zuordnung als Standard etabliert:

Ausdruckstyp Extension Intension
Eigennamen Träger des Namens Individualbegriff
einstellige Prädikate Mengen von Individuen Begriffe
mehrstellige Prädikate Mengen von n-Tupeln Relationen
Sätze Wahrheitswerte Propositionen

Koextensionalität

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Koextensionalität ist eine semantische Eigenschaft von Ausdrücken: Eigennamen bzw. Kennzeichnungen sind koextensional, wenn sie dasselbe Ding bezeichnen. Koextensional sind demnach beispielsweise die Ausdrücke „der höchste Berg der Erde“ und „der Mount Everest“, also eine Kennzeichnung und ein Eigenname, die beide dasselbe Objekt bezeichnen.

Ein klassisches und mittlerweile historisch überholtes Beispiel stammt von Willard Van Orman Quine. Die Ausdrücke „die Zahl 9“ und „die Anzahl der Planeten (innerhalb unseres Sonnensystems)“ konnten zu Quines Zeit als koextensional gelten, da die gängige Liste der Planeten damals Pluto noch mit einschloss (siehe Artikel Planet).

Von koextensionalen Namen für Begriffe oder Prädikate spricht man, wenn allem, dem der eine Begriff zukommt, auch der andere Begriff zukommt und umgekehrt. Die Begriffe haben dann denselben Umfang, das heißt die Mengen der Dinge, die die Prädikate erfüllen, sind identisch. Koextensionale Begriffe wären nach einem Beispiel von Carnap „( ) ist ein Lebewesen mit Herz“ und „( ) ist ein Lebewesen mit Nieren“, da Carnap davon ausgeht, dass alle Lebewesen, die ein Herz haben, auch Nieren haben und umgekehrt.

Ersetzbarkeit salva veritate

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unter normalen Umständen ändert sich die Wahrheit bzw. Falschheit einer Aussage nicht, wenn man in ihr einen Ausdruck durch einen ko-extensionalen ersetzt, man spricht daher auch von Ersetzbarkeit salva veritate. Die Bedeutung komplexer sprachlicher Ausdrücke ist in diesem Fall von der Bedeutung der in ihnen vorkommenden einfachen sprachlichen Ausdrücke direkt abhängig. Ersetzen wir beispielsweise in „Sir Edmund Hillary bestieg den Mount Everest.“ den Ausdruck „den Mount Everest“ durch „den höchsten Berg der Erde“, so erhalten wir „Sir Edmund Hillary bestieg den höchsten Berg der Erde“.

Diese beiden Sätze haben nun denselben Wahrheitswert, da sich die Bedeutung nicht geändert haben sollte. D. h. wenn der erste Satz wahr ist, muss auch der zweite Satz wahr sein und umgekehrt. Analog ist es mit: „Alle Lebewesen mit Herz sind Säugetiere“ und „Alle Lebewesen mit Nieren sind Säugetiere“, auch diese Sätze sind entweder beide wahr oder beide falsch.

Opake Kontexte sind nun spezielle sprachliche Konstruktionen, in denen das Substitutionsprinzip, d. h. die gewöhnlich geltende Ersetzbarkeit ko-extensionaler Ausdrücke salva veritate, außer Kraft gesetzt ist. Bei „Peter glaubt, dass Sir Edmund Hillary den Mount Everest bestiegen hat.“ und „Peter glaubt, dass Sir Edmund Hillary den höchsten Berg der Erde bestiegen hat.“ kann es tatsächlich sein, dass der erste Satz wahr und der zweite falsch ist; etwa wenn Peter nicht weiß, dass der Mount Everest der höchste Berg der Erde ist. Ganz ähnlich ist es mit den Sätzen: „Peter glaubt, dass alle Tiere mit Herz Säugetiere sind.“ und „Peter glaubt, dass alle Tiere mit Nieren Säugetiere sind.“.

Ist ein Satz Teil eines komplexeren Satzes, in dem eine Einstellung oder Intention einer Person zu diesem Satz berichtet wird, handelt es sich also ebenso wie bei der indirekten Rede um einen opaken Kontext. Diese Fälle von opaken Kontexten werden beispielsweise durch Ausdrücke wie „glaubt, dass“, „freut sich, dass“, „berichtet, dass“ etc. angezeigt. In Sonderfällen wie „nimmt irrtümlich an, dass“ findet eine Überlagerung von opakem und nicht opakem Kontext statt, da bei einem Satz der Form „Es ist falsch, dass p“ der Wahrheitswert schon von dem der Aussage p abhängt, bei einem Satz der Form „nimmt an, dass p“ jedoch nicht.

Eine andere Klasse von Ausdrücken, die opake Kontexte eröffnen, sind Modalausdrücke wie „notwendig“ und „möglich“. So ist von den beiden Sätzen „Die Zahl Acht ist notwendigerweise gerade.“ und „Die Zahl der Planeten in unserem Sonnensystem ist notwendigerweise gerade.“ der erste Satz wahr, da er eine mathematische Wahrheit ausdrückt (es sind keine Umstände denkbar, unter denen die Zahl Acht nicht gerade ist); der zweite Satz ist jedoch falsch, die Zahl der Planeten ist zwar gerade, aber dies ist keineswegs notwendigerweise der Fall, da es sich um eine einfache empirische Tatsache handelt. Es wäre widerspruchsfrei vorstellbar, dass es einen Planeten mehr oder weniger geben könnte. Dies zeigt, dass auch in modalen Kontexten die Ersetzbarkeit ko-extensionaler Ausdrücke nicht generell gewährleistet ist, dass es sich also um opake Kontexte handelt.

Die Theorie der opaken Kontexte ist relevant für die epistemische Logik, also diejenige Unterdisziplin der Logik, die sich mit der Analyse von Ausdrücken wie „glaubt, dass“ oder „weiß, dass“ beschäftigt. Bei der Formulierung der hier geltenden Gesetzmäßigkeiten muss berücksichtigt werden, dass der Schluss einer Aussage wie „Peter glaubt, dass Sir Edmund Hillary den Mount Everest bestiegen hat“ auf „Peter glaubt, dass Sir Edmund Hillary den höchsten Berg der Erde bestiegen hat“ nicht allgemeingültig ist, aber unter der Voraussetzung gilt, dass Peter glaubt, dass der Mount Everest der höchste Berg der Erde ist. Ganz Analoges gilt für die Modallogik, also die Unterdisziplin der Logik, die sich mit den Ausdrücken „notwendig“ und „möglich“ befasst.

Die folgende Schlussfolgerung ist logisch gültig, weil die Prämissen und die Konklusion extensional sind:

1. Sir Edmund Hillary hat den Mount Everest bestiegen.
2. Der Mount Everest ist der höchste Berg der Erde.
3. Also: Sir Edmund Hillary hat den höchsten Berg der Erde bestiegen.

Die folgende Schlussfolgerung ist dagegen ein Beispiel für einen intensionalen Fehlschluss:

1. Peter glaubt, dass Sir Edmund Hillary den Mount Everest bestiegen hat.
2. Der Mount Everest ist der höchste Berg der Erde.
3. Peter glaubt, dass Sir Edmund Hillary den höchsten Berg der Erde bestiegen hat.

Hier liegt ein Fehlschluss vor, da, wenn Peter 1. weiß und 2. gilt, er deshalb noch nicht 3. wissen muss. Durch Heranziehung weiterer Prämissen über Peters Überzeugungssystem kann der Schluss aber korrigiert werden.

Willard Van Orman Quine: Word and Object, Cambridge, MA: The M.I.T. Press, 1960 (deutsch von J. Schulte u. D. Birnbacher: Wort und Gegenstand, Stuttgart: Reclam, 1980).