Alfred Apfel
Alfred Apfel (* 12. März 1882 in Düren;[1] † 14. Februar 1941 in Marseille[2][3]) war ein deutscher Rechtsanwalt, Strafverteidiger und Autor.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Apfel wurde 1882 als Sohn von Rahel Apfel und ihrem Ehemann Simon Apfel geboren und wuchs in Köln auf. Die Mutter war literarisch tätig, führte einen Salon und gründete unter anderem mit Max Bodenheimer die National-Jüdische Vereinigung, sein Vater war Gynäkologe mit eigener Praxis und darüber hinaus vielfältig engagiert.[4]
1906 gründete Alfred Apfel in Köln den jüdischen „Jugendverein Gabriel Riesser“.[5] In den Folgejahren besuchte er mit seinem Vortrag Die Renaissance des jüdischen Bewußtseins zahlreiche jüdische Gemeinden des Deutschen Reiches,[6] was zu etwa 50 Gründungen nach dem Muster des „Jugendvereins Gabriel Riesser“ führte. Von 1909 bis 1922 war er Präsident des Verbandes jüdischer Jugendvereine Deutschlands, der bis zu 40.000 Mitglieder zählte.[7] Als Vorsitzender des Jugendverbandes wurde er auch zeitweilig Hauptvorstandsmitglied des großen Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens.[8] Ab 1921 warb er für Keren Hajessod, unternahm dafür auch mehrere Werbereisen nach Skandinavien.[9] 1922 trat er der Zionistischen Vereinigung für Deutschland bei.[10] Von 1925 bis 1930 war er Vorsitzender der einflussreichen Berliner Zionistischen Vereinigung.[11]
Alfred Apfel studierte ab 1900 in Berlin und Bonn Jura. Zweimal war er Praeside seiner Studentenverbindung, der Freien Wissenschaftlichen Vereinigung (FWV).[12] Er promovierte 1906 und war nach dem Studium zunächst an einem kleinen rheinischen Amtsgericht tätig. Von seinem ursprünglichen Berufswunsch, Richter zu werden, rückte er wegen der gesellschaftlichen Verhältnisse ab, die es ihm seines Judentums wegen nahezu unmöglich machten, Reserveoffizier zu werden.[13] Ab 1910 war er Rechtsanwalt,[14] dann auch Notar in Berlin. Als Strafverteidiger in vielen auch politischen Prozessen verteidigte er unter anderem Carl von Ossietzky. Als bekannter Demokrat, Jude und Zionist gehörte er zu den ersten, die unmittelbar nach dem Reichstagsbrand am 28. Februar 1933 in sogenannte Schutzhaft genommen wurden. Nach seiner Freilassung floh er Pfingsten 1933 nach Paris.[15] Apfel stand auf der ersten Ausbürgerungsliste des Deutschen Reichs vom 23. August 1933.[16] Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde er, trotz Ausbürgerung, als feindlicher Ausländer im Lager Bassens bei Bordeaux interniert,[17] aus dem er entwich. Nach Angaben seiner Tochter soll er (auch?) in Gurs gewesen sein.[18] Danach bemühte Apfel sich um ein Visum für die Emigration in die USA. Als er am 14. Februar 1941 zu diesem Zweck das Büro Varian Frys in Marseille aufsuchte, erlitt er dort einen Herzinfarkt. Er erlag den Strapazen von Vertreibung, Flucht und Lager.[19] Seiner Frau gelang die Flucht in die USA. Dort verliert sich ihre Spur. Alfred Apfel starb im Alter von 58 Jahren.
Familie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Apfels Tochter Hannah, geboren 1907 in Köln,[20] studierte ebenfalls in Heidelberg und Berlin Jura.[21] Sie war seit 1933 mit Rafaello Busoni verheiratet.[22] Mit ihrem 1937 geborenen Sohn Mario[23] emigrierten sie 1939 über Schweden in die USA.[24]
In erster Ehe war Alfred Apfel von 1906 bis 1924 mit Dora Schoenewald (1881–1962)[25] verheiratet. Von 1927 bis 1934 mit Alice Schachmann (1905–1957)[26] und in dritter Ehe ab 1935 mit Hedwig Scheer (1901–1942).[27]
Leistungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Alfred Apfel erwarb sich neben seiner Bedeutung für die Entwicklung und Kultur der Strafverteidigung in der Weimarer Republik auch einen Ruf als Verteidiger der Republik, indem er gerade diejenigen Journalisten und Liberalen vertrat, die ihre demokratischen Rechte der freien Meinungsäußerung und der freien Berichterstattung wahrgenommen und dabei mit Staatsinteressen in Konflikt geraten waren. Bei der Verteidigung von Ossietzkys im sogenannten Weltbühne-Prozess, einer Landesverratssache, trat er gemeinsam mit den ebenfalls berühmten Kollegen Rudolf Olden, Kurt Rosenfeld und Max Alsberg auf. Er erwarb sich große Verdienste um die jüdische Jugendarbeit. Mit seiner Bekanntheit förderte er ab 1922 den Zionismus in Deutschland, den viele etablierte deutsche Juden lange als bloßes Hilfsprojekt für zaristisch verfolgte Ostjuden angesehen hatten. Alfred Apfel war im Exil auch publizistisch tätig. So veröffentlichte er 1934 in französischer Sprache in Paris eine Abrechnung mit der Nazijustiz, die in mehreren Auflagen erschien und auch ins englische übersetzt wurde. Das Buch wurde in Deutschland erst 2013 als Übersetzung veröffentlicht. Das Originalmanuskript war verloren gegangen.[28]
Schriften (Auswahl)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Die Grenzscheidungsklage des Bürgerlichen Gesetzbuches unter Berücksichtigung des römisch-gemeinen, preußischen, sächsischen und französischen Rechtes. Borna-Leipzig: R. Noske, 1906 Rostock, Jur. Fak., Ref. Matthiaß, Diss. v. 1. Juni 1906.
- mit Felix Halle: Eingabe für den zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilten Max Hoelz an den deutschen Reichstag und den preussischen Landtag. Peuvag, Berlin 1928.
- Martha Ruben-Wolf: Abtreibung oder Verhütung? Internat. Arbeiter-Verlag, Berlin 1931. Mit e. Vorw. von Friedrich Wolf u. e. Nachw. von Apfel. Broschüre.
- mit Max Alsberg: Der Weltbühnen-Prozeß: Eingabe an d. Herrn Reichspräsidenten von Alfred Apfel. Eingabe an d. Herrn Justizminister von Max Alsberg. Die dt. Öffentlichkeit zum Weltbühnen-Prozeß. Die Weltpresse zum Weltbühnen-Prozeß. Kraus, Nendeln 1976. Nachdr. d. Ausg. Berlin, 1931.
- Les dessous de la justice allemande. Aus dem Deutschen übersetzt. Gallimard, Paris 1934.
- Behind the Scenes of German Justice. Reminiscences of a German Barrister 1882–1933. Aus dem Deutschen übersetzt. Lane, London 1935. Deutsche Ausgabe erst nach Rückübersetzung aus den fremdsprachigen Ausgaben:
- Hinter den Kulissen der deutschen Justiz: Erinnerungen eines deutschen Rechtsanwalts 1882–1933. Aus der franz. und engl. Übers. rückübertr. von Jan und Ursula Gehlsen. Berliner Wiss.-Verlag (BWV), Berlin 2013.
- Alfred Apfel „Mein liebes Tierchen … in inniger Liebe, Dein Alfred.“ Briefe & Karten an seine Tochter Hannah Busoni. Bearb. und Hrsg.: Heinrich Schwing. 2., erweiterte Auflage. epubli.de, Berlin 2014 (umfangreiche Quellen zu seinem Leben).
- Alfred Apfel. Sein Schriftwerk. Autobiografien, Publikationen. Bearb. und Hrsg.: Heinrich Schwing, epubli.de, Berlin 2014 (Bibliografie seiner Veröffentlichungen, Zeittafel zu seinem Leben).
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Jan Gehlsen: Alfred Apfel – Verteidigung im Gerichtssaal und in der „Weltbühne“. Der Kampf eines Rechtsanwalts für die erste deutsche Republik. In: Anwaltsblatt. 2016, S. 884.
- Heinrich Hannover, Elisabeth Hannover-Drück: Politische Justiz 1918–1933. Bornheim-Merten 1987 (unveränderte Neuauflage der Erstausgabe, Frankfurt a. M. 1966).
- Simone Ladwig-Winters: Anwalt ohne Recht. Das Schicksal jüdischer Rechtsanwälte in Berlin nach 1933. be.bra verlag, Berlin 1998, ISBN 3-930863-41-3.
- Horst Göppinger: Juristen jüdischer Abstammung im „Dritten Reich“. Entrechtung und Verfolgung. 2. neubearbeitete Auflage. München 1990, S. 266 (Erstauflage 1963).
- Jan Gehlsen: Hinter den Kulissen der deutschen Justiz: Alfred Apfel – Anwalt und Autor der Weltbühne. In: Kritische Justiz. 2013, S. 80–87.
- Heinrich Schwing (Hrsg.): Alfred Apfel „Mein liebes Tierchen … in inniger Liebe, Dein Alfred.“ Briefe & Karten an seine Tochter Hannah Busoni. 2., erweiterte Auflage. epubli.de, Berlin 2014, ISBN 978-3-7375-1278-7 (umfangreiche Quellen zu seinem Leben).
- Heinrich Schwing (Hrsg.): Alfred Apfel. Sein Schriftwerk. Autobiografien, Publikationen. epubli.de, Berlin 2014 (Bibliografie seiner Veröffentlichungen, Zeittafel zu seinem Leben).
- Apfel, Alfred, in: Werner Röder, Herbert A. Strauss (Hrsg.): Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933. Band 1: Politik, Wirtschaft, Öffentliches Leben. München: Saur 1980, S. 17
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Alfred Apfel im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Stadtarchiv Düren: Geburten 1882, Nr. 133.
- ↑ Varian Fry: Surrender on Demand. Random House, 1945, S. 177 und Todesschein 628 Rathaus, Marseille.
- ↑ Heinrich Schwing (Hrsg.): Alfred Apfel „Mein liebes Tierchen … in inniger Liebe, Dein Alfred.“ Briefe & Karten an seine Tochter Hannah Busoni. 2., erweiterte Auflage. epubli.de, Berlin 2014, ISBN 978-3-7375-1278-7, S. 125.
- ↑ Zeittafel. In: Heinrich Schwing (Hrsg.): Alfred Apfel »Mein liebes Tierchen … in inniger Liebe, Dein Alfred« Briefe und Karten an seine Tochter Hannah Busoni. epubli, 2014, ISBN 978-3-7375-1278-7, S. 148.
- ↑ Suska Döpp: Jüdische Jugendbewegung in Köln 1906 bis 1938. Lit-Verlag, Münster 1997, ISBN 3-8258-3210-4, S. 67
- ↑ Heinz Kahn: Ein tapferes Leben. In: Aufbau, Jg. 7, Nr. 16, 18. April 1941, S. 5.
- ↑ Heinrich Schwing (Hrsg.): Alfred Apfel „Mein liebes Tierchen … in inniger Liebe, Dein Alfred.“ Briefe & Karten an seine Tochter Hannah Busoni. 2., erweiterte Auflage. epubli.de, Berlin 2014, ISBN 978-3-7375-1278-7, S. 134.
- ↑ Avraham Barkai: Der Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens. München 2002, S. 160.
- ↑ Heinrich Schwing (Hrsg.): Alfred Apfel „Mein liebes Tierchen … in inniger Liebe, Dein Alfred.“ Briefe & Karten an seine Tochter Hannah Busoni. 2., erweiterte Auflage. epubli.de, Berlin 2014, ISBN 978-3-7375-1278-7, S. 133 ff.
- ↑ CV Zeitung. 1922, H. 8, S. 101.
- ↑ Jüdische Rundschau. 1925, H. 24, S. 221.
- ↑ Monatsbericht (MB) der FWV. Nr. 91, Juni 1900, S. 8 und MB, Nr. 101, 22. Juli 1901, S. 7–9; Heinrich Schwing (Hrsg.): Alfred Apfel „Mein liebes Tierchen … in inniger Liebe, Dein Alfred.“ Briefe & Karten an seine Tochter Hannah Busoni. 2., erweiterte Auflage. epubli.de, Berlin 2014, ISBN 978-3-7375-1278-7, S. 57 ff.
- ↑ Heinrich Schwing (Hrsg.): Alfred Apfel. Sein Schriftwerk. Autobiografien, Publikationen. epubli.de, Berlin 2014, S. 38 ff.
- ↑ Heinrich Schwing (Hrsg.): Alfred Apfel „Mein liebes Tierchen … in inniger Liebe, Dein Alfred.“ Briefe & Karten an seine Tochter Hannah Busoni. 2., erweiterte Auflage. epubli.de, Berlin 2014, ISBN 978-3-7375-1278-7, S. 126.
- ↑ Heinrich Schwing (Hrsg.): Alfred Apfel. Sein Schriftwerk. Autobiografien, Publikationen. epubli.de, Berlin 2014, S. 49.
- ↑ Michael Hepp (Hrsg.): Die Ausbürgerung deutscher Staatsangehöriger 1933–45 nach den im Reichsanzeiger veröffentlichten Listen. Band 1: Listen in chronologischer Reihenfolge. De Gruyter Saur, München 1985, ISBN 978-3-11-095062-5, S. 3 (Nachdruck von 2010).
- ↑ Stéphan Martens: La France, l’Allemagne et la Seconde Guerre mondiale. Quelles mémoires? Crises du XXe siècle. Verlag Presses Univ. de Bordeaux, 2007, S. 247.
- ↑ Wiedergutmachungsakte Alfred Apfel / Hannah Busoni
- ↑ Heinrich Schwing 24. März 2014: Spuren der jüdischen Familie Apfel aus Münstereifel. Auf der regionalhistorischen Homepage von Hans-Dieter Arntz.
- ↑ Heinrich Schwing (Hrsg.): Alfred Apfel „Mein liebes Tierchen … in inniger Liebe, Dein Alfred.“ Briefe & Karten an seine Tochter Hannah Busoni. 2., erweiterte Auflage. epubli.de, Berlin 2014, ISBN 978-3-7375-1278-7, S. 126 f.
- ↑ Heinrich Schwing (Hrsg.): Alfred Apfel „Mein liebes Tierchen … in inniger Liebe, Dein Alfred.“ Briefe & Karten an seine Tochter Hannah Busoni. 2., erweiterte Auflage. epubli.de, Berlin 2014, ISBN 978-3-7375-1278-7, S. 80 ff.
- ↑ Wiedergutmachungsakte Alfred Apfel / Hannah Busoni
- ↑ Heinrich Schwing (Hrsg.): Alfred Apfel „Mein liebes Tierchen … in inniger Liebe, Dein Alfred.“ Briefe & Karten an seine Tochter Hannah Busoni. 2., erweiterte Auflage. epubli.de, Berlin 2014, ISBN 978-3-7375-1278-7, S. 142.
- ↑ Heinrich Schwing (Hrsg.): Alfred Apfel „Mein liebes Tierchen … in inniger Liebe, Dein Alfred.“ Briefe & Karten an seine Tochter Hannah Busoni. 2., erweiterte Auflage. epubli.de, Berlin 2014, ISBN 978-3-7375-1278-7, S. 143.
- ↑ Heinrich Schwing: „Grüße mir die Schoenewalds!“ Porträt einer jüdischen Familie. Berlin 2014, S. 6; Heinrich Schwing (Hrsg.): Alfred Apfel „Mein liebes Tierchen … in inniger Liebe, Dein Alfred.“ Briefe & Karten an seine Tochter Hannah Busoni. 2., erweiterte Auflage. epubli.de, Berlin 2014, ISBN 978-3-7375-1278-7, S. 127.
- ↑ Heinrich Schwing (Hrsg.): Alfred Apfel „Mein liebes Tierchen … in inniger Liebe, Dein Alfred.“ Briefe & Karten an seine Tochter Hannah Busoni. 2., erweiterte Auflage. epubli.de, Berlin 2014, ISBN 978-3-7375-1278-7, S. 78 ff., 137 f.
- ↑ Heinrich Schwing (Hrsg.): Alfred Apfel „Mein liebes Tierchen … in inniger Liebe, Dein Alfred.“ Briefe & Karten an seine Tochter Hannah Busoni. 2., erweiterte Auflage. epubli.de, Berlin 2014, ISBN 978-3-7375-1278-7, S. 141 f.; Wiedergutmachungsakte Alfred Apfel / Hannah Busoni; Todesschein 628 Rathaus, Marseille.
- ↑ Ingo Müller, TAZ, 8. August 2014: Der Mann, den die Nazis hassten. Das Buch von Alfred Apfel, dem bei den Nazis verhassten Rechtsanwalt, war jahrelang nur auf Französisch verfügbar. Nun wurde es endlich rückübersetzt.
Personendaten | |
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NAME | Apfel, Alfred |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Strafverteidiger |
GEBURTSDATUM | 12. März 1882 |
GEBURTSORT | Düren |
STERBEDATUM | 14. Februar 1941 |
STERBEORT | Marseille |