Zum Gedenken an Martin Rese
Am Montag, den 3. Juli 2023 ist unser Kollege, Universitätsprofessor a.D. Dr. theol. Martin Rese, wenige Wochen nach seinem 88. Geburtstag verstorben. Unser tiefes Mitgefühl gilt seiner Frau, seinen Kindern und seiner weiteren Familie.
Martin Rese wurde am 31. Mai 1935 in Rimbeck, im Kreis Warburg, geboren. Er studierte evangelische Theologie in Bethel, Heidelberg, Bonn und Edinburgh und legte 1959 und 1962 die Erste und Zweite Theologische Prüfung ab. 1966 wurde er – Doktoranden-Stipendiat der Fritz Thyssen Stiftung – unter der Betreuung von Philipp Vielhauer in Bonn mit der im Jahr zuvor eingereichten Arbeit: „Alttestamentliche Motive in der Christologie des Lukas“ promoviert. Die Dissertation wurde 1969 als Band 1 der von Günter Klein, Willi Marxsen und Wolfgang Schrage neu gegründeten Reihe: „Studien zum Neuen Testament“ beim Verlagshaus Gerd Mohn veröffentlicht. Die Thematik war für die weiteren Arbeiten Martin Reses in vieler Hinsicht wegweisend, wie etwa die späteren Aufsätze: „Zur Problematik von Kurz- und Langtext in Luk. xxii.17ff.“ (1975) oder „Die Aussagen über Jesu Tod und Auferstehung in der Apostelgeschichte – ältestes Kerygma oder lukanische Theologumena?“ (1984) zeigen.
Nach einer Tätigkeit als wissenschaftlicher Assistent in Kiel kam Martin Rese in ebendieser Funktion nach Münster und habilitierte sich hier 1971 mit einer Arbeit zum lukanischen Passionsbericht. Die Habilitationsschrift trägt den Titel: „Die ‚Stunde‘ Jesu in Jerusalem (Lukas 22,1-53). Eine Untersuchung zur literarischen und theologischen Eigenart des lukanischen Passionsberichts“. An der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität wurde Martin Rese 1974 zum Dozenten ernannt und lehrte dann – nach einer Lehrstuhlvertretung an der Universität Göttingen – ab 1980 in Münster als Professor für Neues Testament. Von 1984 bis 1985 war er Dekan der Evangelisch-Theologischen Fakultät. Im Jahre 2000 trat Martin Rese in den Ruhestand.
Martin Rese konnte auf eine lange und breit gefächerte Forschungs- und Lehrtätigkeit in Münster zurückblicken. Als Dozent war er in jenen Jahren tätig, als die neutestamentlichen Proseminare noch über 90 Teilnehmer und Teilnehmerinnen füllten und geteilt werden mussten. Martin Reses Forschungsarbeiten waren vor allem auf das lukanische Doppelwerk gerichtet, doch galt sein Interesse daneben den johanneischen Schriften, der paulinischen Theologie, den sog. Katholischen Briefen oder auch Methodenfragen neutestamentlicher Exegese. Für die Bandbreite seiner exegetisch-theologischen Interessen stehen hier beispielhaft seine Aufsätze zum „Selbstzeugnis des Johannesevangeliums über seinen Verfasser“ (1996), „Käsemanns Johannesdeutung. Ihre Vor- und Nachgeschichte“ (2006), zu „Harnack und Overbeck über die Entstehung des Kanons des Neuen Testaments. Ein leider vergessener Streit aus dem vorletzten Jahrhundert“ (2003) oder zum Problem der „Intertextualität“ (1997). Martin Rese war ein exzellenter Kenner der Auslegungsgeschichte, besonders des 19. Jahrhunderts, und galt als scharfsinniger Rezensent. Er verfolgte die Forschungsfragen und -diskussionen des Fachs bis ins hohe Alter, ja bis zuletzt.
Früh und andauernd beschäftigte sich Martin Rese vom Neuen Testament her mit dem antiken Judentum („Überprüfung einiger Thesen von Joachim Jeremias zum Thema des Gottesknechtes im Judentum“, 1963) und speziell mit dem Thema „Kirche und Israel“ und der Frage eines christlichen Antijudaismus. Zusammen mit Jan Lambrecht leitete er von 1983 bis 1986 die Seminargruppe: „Paulus und Israel“ der Studiorum Novi Testamenti Societas (SNTS). In Verbindung mit Martin Reses Arbeit an und in diesem Forschungsproblemfeld entstanden u.a. seine Aufsätze zu „Der eine und einzige Gott Israels bei Paulus“ (1994), der „Rolle Israels im apokalyptischen Denken des Paulus“ (1980) und zu „Church and Israel in the Deuteropauline Letters“ (1990).
In der Lehre und bei der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, der er sich über den Eintritt in seinen Ruhestand widmete, sah es Martin Rese als seine Aufgabe an, die Studierenden zu eigenständigem, kritischem Denken anzuleiten. Er war dabei äußert beliebt und erfolgreich. Noch vor wenigen Jahren war er bereit, als Gastreferent in einem neutestamentlichen Hauptseminar provokante Thesen zur Echtheit der Paulusbriefe zu diskutieren. Wenige Tage vor seinem Tod nahm er am Münsteraner „Forschungskolloquium Neues Testament und Antikes Judentum“, das digital tagte, als reger Diskutant teil.
Die Evangelisch-Theologische Fakultät verliert mit Martin Rese einen international vernetzten, in Forschung und Lehre erfahrenen Kollegen, der, obgleich in der Sache streitbar, persönlich bescheiden war. Der Verlust schmerzt. Wir werden ihm stets ein ehrendes Gedenken bewahren.
Prof. Dr. Arnulf von Scheliha Prof. Dr. Eve-Marie Becker
Dekan Direktorin des Neutestamentlichen Seminars