Einrichtung: Das Sperrgebiet F (auch Kral, Zone F, Kriegsgefangenenzone F, Sperrzone F oder PW-Gebiet
F genannt) wurde im Mai 1945, also unmittelbar nach der Kapitulation, durch die Engländer angelegt.
Lage: Es umfasste den gesamten Kreis Oldenburg i.H. , teile des Kreises Eutin und teile des Kreises Plön.
(Am 26.04.1970 schlossen sich die Kreise Oldenburg und Eutin zum Kreis Ostholstein zusammen. Kasseedorf
gehörte bis zu diesem Zeitpunkt zum Kreis Oldenburg in Holstein.) Grenzverlauf: von der Küste bei
Neustein (liegt 2km nordöstlich von Laboe) südlich entlang der Hagener Au, südwestlich Lutterbek, westlich und südlich von
Probsteierhagen, Nordufer Passader See, Stoltenberg, westlicher Selenter See, nach Süden durch
Wittenberger Passau bis Ellhornsberg, von dort nach Osten entlang der Gleiskörper der ehemaligen
Kleinbahn Preetz - Lütjenburg bis Rantzau, westlich Neukirchen und Sieversdorf, östlich Malente,
Westufer Kellersee, südlich Fissau, östlich Zarnekau, westlich Süsel und Stawedder bis an die
Küste der Neustädter Bucht nördlich von Haffkrug.
Organisationsstruktur und Größe: Das Sperrgebiet F war weitgehend deutschem militärischen
Kommando unterstellt. Oberkommandierender des gesamten Sperrgebietes F ist der deutsche Generalleutnant
Stockhausen. Das Sperrgebiet selbst war in zunächst in 6 Abschnittskommandos unterteilt. Diese
Abschnittskommandos wurden ebenfalls von deutschen Generalen geführt. Jedem Abschnittskommando
gehörten jeweils rund 100000 Mann an.
Aufgabe: Die Stäbe hatten nach grundsätzlichen Befehlen der Engländer in erster Linie für
Disziplin und Ordnung bei den unterstellten Einheiten, sowie für Verpflegung und Unterkunft zu
sorgen. Ferner waren die Soldaten listenmäßig zu erfassen und auf die Entlassung vorzubereiten.
Wozu gehörte Kasseedorf? Kasseedorf gehörte zum Abschnittskommando 5 das von Generalleutnant
Karl Gümbel geführt wurde. Sitz des Stabes war das Herrenhaus auf Gut Kletkamp. Das
Abschnittskommando 5 war in 4 Divisionen aufgeteilt. Das Regiment 210 Kasseedorf gehörte
zur 821. Division Schönwalde. Das Regiment 210Kasseedorf beinhaltete die Bataillone I/210 Sagau
und II/210 Bergfeld. Die deutschen Soldaten waren großräumig verteilt und hatten in den Sperrzonen
weitgehende Bewegungsfreiheit. Die Engländer hatten sich aus dem Gebiet zurückgezogen und führten
nur gelegentlich Kontrollfahrten durch.
Status der Kriegsgefangenen: Die im Sperrgebiet befindlichen Soldaten galten nicht als
Kriegsgefangene, sondern als entwaffnetes Militärpersonal. Als Kriegsgefangene hätten die
Soldaten einen Anspruch auf schnelle Entlassung und die gleiche Verpflegung wie die Engländer
gehabt.
Grenzen und Bewachung: Der Zutritt zum Sperrbezirk hatte ohne Passierschein niemand. Ab
wann dies galt, steht nicht eindeutig fest, sicher ist aber, das ab 10.Juni 1945 ein Passierschein
erforderlich war. Die Grenzen waren aber keineswegs durch Stacheldrahtverhaue, Tore usw. gesichert.
Die Grenzen orientierten sich an der Landschaft, den Flüssen und Strassen. Hauptzufahrtstrassen
waren durch Schlagbäume und Posten gesichert. Diese Posten konnten Engländer, Engländer und
Deutsche oder nur Deutsche sein. Nebenwege wurden z. B. durch Knickholz für Fahrzeuge unpassierbar
gemacht. Die eigentliche grüne Grenze wurde von deutschen Doppelstreifen gesichert. Die Kontrolle
durch deutsche Feldjäger wurde sehr lässig durchgeführt. Gelegentlich ließen sich die hungrigen
deutschen Wachsoldaten auch mit einem Schwarzbrot bestechen. Wurde man jedoch von Engländern
beim passieren der Grenze ohne Passierschein erwischt, konnte das eine Gefängnisstrafe von 3
oder mehr Monaten bedeuten. Es gab zwar den Befehl auf flüchtende Soldaten zu schießen, von
Schusswaffengebrauch gegen Soldaten oder Zivilisten ist aber nichts bekannt. Im Juni 1945
gab es 5700 Mann in Wehrmachtsordnungstruppen (freiwillige). Es gab für die Dienstzeit
Wehrsold und die Feldjäger waren meist in festen Unterkünften untergebracht. Bessere
Verpflegung gab es jedoch zunächst nicht.
Die deutschen Bewachungseinheiten wurden auch innerhalb des Sperrgebietes zu Sicherung von Objekten,
Verpflegungslagern, erntereifen Feldern, Arrestgebäuden usw. herangezogen.
Zivilisten durften die Grenze zum Sperrgebiet F ab 5. November 1945 wieder ohne Sonderausweis
der Militärregierung frei passieren.
Flucht: Für die internierten Soldaten hatte es wenig Zweck zu Flüchten. Denn ohne
Entlassungspapiere (D2-Schein) bekam man keine Lebensmittelmarken, keine Aufenthaltserlaubnis
und keine Arbeitserlaubnis. Trotzdem sind etwa 2800 Soldaten aus dem Internierungsgebiet geflohen.
Transport: Ab 10. Mai 1945 zogen schier endlose Marschkolonnen auf vorbestimmten Marschwegen
zu den vorbestimmten Internierungsgebieten. Ein Marschweg führte so z.B. von Eutin über Kasseedorf
und Schönwalde nach Lensahn. Die Verpflegung war zu diesem Zeitpunkt wohl sehr schlecht. Es wird
berichtet, das eine Marschkolonne von Neustadt über Schönwalde nach Lütjenburg 3 Tage benötigt hat.
Eine höhere Marschleistung ließ sich mit dem von den Engländern ausgegebenen 7 Keksen nicht
erzielen. Auf diesen Wegen wurden die Soldaten so gut es ging von Dorfbewohnern versorgt.
Viel war es aber sicher nicht, was man anbieten konnte, was schon die Masse von mehreren
hunderttausend Soldaten erahnen lässt. Eine Schätzung geht von insgesamt 750000 Soldaten aus,
die im Sperrgebiet F interniert waren. Da ab Herbst 45 aber durch Entlassungen schon viele
Soldaten das Sperrgebiet verlassen hatten, wird von der Korpsgruppe Stockhausen (also für
das gesamte Sperrgebiet F) am 06.12.1945 nur noch eine Verpflegungsstärke von 87573 Mann
genannt.
Unterkunft: In jedem geeigneten Waldstück hausten die Soldaten in Erdlöchern, die mit Zelten
überspannt waren. Auf jedem Gut, jedem Gehöft und jedem Dorf wurden Soldaten untergebracht. So z.B.
auch in der Heischkate auf dem Dachboden. Hier wurde wohl mit Zigaretten etwas zu sorglos umgegangen,
denn die Heischkate ist 1946 abgebrannt. Die Unterbringung in Häusern, Ställen und Scheunen war
besonders problematisch, da ja viele bereits Flüchtlinge aufgenommen hatten.
Auf dem Windberg in Kasseedorf waren ca. 100 Soldaten im Kuhstall, den Scheunen und den auf den
umliegenden Koppeln in Zelten untergebracht. Familie Mannitz selbst blieb ein Wohnzimmer und ein
Schlafzimmer. In den restlichen Zimmern wurden Flüchtlingsfamilien untergebracht. Im heutigen
Heizungsraum war z.B. eine Familie mit vier Kindern untergebracht. Dieser Raum hat ca. 12
Quadratmeter.
Die in den Wäldern in Zelten untergebrachten Soldaten konnten größtenteils im Herbst 45 in feste
Unterkünfte umziehen, da zu diesem Zeitpunkt bereits viele Soldaten entlassen waren. Ansonsten
wurden für den Winter 45/46 Baracken gebaut.
Verhältnis Briten - Deutsche: Häufig wird berichtet, das die Soldaten vor Aufnahme in das
Sperrgebiet durchsucht wurden. Hierbei wurde ihnen dann alle Wertsachen unter Androhung von Gewalt
abgenommen. Ansonsten wird die Behandlung durch die Briten bis auf wenige Ausnahmen als fair
bezeichnet.
Verhältnis Soldaten - Zivilisten: Von einigen Ausnahmen abgesehen wird dies durchweg als gut
beschrieben. Dies hängt sicherlich damit zusammen, das die Soldaten in der Landwirtschaft geholfen
haben und die Feldjäger Schutz vor plündernden russischen und polnischen Kriegsgefangenen gaben,
die vor Kriegsende noch in deutscher Kriegsgefangenschaft waren.
Ordnung: Um die Disziplin aufrechtzuerhalten, besaßen einige deutsche Offiziere besondere
Rechte und durften Disziplinarstrafen verhängen. Bei schweren Vergehen gab es ein Militärgericht
mit deutschem Wehrmachtsrichter, der nach vorgegebenen Bestimmungen der Engländer Urteile verhängen
konnte. Mit Zustimmung der Engländer konnte sogar die Todesstrafe verhängt werden, was jedoch
niemals geschah. Es ist ein Fall bekannt, in dem ein Stabsfeldwebel wegen Wilderei zu 2
Monaten Gefängnis verurteilt wurde. Das Gefängnis war in den meisten Fällen das Spritzenhaus
der Feuerwehr. Dies war auch in Kasseedorf so. Das Spritzenhaus ist jetzt die Garage der
Sagauer Str. 6 (Mittelfeldskate).
Hervorzuheben ist allerdings, das auch nach Kriegsende unter den Soldaten noch eine vorbildliche
Disziplin herrschte. Es gab morgendliche Vollzähligkeitsappelle.
Verpflegung: Für die Verpflegung waren die Briten zuständig. Diese Aufgabe wurde allerdings
in den ersten Wochen nicht bewältigt. Oft gab es nur ein paar Kekse und eine Scheibe Corned Beef
als Tagesration. Gekocht wurde in Feldküchen oder in Waschküchen der Bauern. Diese gaben als
Bezahlung für Arbeitsleistungen auch Verpflegung hinzu.
Die Tagesration betrug ca. 300gr Brot. Zusätzlich gab es 250gr Fleisch pro Woche. Dies entsprach
einem drittel der Ration eines Engländers. Es wurde wohl ständig Kohldampf geschoben. Außerdem
kam alles in dem Kochtopf was essbar ist. So z.B. Brennnesseln, Sauerampfer, Schnecken, Löwenzahn
usw. . Gelegentlich kam es bei Bauern auch zu Schwarzschlachtungen. Häufig wurden auch von Soldaten
aufgestellte Schlingen gefunden - teilweise mit totem Wild darin. Viele verdienten sich durch
freiwillige Feldarbeiten bei Bauern eine kleine Ration hinzu.
Uniformen: Es bestand auch in Kriegsgefangenschaft noch Grußpflicht und Uniformzwang.
Dienstgradabzeichen mussten getragen werden, Orden und Auszeichnungen konnten nach Entfernung
nationalsozialistische Zeichen getragen werden. Nach der Entlassung musste auf Anordnung der
Engländer Zivil getragen werden. Da es gar nicht so viele zivile Kleidung gab, wurden die
Uniformen eingefärbt und die Uniformknöpfe durch Holzknöpfe ersetzt. Das Einfärben geschah
durch kochen mit Eichenrinde, welche die Uniformen dunkel färbte. Orden und Ehrenzeichen
mussten bei Entlassung abgegeben werden.
Medizinische Versorgung, Hygiene: Es gab ein dichtes Netz von Lazaretten usw. , die von deutschen
Ärzten und Pflegepersonal betrieben wurden. An Ärzten hat es also nicht gemangelt, wohl aber an
Medikamenten. Bei so vielen Menschen auf kleinstem Raum gab es natürlich hygienische Probleme.
So gab es im Gebiet der Gemeinde Schönberg eine Typhusepidemie, an der neben deutschen Soldaten
auch viele Zivilisten starben. Während der Epidemie war Schönberg Quarantänegebiet. In einem
Bericht des Internationalen Roten Kreuzes vom 26.07.1945 wird festgestellt, das ca. 25% der
deutschen Soldaten Läuse haben. Daraufhin wurden dann kleine Entlausungsstationen eingerichtet.
Z.T. wurde eine Zahnbürste von mehreren Soldaten benutzt, da nicht jeder eine hatte. Ebenso
standen nicht ausreichend Reinigungsmittel zur Verfügung.
Post: Ab 18.06.1945 war es den Soldaten erlaubt gebührenfrei einmal wöchentlich eine offene
Postkarte zu schreiben. Ab 01.09.1945 konnten Päckchen bis 2kg verschickt werden. Der gesamte
Postverkehr unterlag der Zensur.
Entlassungen: Volkssturmmänner, Schüler-Soldaten (Flakhelfer), das Gros des weiblichen
Personals (u.a. Nachrichtenhelferinnen) und paramilitärische Verbände (z.B. Reichsarbeitsdienst),
ferner Schwerverwundete und Schwerkranke waren, soweit möglich, bereits unmittelbar nach Kriegsende
entlassen worden. Als nächste wurden Soldaten entlassen, die eine Verbindung zur Landwirtschaft
hatten. Die Berufsausbildung der einzelnen Soldaten stand in den Soldbüchern. Gehörte ein Landwirt
jedoch der Waffen-SS, der Fallschirmtruppe, der Geheimen Staatspolizei usw. an, oder war Offizier,
wurde er nicht entlassen. Nachdem die Landwirte entlassen wurden, kamen Bergleute für den
Kohlebergbau und Angehörige von Transportberufen dran. Erst danach gab es Entlassungen im großen
Stil, die unabhängig vom Beruf waren. Zur Entlassung anstehende Soldaten wurden zunächst in
sogenannten Entlassungsschleusen zusammengezogen, die es wohl in jedem Abschnitt gab. Eine
Entlassungsschleuse lag in den westlichen Kasseedorfer Tannen (Kolksee?).Von hier aus ging
es dann in Marschkolonnen nach ein bis zwei Tagen zur Entlassungsstelle in Eutin (Rettberg
Kaserne). Später gab es noch Entlassungsstellen in Pelzerhaken und Heiligenhafen. Vor
Entlassung mussten lange Fragebögen die politische und militärische Vergangenheit
betreffend ausgefüllt werden. Bei der ärztlichen Abschlussuntersuchung wurde nach
angehörigen der Waffen-SS gesucht (Tätowierung!). Des weiteren fand noch eine
Entlausung mit DDT statt. In Eutin war es das Ziel im Sommer und Herbst 1945
täglich 1000 Mann zu entlassen. Von Eutin aus ging es per LKW nach Bad Segeberg,
wo man die Entlassungspapiere (D2-Schein mit Daumenabdruck) bekam.
Auflösung: Bereits Anfang Januar1946 wurde das Sperrgebiet F aufgrund der vielen Entlassungen
verkleinert. Der Grenzverlauf folgte jetzt ungefähr der Linie Weißenhaus, Lensahn, Grömitz.
Am 02.03.1946 verließen die letzten Kriegsgefangenen (hohe Offiziere, angehörige der Waffen-SS)
das Sperrgebiet F und wurden in ein Kriegsgefangenenlager nach Belgien verfrachtet.
Quelle: Die vorstehenden Ausführungen zum Kral wurden - mit Ausnahme der sich unmittelbar auf Kasseedorf
beziehenden Teile - dem Buch "Der Kral im Kreis Plön" von Peter Wippich entnommen (ISBN 3-89906-098-9).