Die Gemeinde Riehen ragt heute wie eine Halbinsel nach Deutschland hinein. Mehr als 60 Prozent der Gemeindegrenze ist gleichzeitig Landesgrenze. Das Leben in der Gemeinde ist von dieser Grenzlage geprägt, der Alltag mit demjenigen der badischen Nachbarn eng verbunden.
Riehen ist mehrheitlich von einer nationalen Grenze umgeben: Die Landesgrenze zu Deutschland macht mehr als 60 Prozent der Gemeindegrenze aus. Vor dem Ersten Weltkrieg war der Personenverkehr zwischen Deutschland und der Schweiz relativ frei. Lediglich der Warenverkehr musste am Zoll geregelt werden. Das Zollwesen war ab 1850 eidgenössisch organisiert: In Riehen gab es seit 1851 einen eidgenössischen Zollposten im Dorf, seit 1902 befindet sich die Zollstelle direkt an der Grenze.
Zahlreiche wirtschaftliche und persönliche, insbesondere auch familiäre Beziehungen bestanden über die Landesgrenze hinweg. Die Einwohner und Einwohnerinnen von Riehen liessen sich in Stetten die Haare schneiden, arbeiteten in Textilbetrieben in Südbaden und heirateten Leute aus den umliegenden Dörfern, Bauern bewirtschafteten Land auf beiden Seiten der Grenze Land auch die ‹Riehener Zeitung› richtete sich anfänglich explizit auch an die Bevölkerung der badischen Nachbargemeinden.
Während beider Weltkriege wurde die Grenze zwischen der Schweiz und Südbaden vorübergehend geschlossen. Sie war nur mit einer Bewilligung passierbar und wurde zeitweise mit Stacheldraht abgeriegelt, unter anderem, um die Einreise von Flüchtlingen zu verhindern. Bis 1950 war der Grenzübertritt von und nach Deutschland nur mit einer Spezialbewilligung möglich. Danach lockerten sich die Vorschriften stetig, sodass seit 1958 für Bürgerinnen und Bürger der Schweiz und von Deutschland nur noch eine Identitätskarte respektive ein Personalausweis für den Grenzübertritt erforderlich ist. Auch auf politisch-institutioneller Ebene kam es erst in den 1960er-Jahren wieder vermehrt zu grenzüberschreitender Zusammenarbeit. Seither haben sich zahlreiche trinationale Kooperationen zwischen Gemeinden der Nordwestschweiz, Südbaden und dem Elsass entwickelt. Seit dem Beitritt der Schweiz zum Schengener Abkommen im Dezember 2008 werden kaum noch Personenkontrollen an den Riehener Grenzen durchgeführt.
Autorin / Autor: Luzia Knobel | Zuletzt aktualisiert am 12.9.2023
Raith, Michael: Grenzen entlang. Die Grenze zwischen Basel-Stadt und Baden-Württemberg um Bettingen und Riehen – Teil 1. In: Jahrbuch z’Rieche 2004. S. 46–70.
Raith, Michael: Der Grenze entlang. Die Grenze zwischen Basel-Stadt und Baden-Württemberg – Teil 2. In: Jahrbuch z’Rieche 2005. S. 112–139.
Stohler, Hans: Riehens Banngrenze. In: Jahrbuch z’Rieche 1961. S. 41–55.
Meyrat, Sibylle: Leben an der Grenze. In: Schnyder, Arlette et al.: Riehen – ein Portrait. Basel 2010. S. 73–99.
Raith, Michael: Gemeindekunde Riehen. 2. überarbeitete und aktualisierte Aufl. Riehen 1988. S. 23–50.
Seiler, Lukretia und Jean-Claude Wacker: Fast täglich kamen Flüchtlinge. Riehen und Bettingen – zwei Grenzdörfer 1933 bis 1948. 4., erweiterte Aufl. Basel 2013.