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Captain Phillips - Die Filmstarts-Kritik auf FILMSTARTS.de
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    Captain Phillips
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Captain Phillips
    Von Andreas Staben

    „World in Action“ hieß das Reportage-Magazin des britischen Fernsehens, bei dem Paul Greengrass in den 1980er Jahren eine seiner ersten Karrierestationen erlebte, aber mit dieser griffigen Formel ließe sich durchaus auch sein Schaffen als Kinofilm-Regisseur überschreiben. Schließlich hat der einstige Journalist auch bei actiongeladenen Genrefilmen wie den Agenten-Blockbustern „Die Bourne Verschwörung“ und „Das Bourne Ultimatum“ die Wirklichkeit globaler Zusammenhänge und politischer Strukturen im Blick, während er seinen minutiös recherchierten Doku-Dramen wie dem Berlinale-Gewinner „Bloody Sunday“ (über die blutige Eskalation im Nordirland-Konflikt am 30. Januar 1972) und der 9/11-Rekonstruktion „Flug 93“ mit seinem ruhelosen, manchmal fast aggressiven Inszenierungsstil den Pulsschlag nervenzerfetzenden Hochspannungskinos verleiht. Eine (Hand-)Kamera, die ständig in Bewegung ist, dazu ein effektvoller Stakkato-Schnitt – der für alle diese Filme typische Greengrass-Touch roher Unmittelbarkeit kennzeichnet nun auch den Hochsee-Thriller „Captain Phillips“, in dem der Filmemacher mit der ihm eigenen Mischung aus Detailgenauigkeit und virtuos-pointierter Spannungsregie den somalischen Piraten-Überfall auf den US-Frachter Maersk Alabama nachstellt. Für zusätzliche Intensität sorgt Hauptdarsteller Tom Hanks in der Titelrolle des gekidnappten Captains – durch ihn bekommt das bewegte Geschehen dramatisches und emotionales Gewicht.

    Anfang April 2009 sticht in Oman das vollbeladene Container-Frachtschiff Maersk Alabama unter US-amerikanischer Flagge in See. Die Fahrt ins kenianische Mombasa steht unter dem Kommando von Captain Richard Phillips (Tom Hanks), der eine Crew von 20 Mann befehligt. Auf offener See erreichen den Kommandanten mehrere Hinweise und Nachrichten mit der Warnung vor  Piratenüberfällen. Der alarmierte Phillips lässt seine unbewaffnete Mannschaft eine Notfallübung absolvieren, doch aus der Simulation wird bald der Ernstfall, als auf dem Radar zwei Schiffe auftauchen, die mit hoher Geschwindigkeit Kurs auf die Maersk Alabama nehmen. Alle Abwehrmanöver helfen nichts mehr, schließlich kapern vier somalische Piraten das Schiff. Anführer Muse (Barkhad Abdi) und seine drei Mitstreiter Bilal (Barkhad Abdirahman), Najee (Faysal Ahmed) und Elmi (Mahat M. Ali) bringen Phillips und seine Besatzung in ihre Gewalt. Sie fordern einen Millionenbetrag, aber so viel Bargeld ist nicht an Bord. Phillips versucht mit Muse zu verhandeln, die brenzlige Situation droht mehrmals zu eskalieren. Schließlich wollen die Somalis in einem kleinen geschlossenen Rettungsboot zurück an die Küste – mit an Bord Captain Phillips, den sie als Geisel genommen haben...  

    Schon gleich zu Beginn machen Paul Greengrass und Drehbuchautor Billy Ray („Die Tribute von Panem“) klar, dass es auch in „Captain Phillips“ ums große Ganze gehen soll. Der Kapitän lässt sich von seiner Frau (Catherine Keener in einem Kurzauftritt) zum Flughafen fahren und in einer etwas ungelenken Dialogszene unterhält das Ehepaar sich darüber, wie kompliziert, unüberschaubar und schnelllebig die Welt geworden ist („The world is moving so fast“). Dieser Empfindung von Chaos setzt Greengrass den ordnenden Zugriff des engagierten Reporters und Künstlers entgegen. Wenn er etwa bei einem kurzen Abstecher in das zerrüttete Somalia zeigt, dass die Piraten eigentlich Fischer sind, denen die Existenzgrundlage entzogen wurde, und die sich nun für karge Belohnung als Handlanger mächtiger Warlords verdingen, gibt er dem Zuschauer in knappen Zügen die nötigen Fakten für das Verständnis der Situation an die Hand und lädt zugleich zur tieferen Auseinandersetzung mit den komplexen geopolitischen und ökonomischen Zusammenhängen ein. Letztlich sind aber auch in diesem Film Bilder beredter als Worte: In einem zugleich majestätischen und beklemmenden Kameraflug über das dicke Schleppseil zwischen dem gekidnappten Rettungsboot und dem Schiff der US-Navy, die Phillips befreien will, wird aus dem Tau gleichsam das Band, mit dem die  Entwicklungsländer in Afrika und anderswo an die reichen Staaten der sogenannten Ersten Welt gefesselt sind.

    Greengrass eröffnet dem Betrachter immer wieder ganz grundsätzliche Assoziationen, das gipfelt bei der gewaltsamen Befreiungsaktion für den Kapitän durch die mächtigste Militärmaschinerie der Welt in einem Höhepunkt kaum auszuhaltender Ambivalenz – der Triumph ist gleichzeitig eine niederschmetternde Tragödie. Wenn der Filmemacher seinen hohen politisch-aufklärerischen Anspruch insgesamt dennoch nicht ganz einlösen kann, liegt das hauptsächlich daran, dass die somalischen Kidnapper trotz des engagierten (Körper-)Einsatzes der vier Darsteller im Vergleich zu ihrem starbesetzten Opfer recht wenig individuelles Profil bekommen. Diese kleine dramaturgische Unausgewogenheit fällt angesichts der inszenatorischen Wucht des Films jedoch kaum ins Gewicht. Zu der tragen vor allem Kameramann Barry Ackroyd („The Hurt Locker“) und Cutter Christopher Rouse („The Italian Job“), beide langjährige Weggefährten des Regisseurs und Experten für seinen fiebrig-sachlichen Stil, entscheidend bei, sodass „Captain Phillips“ trotz des bekannten Ausgangs ein stets packender Thriller bleibt. Sequenzen wie jene, in der die Piraten den Frachter kapern, oder wie die bereits angesprochene finale Konfrontation zwischen den Entführern im winzigen Rettungsboot und den riesigen Kriegsschiffen der Amerikaner – sind herzschlagbeschleunigendes Spannungskino. Dabei macht sich insbesondere die Entscheidung bezahlt, weite Teile des Films tatsächlich unter den erschwerten Bedingungen des offenen Meeres zu drehen: Man kann das Salzwasser fast schmecken.

    Die logistischen Großtaten des Regisseurs vereinen sich mit der darstellerischen Glanzleistung seines Hauptdarstellers zu über weite Strecken großartiger Kino-Unterhaltung. Seit seiner Tour de Force in der Robinsonade „Cast Away“ im Jahr 2000 hat Tom Hanks keine ähnlichen Strapazen mehr auf sich genommen. Zuerst wirkt sein Captain Phillips wie ein etwas distanzierter Seefahrt-Bürokrat, dann übernimmt er pflichtbewusst die Verantwortung für Schiff und Crew, schließlich übersteht er mit Beharrlichkeit die Tortur der tagelangen Irrfahrt mit den Entführern in der klaustrophobischen Enge des Rettungsboots. Im Wechsel stehen ihm Entschlossenheit, Überforderung, Erschöpfung oder Todesangst im Gesicht – dieser Phillips ist nicht etwa ein überlebensgroßer Filmheros, sondern er wird erst in seiner Menschlichkeit zu einem Helden. Das zeigt sich besonders deutlich in der stärksten Szene des Films, in der sich eine unvorstellbare Anspannung entlädt und er von Krämpfen geschüttelt förmlich in sich zusammenfällt. Dieser unvergessliche Moment der Schutzlosigkeit und der Erlösung zugleich wird in seiner Intensität noch durch die ungerührt-professionelle Art der Militärmedizinerin verstärkt, die den befreiten Schiffskapitän untersucht. Greengrass besetzte diese Rolle übrigens mit einer echten Navy-Ärztin, sein Bemühen um dokumentarische Genauigkeit führt im Zusammenspiel mit Hanks' Expressivität in dieser Szene auf einen Gipfel filmischer Wahrhaftigkeit.    

    Fazit: Regisseur Paul Greengrass bereitet einen echten Fall von Schiffspiraterie und Kidnapping mit seiner bewährten Mischung aus intensivem Doku-Drama und nervenaufreibendem Thriller auf und auch Hauptdarsteller Tom Hanks befindet sich auf der Höhe seiner Kunst - beide sind ernsthafte Oscar-Kandidaten.

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