Die Bibliothek von Kurt Pinthus
Kurt Pinthus (1886-1975) gilt als einer der bedeutendsten Vermittler des literarischen Expressionismus in Deutschland. Nach einem Studium der Literaturgeschichte, Philosophie und Geschichte arbeitete er als Verlagslektor und -berater, sowie als Kritiker und avancierte zu einer zentralen Figur im zeitgenössischen Literaturbetrieb. Die zunehmende Ausgrenzung und Gewalt gegen Juden zwangen den mit einem Rede- und Publikationsverbot belegten Pinthus 1937, nach New York zu fliehen. Als er wenige Monate später nach Nazideutschland zurückkehrte, um seine Auswanderung vorzubereiten, gelang es ihm, seine umfangreiche Bibliothek mit sich nach Amerika zu retten. Während der Zeit im Exil arbeitete Pinthus als Dozent an der New School for Social Research und der Columbia University, zwischenzeitlich auch als Berater in der Library of Congress. Die Bibliothek wuchs und veränderte sich, da Pinthus in seiner Arbeit auf englischsprachige Bücher angewiesen war; der gerettete Bestand nahm zunehmend dokumentarischen Charakter an.
Ende der 1950er Jahre entstand nicht zuletzt aufgrund des in dieser Sammlung gespeicherten Wissens ein reger Kontakt zum Deutschen Literaturarchiv, das sich in Ausstellungen zunehmend der Literatur des frühen 20. Jahrhunderts und der Exilliteratur widmete. Nach mehreren Arbeitsaufenthalten und Besuchen ließ sich Pinthus schließlich 1967 mit seiner Schwester in Marbach am Neckar nieder. Als er 1975 verstarb, hinterließ er dem Haus seine geschichtsträchtige, rund 8.800 Bände umfassende Bibliothek.
Im Jahre 1919 veröffentlichte Pinthus mit »Menschheitsdämmerung« eine bis heute als Standardwerk des literarischen Expressionismus geltende Lyrik-Anthologie. Die in der Anthologie vertretenen Autoren sind, kaum überraschend, auch in Pinthus Bibliothek zu finden. Der Schwerpunkt seiner Sammlungen liegt auf der »deutschsprachigen Literatur nach 1880« (rund 2.300 Bände). Der Bestand dokumentiert so den Expressionismus in Erstausgaben und Privatdrucken, enthält aber auch so genannte Weltliteratur, Bücher zu Religion und Philosophie sowie Judaica.
Die Bibliothek von Kurt Pinthus wird im Rahmen des MWW-Projekts »Transatlantischer Bücherverkehr. Migrationswege und Transferrouten vor und nach 1945« erschlossen, um diesen besonderen, bislang aber noch kaum ausgeleuchteten Bestand weithin zugänglich und benutzbar zu machen. Erfasst werden dabei auch Provenienzen und exemplarspezifische Merkmale der Bücher, die auf die Geschichte dieser von Leipzig nach New York und zuletzt nach Marbach transferierten Autorenbibliothek verweisen.
Das DLA bewahrt auch den Nachlass von Kurt Pinthus.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Projekt (Laufzeit 05/2019 - 02/2023) im Rahmen des Forschungsverbunds Marbach Weimar Wolfenbüttel.
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