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Deutsche Biographie - Bruckner, Anton

Bruckner, Anton

Lebensdaten
1824 – 1896
Geburtsort
Ansfelden (Oberösterreich)
Sterbeort
Wien
Beruf/Funktion
Komponist ; Organist
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118515799 | OGND | VIAF: 61731160
Namensvarianten

  • Bruckner, Josef Anton
  • Bruckner, Anton
  • Bruckner, Josef Anton
  • Bruckner, A.
  • Bruckner, Joseph Anton
  • Brukner, Anton
  • Burukkunā, Anton

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Zitierweise

Bruckner, Anton, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118515799.html [28.11.2024].

CC0

  • Bruckner, Josef Anton

    Komponist, * 4.9.1824 Ansfelden (Oberösterreich), 11.10.1896 Wien. (katholisch)

  • Genealogie

    Aus ursprünglich bäuerlicher Familie, die bis in das 14. Jahrhundert zwischen Enns und Donau nachweisbar ist;
    V Anton (1791–1837), S des Josef (1749–1831), beide Schulmeister und Organisten in Ansfelden, und der Franziska Kletzer, Lehrers-T; M Theresia (1801–60), T des Amtsverwalters Ferdinand Helm und der A. M. Mayrhoferin; 10 Geschwister (damit erlosch die männliche Linie); ledig.

  • Biographie

    B. wuchs in bescheidenen dörflichen Verhältnissen auf. Im Dasein des Vaters verbindet sich der Lehrer ungezwungen mit dem Bauern; seine musikalische Begabung ist verbürgt und hat dem Kinde Anton die ersten Anregungen gegeben. Nach dem Brauch der Zeit hat der Knabe den Vater schon in jungen Jahren bei seinen Berufspflichten unterstützt und war somit offenbar ausersehen, in dritter Generation die heimatliche Lehrerstelle zu übernehmen. 1835 kam B. in das Haus seines Vetters, des Schullehrers und Musikers Johann Baptist Weiß nach Hörsching, unweit Linz. Weiß hat B. ernstlich in die Musik eingeführt, besonders in das Spiel jenes Instrumentes, das ihm sein Lebtag vertraut bleiben sollte: der Orgel. Nach dem für die Familie verhängnisvoll frühen Tode des Vaters fand der dreizehnjährige B. im Chorherrenstift St. Florian als Sängerknabe eine neue Heimat. Die drei Jahre, die der Heranwachsende im Stift verlebt hat, haben ihn musikalisch stark gefördert, vor allem aber mag sich damals der sakrale Charakter seiner Musik und Musikauffassung tief in ihm begründet haben. 1840-41 absolvierte B. erfolgreich die Lehrer-Präparandenschule in Linz, war danach bis 1843 als ärmlicher Schulgehilfe, der auch allerlei niedere Dienste verrichten mußte, in Windhaag/Maltsch (Oberösterreich) tätig - hier ist ihm der Schulinspektor Adalbert Stifter begegnet -, dann in Kronstorf bei Steyr (1843–45) und kehrte endlich im Herbst dieses Jahres als in neuer Linzer Prüfung bewährter Lehrer nach St. Florian zurück. Diesmal sollte B. fast elf Jahre hier verweilen, eine Zeitspanne, in der er sich, großenteils durch unermüdlichen Selbstunterricht, theoretisch und praktisch weiter musikalisch zu vervollkommnen bestrebt gewesen ist, auch entstanden einige geistliche Kompositionen; empfangend wie vermittelnd war B. bis ins Alter von einem pädagogischen Ethos erfüllt. Seit 1848 wirkte er an der schon von Jugend auf bewunderten und geliebten großen Stiftsorgel von St. Florian, unterzog sich aber gleichwohl, noch immer in der endgültigen Berufswahl schwankend, sieben Jahre später, abermals in Linz, der Prüfung als „Lehrer für Hauptschulen“.

    Noch im gleichen Jahr (1855) fiel jedoch die Entscheidung. B. verließ St. Florian und wurde Domorganist in Linz (daneben zeitweilig auch Chormeister einer Liedertafel). Dreizehn Jahre hat er dies Amt innegehabt, eine Zeit steigenden Ruhmes als Orgelspieler und -improvisator, bedeutungsvoller aber noch für seine musikalische Reifung durch den Theorieunterricht, den ihm der hochangesehene Kontrapunktlehrer Simon Sechter in Wien bis 1863 erteilt hat. B. pflegte sich zu diesem Zweck regelmäßig mehrere Wochen in der Hauptstadt aufzuhalten und unterzog sich mehrfach strengen musikalischen Fachprüfungen, die der Lehrer Sechter abhielt. Kaum weniger einschneidend für den künstlerischen Weg B.s zu sich selbst, der sich nunmehr anbahnte, ist der Unterricht, den ihm 1861-63 der Linzer Theaterkapellmeister Otto Kitzler in anderen musikalischen Fächern (besonders auch Instrumentation erteilt hat. Ihm verdankte B. vor allem die schicksalhafte Begegnung mit der Musik Richard Wagners, die ihn fortan das Leben hindurch begleiten sollte. Beide Musikwelten, die altmeisterliche Satztechnik und die moderne Klangführung, miteinander zu verschmelzen, blieb seitdem sein immanentes künstlerisches Streben und bezeichnet seine eigentümliche Stellung in der Musik des 19. Jahrhunderts. Seit 1863/64 erprobte B., seiner selbst, wenigstens zeitweise, sicherer geworden, seine Kräfte als Komponist umfangreicher kirchenmusikalischer und symphonischer Werke. Mit den Erschütterungen eines solch späten Durchbruchs zur eigenen Musik mag eine neurotische Erkrankung zusammenhängen, die ihm um die Mitte des Jahres 1867 zu schaffen machte. Kunstreisen führten zur Bekanntschaft mit den Musikern Franz Liszt, Hans von Bülow und dem überschwänglich hoch verehrten Richard Wagner (München, Juni 1865, bei der Uraufführung des „Tristan“).

    Dank Vermittlung des einflußreichen Hofkapellmeisters Johann Herbeck gelang B. endlich der ersehnte Übergang nach Wien: 1868 wurde er in der Nachfolge Sechters dorthin ans Konservatorium als Professor für Generalbaß, Kontrapunkt und Orgel berufen. Er hat dies Amt mit äußerster Gewissenhaftigkeit bis 1892 versehen. Erst auf dem künstlerisch reichen und gerade damals vielschichtigen Boden Wiens konnte sich B.s kompositorisches Genie vollends entfalten. Hier vor allem sind in oft harter und mühevoller Arbeit jene mächtigen Symphonien entstanden, die seinen Ruhm begründet haben. Den Organisten B. hat Wien nur gelegentlich kennengelernt, obgleich er nach längerer Anwartschaft seit 1879 wirkliches Mitglied der kaiserlichen Hofkapelle war. So feierte sein Orgelspiel auswärts seine großen Erfolge, im Ausland vor allem in Nancy, Paris und ganz besonders in London (1871). Daheim wurde der Komponist B. zunehmend in den Streit der beiden musikalischen Parteien hineingezogen, der keine Stadt so leidenschaftlich wie Wien bewegt hat: die neudeutschen Anhänger Liszts und Wagners hielten sich für die Avantgardisten eines musikalischen Fortschritts und zählten B. zu den Ihren, während Johannes Brahms, seit 1862 ebenfalls in Wien lebend, als Hauptrepräsentant einer konservativen, von den Gegnern gern als reaktionär bezeichneten Richtung galt. Diese Spaltung der musikalischen Öffentlichkeit, besonders auch die immer unerbittlicher werdende Gegnerschaft des angesehenen Wiener Musikkritikers Eduard Hanslick, hat B. viele Schwierigkeiten innerer wie äußerer Art bereitet, war sie doch mindestens teilweise Ursache einiger Uraufführungs-Mißerfolge. Kleinere Nebenämter steigerten vorübergehend B.s Einkünfte; fielen sie fort, so war der verbitterte Meister alsbald bereit, den Schritt nach Wien zu bereuen. Große innere Befriedigung verlieh ihm jedoch das endlich nach vergeblichen Versuchen übertragene Lektorat für Harmonielehre und Kontrapunkt an der Universität Wien; erst 1894 hat er diese ihm besonders werte Tätigkeit aufgegeben. Als Krone äußerer Ehrungen ist ihm die Verleihung des Ehrendoktors durch die Philosophische Fakultät der Universität Wien erschienen (1891). Auf die späteren Wiener Jahre, in denen B., immer wieder von quälenden Selbstzweifeln überfallen, zunehmend vereinsamte, werfen Anhänglichkeit, Fürsorge und Treue eines begabten Schülerkreises - darunter die Brüder Josef und Franz Schalk, Ferdinand Löwe, Gustav Mahler, Friedrich Klose - ein verklärendes Licht. Von 1884 an hat B. mehrfach Reisen unternommen, um Aufführungen seiner Werke beizuwohnen, so nach Leipzig, München, Graz und Berlin. Seit 1890 kränkelte er und litt an verschiedenen Altersbeschwerden, führte aber die kompositorische Arbeit verantwortungsvoll bis zum letzten Tage weiter. Ein Jahr vor dem Tode übersiedelte er ins Schloß Belvedere, wo ihm der Kaiser eine Wohnung zur Verfügung gestellt hatte. Seine sterblichen Überreste haben den Weg in die oberösterreichische Heimat genommen, der testamentarischen Bestimmung entsprechend: „Ich wünsche, daß meine irdischen Überreste in einem Metallsarge beigesetzt werden, welcher in der Gruft unter der Kirche des regulierten lateranischen Chorherrnstiftes St. Florian und zwar unter der großen Orgel frei hingestellt werden soll, ohne versenkt zu werden.“

    Schon zu Lebzeiten ist B.s menschliche Art und Persönlichkeit vielfach mißverstanden worden. Zahlreiche Anekdoten, oft mehr oder minder erfunden und postum, zeugen davon. In der Tat fehlen B. beinahe all jene Züge, die die Figur des autonomen Künstlers im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts geprägt haben. Weder ein stolzes Ichbewußtsein noch die weltläufige Haltung eines Kunstmissionars entsprachen seiner Natur; ebenso fremd war ihm aber auch jenes umspannende Bildungsbedürfnis, das das Spätstadium romantischen Musikertums kennzeichnet. Zum Unterschied von all dem hat B. seine dörflich-ländliche Herkunft niemals verleugnet, gab er sich stets ohne alle Prätension und oft derb-urwüchsig. Er lebte der unzeitgemäßen Überzeugung, daß allein das lehrbare, in zahllosen Übungsarbeiten zu bewährende|Handwerk der musikalischen Satztechnik den Komponisten befähige, seinen „Gedanken und Gefühlen nach musikalischer Richtung hin in ästhetischer Weise gerechten Ausdruck zu verleihen“. B. war eine starke Glaubensgewißheit zu eigen - wofür ja auch seine zahlreichen Kompositionen geistlicher Texte zeugen -; die Heilswahrheiten der römischen Kirche sind ihm Quell innerer Aufrichtung und Erquickung gewesen, den er unermüdlich, zuzeiten auch in fanatischer Religiosität aufgesucht hat. Die mönchischen Tugenden des Gehorsams, der Unterordnung und der Enthaltsamkeit haben seinen Lebensweg begleitet. Eine starke, oft erprobte Selbstzucht hat Zweifel und Auflehnung überwunden. Unter vielen Schwierigkeiten und gegen Widerstände von innen und außen hat er sich zu einem führenden Musiker Wiens emporgearbeitet, dabei aber nie vergessen, daß er den unteren Ständen entstammte. Dies Bewußtsein bestimmte seine Haltung den Oberen, besonders auch geistlichen Würdenträgern gegenüber.

    Mit Recht hat man daher B. ein „Genie mit Handwerkerbewußtsein“ genannt (A. Halm). Im Verhältnis zu denjenigen seiner Schülerfreunde, die würdig befunden wurden, seiner symphonischen Musik den Weg in die Öffentlichkeit erschließen zu helfen - es sind dies vor anderen die schon genannten Dirigenten Brüder Schalk und F. Löwe -, verbindet sich menschliche und künstlerische Eigenart B.s. Seit einigen Jahrzehnten nämlich ist zunehmend bekanntgeworden, daß die authentische Überlieferung seiner Symphonien durch den wohlmeinenden Rat dieser seiner Jünger gefährdet worden ist, und zwar dadurch, daß sie sich z. T. weitgehende Eingriffe in das Gefüge der Druckausgaben erlaubt haben. Wieweit B. dabei zugestimmt hat, ist unbekannt. Zu denken gibt, daß er bestrebt gewesen ist, seine unverfälschten Handschriften der Nachwelt durch Bibliotheksvermächtnis zu erhalten. B. war von hoher Selbstkritik erfüllt und immer wieder bereit, auch schon abgeschlossene fertige Werke oder Teile davon nicht selten von Grund auf umzuarbeiten. Von hier aus ist die Frage nach der authentischen, letztgültigen Klang- und Formgestalt von B.s Musik so verwickelt wie bei kaum irgendeinem anderen Komponisten und gegenwärtig noch nicht vollständig zu lösen. Die Tendenz der Originalfassungen gegenüber den Erstausgaben ist klar: ihre Klanggestalt ist härter, schärfer in sich abgesetzt, weniger ausladend und schwelgend; die Schüler-Korrektoren waren dagegen bestrebt, sie näher an das neudeutsche Ideal, wie es besonders Wagner vertrat, heranzuführen. Eingriffe in die Form der B.schen Symphonien, zu denen es in einigen Fällen gekommen ist, sind allerdings weniger leicht erklärbar. Es zeigt sich also, daß sogar dem Meister Nächststehende der Meinung gewesen sind, er sei auch in Fragen seiner Kunst weltfremd und des Rates bedürftig. Unbestritten bleibt die gute Absicht, dem Lehrer selbstlos zu helfen, die jene Männer geleitet hat. Im Verhalten beider Seiten treten Eigenart und Begrenzung von B.s Autorität deutlich hervor.

    B.s Musik ist mit seltener, nahezu unvergleichlicher Konzentration auf die große Form gerichtet, sie allein ist ihm Werkzeug und Mittlerin seiner künstlerischen Aussage. Werke geringeren Umfanges und Formates, in denen sich bei anderen Meistern oft genug künstlerische Entscheidungen ankündigen und vollziehen, sind für ihn ohne höhere Bedeutung, sie verdanken ihr Entstehen meist äußeren Anlässen und Gelegenheiten. So ist seiner Musik, sobald sie nur erst zu sich selbst gekommen, Größe und Monumentalität eigentümlich; mit diesem Anspruch tritt sie vor ihre Hörer. Meßkompositionen (dazu vor allem auch das „Te Deum“) und Symphonien, die beiden Hauptformen B.s, sind Zyklen verschiedener Art, insofern aber miteinander verknüpft, als gewisse motivische Fäden von der geistlichen zur Konzertmusik laufen, weit inniger aber durch eine gemeinsame musikalische Grundhaltung. Zutreffend hat man beobachtet, daß die Messe B.s ins Symphonische, die Symphonie aber ins Kultische strebe. Bescheiden und konventionell sind seine kompositorischen Anfänge, sie geben kaum Hinweise auf das Spätere. Seit B. im mächtigen Schaffensausbruch der letzten Linzer Jahre sich selbst gefunden hat, steht der Typus seiner Musik fest, durchmißt sie jedenfalls keine eigentliche künstlerische Entwicklung. Auch für dies Phänomen ist in der Musikgeschichte, vor allem in der des 19. Jahrhunderts, kaum eine Parallele anzuführen.

    Äußerlich hat B. den Grundriß der viersätzigen Symphonie Beethovens bewahrt, sie allerdings vielfach geweitet, von innen aber hat er sie tiefgreifend umgewandelt. Seit Beethoven hatte sich die Symphonie nach zwei verschiedenen Richtungen hin entwickelt: einerseits - bei Mendelssohn, Schumann und Brahms - ins Kammermusikalische und ins Idyllische; Liszt und seine Schule haben andererseits die Gattung der Programmsymphonie, die von außermusikalischen Anregungen abhängig ist, geschaffen. Dieserart war ein großes Erbe in Gefahr zu verfallen. Es ist B.s geschichtliche Leistung, eine neue Synthese auf rein musikalischem|Boden herbeigeführt und den universalen Anspruch der symphonischen Kunst wieder ins Werk gesetzt zu haben. Ist Beethovens Musik idealistisch, strebt über den Klang hinaus, so lebt die B.s ganz im Klang, dem sie sich naturhaft völlig hingibt. Beethoven meißelt seine Formen, B. läßt sie wachsen. Diese Naturkraft der B.schen Musik hat etwas elementar Überwältigendes. Sie ist spürbar in der oft kunstvoll kontrapunktisch durchwirkten Flächenbildung, zumal in den Ecksätzen der Symphonien; im An- und Abfluten großer Steigerungswellen; im kreishaften Umspielen der Zieltonarten, die nach langer Vorbereitung plötzlich jäh hereinbrechen. Andere urtümlich eigene Züge sind die langgedehnten Orgelpunkte an entscheidenden Abschnitten der symphonischen Entwicklung, überhaupt eine Neigung zur rhythmisch-melodischen Gleichform (Ostinato und Sequenz), ferner räumlich-portalhaft gliedernde Pausen; die Harmonie des Dreiklangs ist B. ein mütterlicher Schoß, dem alles motivische Leben entwächst. Daheim ist er in der mystischen Versenkung seiner langsamen Sätze, deren Maße wie die einer Kathedrale den Menschen über sich selbst hinausführen; doch auch in der nicht selten dämonisch erregten Sphäre des Tanzes (Scherzo-Sätze). Im gesamten Zyklus der Symphonie aber waltet eine eigentümliche Dynamik, die dem Finale durch thematische Rückbindungen und Zitate eine überhöhende, krönende Schlußwirkung verleiht.

    Natur und Geist sind in B.s Musik unlöslich und unverwechselbar einander verbunden.

  • Werke

    9 Symphonien: I, c, 1865/66: II, c, 1871/72;
    III, d, 1873;
    IV, Es, 1873/74;
    V, B, 1875-78;
    VI, A, 1879-81;
    VII, E, 1881-83;
    VIII, c, 1884-86;
    IX, d, 1887-96;
    Streichquintett, F, 1879;
    Messe I, d, 1864;
    Messe II, e, 1866;
    Große Messe, f, 1867-68;
    Te Deum, C, 1881;
    Gesamtausg., hrsg. v. R. Haas u. A. Orel, 1930 ff., 2. Ausg. hrsg. v. L. Nowak, 1951 ff.;
    ausführl. Verz. s. MGG II, Sp. 361 ff.

  • Literatur

    A. Göllerich, A. B., Ein Lebens- u. Schaffensbild, 4 Bde., 1922 ff. (II-IV hrsg. v. M. Auer);
    A. Halm, Die Symphonie A. B.s, ²1923;
    E. Kurth, A. B., 2 Bde., 1926;
    M. Auer, A. B., Sein Leben u. Werk, ⁶1949;
    F. Blume, in: MGG II, Sp. 341-82 (W, L, P).

  • Porträts

    Gipshalbfigur v. V. O. Tilgner, 1896 (Wien, Ges. d. Musikfreunde), Abb. in: Die großen Deutschen im Bild, 1936, S. 347;
    A. Orel, A. B., Sein Leben in Bildern, 1936;
    s. a. Singer I, Nr. 4315-18.

  • Autor/in

    Walter Gerstenberg
  • Zitierweise

    Gerstenberg, Walter, "Bruckner, Anton" in: Neue Deutsche Biographie 2 (1955), S. 649-652 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118515799.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Bruckner, Anton

  • Biographie

    Bruckner*)Zu S. 276 oben.: Anton B., geboren am 4. September 1824 zu Ansfelden (einem kleinen Dorf in der Nähe von Linz) in Oberösterreich, am 11. October 1896 in Wien. Dieser hervorragende österreichische Tondichter entstammt einer oberösterreichischen Dorfschullehrerfamilie und war ursprünglich für den Beruf seines Vaters und Großvaters bestimmt. Er erhielt auch den ersten Unterricht von seinem Vater. Als dieser starb, kam der zwölfjährige Knabe in das Chorherrnstift St. Florian (Oberösterreich), wo ihn Gruber im Clavier- und Violinspiel, Bogner im Generalbaß unterrichtete. Hier leistete er schon gute Dienste als Sängerknabe und als Organist. Nach vierjährigem Aufenthalt kam er in den Lehrerbildungscurs nach Linz, und wurde 1841 Schulgehülfe in dem kleinen Orte Windhag a. d. Maltsch, 1843 dasselbe in Kronsdorf bei Steyr. Zwei Jahre darauf wurde er als Lehrer nach St. Florian berufen, wo er mehrere Jahre mit einer Besoldung von 36 fl. jährlich diente, bis er 1851 auch die Stelle eines Stiftsorganisten mit 80 fl. jährlich und freier Wohnung erhielt. Von nun an war die große Stiftsorgel, ein gediegenes Werk von Chrismann, eine Quelle tiefen Studiums und immerwährender Anregung für den langsam aus sich selbst heranwachsenden Componisten. In diese Zeit fällt die Composition mehrerer kirchlicher Werke, darunter eines Requiems in D-moll. Um für sein Können eine amtliche Beglaubigung zu haben, kam er 1853 nach Wien und unterzog sich einer Prüfung im Orgelspiel, wonach ihm die damaligen musikalischen Autoritäten Sechter, Aßmayr und Preyer ein glänzendes Zeugniß über seine Kunst ausstellten. 1856 erhielt er die Stelle eines Domorganisten in Linz, nachdem er bei einem Probespiel einstimmig als der fähigste Bewerber erkannt worden. Der Drang nach künstlerischer Vervollkommnung trieb ihn von Linz aus alljährlich zu Ostern und zu Weihnachten zu dem berühmten Theoretiker Sechter nach Wien, von dem er sich im Contrapunkt unterweisen ließ. Auch in dieser Kunst unterzog er sich nach vollendetem Studium einer officiellen Prüfung, indem er 1861 in der Josephstädter Piaristenkirche zu Wien vor Sechter, Hellmesberger, Dessoff, Herbeck und Schulrath Becker ein gegebenes Thema auf der Orgel fugenartig verarbeitete, und mit dieser Leistung die Bewunderung der Fachgenossen erregte. In den Jahren 1861—63 machte er noch Orchesterstudien unter der Leitung des Theatercapellmeisters Kitzler in Linz. 1862 und 1868 war er auch Dirigent des Linzer Männergesangvereins „Frohsinn“, wo er die Anregung fand zu den Compositionen für Männerchor, unter denen die größten „Germanenzug“ und „Helgoland“ sind. Die erstere wurde 1865 beim Sängerbundesfest in Linz mit einem Preise gekrönt, und zählt zu den frühesten Compositionen, die weitere Kreise auf ihn aufmerksam gemacht haben. In demselben Jahre erhielt er eine gewaltige und ausschlaggebende Anregung durch eine Reise nach München, wo er Bülow und Richard Wagner kennen lernte und die ersten Aufführungen von „Tristan und Isolde“ hörte. 1868 führte er in Linz einen Chor aus den damals noch unbekannten „Meistersingern“ Richard Wagner's auf. Doch war seine eigene Compositionsthätigkeit in der Linzer Zeit mehr der Kirche zugewandt, der er als gläubiger Katholik schwärmerisch anhing. Für die Grundsteinlegung des Maria Empfängniß-Doms schrieb er schon 1862 eine Cantate; eine andere für die gleiche Feier des allgemeinen Krankenhauses in Linz 1863. In dem nächsten Jahre vollendete er seine erste Messe (in D); diese wurde 1865 im Dom zu Linz zum ersten Mal aufgeführt und machte so tiefe Wirkung, daß sie nach zwei Jahren in der Augustinerkirche und bald darauf in der Hofcapelle zu Wien durch Herbeck eingeführt wurde. Eine zweite Messe (E-moll), mit Begleitung von Blasinstrumenten, componirte B. für die Einweihung einer Votivcapelle im Linzer Dom 1868; noch in demselben Jahre schrieb er seine dritte Messe (F-moll). Endlich fällt in die Linzer Zeit auch die Composition der ersten Symphonie (C-moll), und B. hatte als Dirigent Gelegenheit, sie seinen Zeit- und Ortsgenossen, soweit es ihre bescheidenen künstlerischen Mittel gestatteten, selbst zum ersten Mal vorzuführen. Im Herbst 1868 wurde B. auf Betreiben Herbeck's in doppelter Eigenschaft nach Wien berufen: als Lehrer für Harmonielehre, Contrapunkt und Orgelspiel ans Conservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde, und als Organist in die kaiserliche Hofcapelle. Daneben wirkte er seit 1875 als Lector für die Theorie der Musik an der Wiener Universität, und erhielt von dieser 1891 den philosophischen Doctorgrad honoris causa. In die Zeit seines Wiener Aufenthalts fallen seine großen Erfolge als Orgelspieler und die Composition seiner hervorragendsten Werke: für Orchester die Symphonien Nr. 2 bis 9, für Streichinstrumente das Quintett in F, für Chor mit Orchester das Te Deum und der aus Anlaß der Musik- und Theaterausstellung 1892 componirte 130. Psalm. Außerdem schrieb B. theils in Wien, theils in Linz, mehrere kleinere Kirchenstücke (Graduale, Offertorien, Ave Maria, Tantum ergo, Pange lingua u. dgl.) theils mit, theils ohne Begleitung, eine Anzahl kürzerer weltlicher Gesänge für Männerstimmen, endlich einige Clavierstücke und Märsche.

    In seiner engeren Heimath war B. frühzeitig als phantasievoller Orgelspieler bekannt. Aber weit über diese Grenzen ging sein Ruf, seit er (1869) am internationalen Organisten-Wettspiel in der Kathedrale zu Nancy theilgenommen hatte. Von dort reiste er nach Paris und erregte auch hier durch sein Spiel auf der Orgel der Kirche Notre Dame großes Aufsehen. Zwei Jahre später bewunderten ihn die Besucher der internationalen Ausstellung in London, wohin er zur Prüfung der großen Orgel in der Alberthalle gereist war. In dieser Halle gab er acht Concerte; fünf andere im Krystallpalast. Den Antrag, in England zu bleiben, schlug er aus. In Oesterreich hat er an verschiedenen Orten seine Kunst gezeigt, besonders bei festlichen Gelegenheiten; 1870 beim allgemeinen deutschen Lehrertag in Wien (Piaristenkirche), 1873 bei der Wiener Weltausstellung, 1881 bei der Generalversammlung des Lehrervereins in Linz, wo er eine Phantasie über Haydn's Volkshymne improvisirte, 1885 in St. Florian, 1886 im Stift Klosterneuburg, 1892 in Steyr. Einen besonderen Verehrer seiner Kunst hatte er in Bischof Rudigier in Linz, der ihn oft aus Wien kommen ließ, um sich an seinem Orgelspiel zu erbauen. Bruckner's Orgelspiel war glänzend und farbenprächtig, weniger im Innern durchgebildet, als äußerlich blendend und hinreißend. An contrapunktischer Vollendung lag ihm weniger, als an harmonischer Entfaltung und|würdevoller Massenwirkung. Daher erzielte er den tiefsten Eindruck durchs Improvisiren, wo er seiner Phantasie freien Lauf lassen konnte.

    Diese Freude an Glanz und feierlichem Pomp zeigt B. auch als schaffender Künstler. Ein oberösterreichisches Lehrerkind, später selbst durch viele Jahre Lehrer und Domorganist, endlich kais. Hoforganist, stand er sein ganzes Leben hindurch unter unmittelbarem geistlichen und kirchlichen Einfluß, und ist sein ganzes Wesen specifisch katholisch geworden. Gleich seiner geistigen Nährmutter, der süddeutschen katholischen Kirche, neigt er einerseits zu Mystik und Symbolismus, zu großen und erhabenen poetischen Vorstellungen ohne klare Grundlagen und Umrisse, andererseits zu blendendem Glanz und feierlicher Pracht. Seine Musik ist aus seinem Innersten unmittelbar entsprungen und gibt ein um so treueres Bild seiner Seele, als er, durch Erziehung und Umgebung einmal in eine bestimmte Richtung gedrängt, den großen allgemeinen Bildungsbestrebungen seiner Zeit ziemlich fern und unzugänglich blieb, nur in der Welt seiner üppig blühenden Phantasie lebte, ob er auch täglich mit dem realen Leben in schmerzlichen Widerspruch gerieth. Wie im Leben, kennt er auch in der Kunst nur einen Inhalt, keine Form. Mit gleichem Recht wird seinen Werken Mangel an Maaß und Ziel und allzu lockeres Gefüge vorgeworfen, und die höchste Unmittelbarkeit der Wirkung genialer Gedanken nachgerühmt. Musikalisch ist er am stärksten von Richard Wagner beeinflußt, für dessen blendende, sinnlich so unendlich reizvolle Kunst er das empfänglichste Gemüth besaß. Anfangs mehr ausübender Künstler, hat er erst in reifen Jahren sich mit aller Macht der Seele der Composition ergeben. Lange Zeit ohne Erfolg; bis nach dem Tode Wagner's und Liszt's auch seine Werke nach und nach mehr Beachtung fanden, so daß manche künstlerische Befriedigung seinen Lebensabend verschönte.

    Die in Wien componirten Werke entstanden in rascher Aufeinanderfolge; in den Jahren 1872 bis 1882: die zweite Symphonie (C-moll), die dritte, Richard Wagner gewidmete Symphonie (D-moll), die vierte Symphonie (Esdur) die „Romantische“ genannt, die fünfte Symphonie (B-dur), die sechste Symphonie (A-dur), das Streichquintett, dazu die Umarbeitungen der meisten dieser Werke; seit 1882: die dem König Ludwig II. von Baiern gewidmete siebente Symphonie (E-dur), unter allen Symphonien die bekannteste und erfolgreichste, die dem Kaiser Franz Joseph I. von Oesterreich gewidmete achte Symphonie (C-moll), die bis auf den letzten Satz unvollendet gebliebene neunte Symphonie (D-moll), das Te Deum (1884), das nach Bruckner's letztem Willen als Schlußsatz zur neunten Symphonie verwendet werden mag, der 150. Psalm für Chor und Orchester, und andere.

    B. ist seinem Wunsche gemäß in der Kirche des Chorherrenstiftes St. Florian unter der großen Orgel, die er so oft und gern gespielt hat, beigesetzt worden. An seinem Geburtshaus in Ansfelden enthüllte die Linzer Liedertafel „Frohsinn“ 1895 eine Gedenktafel. Aus diesem Anlaß gab der Oberösterreichische Volksbildungsverein die erste Biographie Bruckner's heraus: „Dr. Anton Bruckner. Ein Lebensbild von Franz Brunner“ (Linz 1895). Ergänzende Mittheilungen und ein fast vollständiges Verzeichniß von Bruckner's Werken mit allen Compositions- und den wichtigsten Aufführungsdaten brachte der Nachruf von Dr. Heinrich Rietsch in Bettelheim's „Biographischem Jahrbuch und Deutschem Nekrolog“ 1897. Kurze Zeit darauf wurde im Wiener Stadtpark ein Denkmal Bruckner's enthüllt (Büste von Tilgner, Sockel von Zerritsch). Eine sehr hübsche, die Gesichtszüge Bruckner's ungemein treu wiedergebende Plaquette hat Tautenhayn jun. in Wien modellirt.

  • Autor/in

    E. Mandyczewski.
  • Zitierweise

    Mandyczewski, E., "Bruckner, Anton" in: Allgemeine Deutsche Biographie 47 (1903), S. 767-769 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118515799.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA