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Toll-like-Rezeptoren: Neue Zielstruktur für immunstimulierende Medikamente
ArchivDeutsches Ärzteblatt16/2007Toll-like-Rezeptoren: Neue Zielstruktur für immunstimulierende Medikamente

MEDIZINREPORT

Toll-like-Rezeptoren: Neue Zielstruktur für immunstimulierende Medikamente

Siegmund-Schultze, Nicola

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Die Fruchtfliege Drosophila ist ein Universalmodell für die Biologie: Proteine, die die Embryonalentwicklung und Infektabwehr bei dem Insekt steuern, findet man in ähnlicher Form auch beim Menschen. Sie erhielten den Namen Tolllike- Rezeptoren (TLR). Zehn unterschiedliche TLR wurden bisher im humanen System entdeckt. Foto: picture-alliance/OKAPIA KG
Die Fruchtfliege Drosophila ist ein Universalmodell für die Biologie: Proteine, die die Embryonalentwicklung und Infektabwehr bei dem Insekt steuern, findet man in ähnlicher Form auch beim Menschen. Sie erhielten den Namen Tolllike- Rezeptoren (TLR). Zehn unterschiedliche TLR wurden bisher im humanen System entdeckt. Foto: picture-alliance/OKAPIA KG
Die Entwicklung selektiver Inhibitoren oder Aktivatoren der Toll-like-Rezeptoren ist eine wichtige Strategie zur Bekämpfung hochinfektiöser Krankheitserreger.

Die Entwicklungsbiologin Prof. Dr. rer. nat. Christiane Nüßlein-Volhard, Direktorin am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen, erinnert sich genau an den Moment, der dem Toll-Gen der Fruchtfliege seinen Namen gab. Sie saß ihrem Kollegen Prof. Eric F. Wieschaus gegenüber an einem Doppelmikroskop, das zwei Personen gleichzeitig die Untersuchung desselben Objekts erlaubt. „Als wir eines Tages eine Embryonenmutante sahen, deren Entwicklung ventralisiert war, waren wir beide vollkommen überrascht und haben spontan ‚toll‘ gerufen. Bis dahin kannten wir nur dorsalisierte Embryonen“, sagte Nüßlein-Volhard zum Deutschen Ärzteblatt. Sie hat gemeinsam mit Wieschaus, heute an der Princeton University in New Jersey, und dem inzwischen verstorbenen amerikanischen Forscher Edward B. Lewis 1995 den Medizin-Nobelpreis für grundlegende Erkenntnisse zur genetischen Kontrolle der Embryonalentwicklung erhalten.
Das Toll-Gen, so stellte sich später heraus, steht nicht nur im Dienst der Embryonalentwicklung, sondern auch der Infektabwehr. Wie „toll“ die Entdeckung des Fruchtfliegen-Gens auch für die Humanmedizin ist, wird in den letzten Jahren immer deutlicher: 1997 wurde der erste Toll-ähnliche Rezeptor (Toll-like-receptor, TLR) beim Säugetier identifiziert. Seither boomt die Forschung. Die Paul-Martini-Stiftung hatte zu einem Workshop nach Bonn eingeladen, der einen Überblick gab, wie TLR als Angriffspunkte für neue Medikamente genutzt werden können.
TLR gehören zu einer Genfamilie, von der beim Menschen bislang zehn verschiedene Varianten identifiziert worden sind (TLR 1 bis 10). Die TLR haben eine zentrale Bedeutung für die angeborene Immunabwehr. So können die TLR 2, 4, 5 und 6 – sie sitzen in der Plasmamembran von Monozyten, natürlichen Killerzellen, Mastzellen oder myeloiden dendritischen Zellen – bakterielle Lipoproteine und Lipopolysaccharide erkennen sowie virale Proteine.
Spezialisierung auf Einzel- oder Doppelstrang
Die intrazellulär und häufig in Endosomen von Immunzellen exprimierten TLR 3, 7, 8 und 9 binden dagegen vor allem bakterielle und virale Nukleinsäuren. Dabei haben die verschiedenen intrazellulären TLR ihre eigenen Vorlieben: Manche erkennen hauptsächlich einzelsträngige, andere doppelsträngige RNA, wieder andere unmethylierte DNA mit vielen Cytidin-Guanosin-Dinukleotiden (CpG), die für Bakterien charakteristisch ist.
TLR stimulieren nicht nur unspezifische Abwehrmechanismen, sondern stellen über direkte und indirekte Effekte auch die Weichen für die Bildung spezifischer Immunreaktionen und des immunologischen Gedächtnisses. So können dendritische Zellen, die verschiedene TLR synthetisieren, auch B- und T-Lymphozyten aktivieren.
Krebsimpfung mit TLR-Agonisten und Tumorantigen
Dabei sind die myeloiden dendritischen Zellen (mDC) besonders auf Antigenpräsentation spezialisiert, die plasmazytoiden dendritischen Zellen – neben den Langerhans-Zellen die dritte Subpopulation dendritischer Zellen – vor allem auf die Bildung von Zytokinen nach Aktivierung durch Virus-DNA. Wo auch immer aber die TLR membrangebunden vorkommen, treffen sie auf einen Bindungspartner und lösen über Adaptermoleküle die Produktion von Transkriptionsfaktoren und von Zytokinen aus.
TLR sind ideale Zielstrukturen für künstliche Agonisten, die Immunreaktionen gegen Tumoren oder Krankheitserreger verstärken sollen. So wird das Molekül TLR 9 mit synthetischen CpG-haltigen Oligonukleotiden für die Therapie von Autoimmun-, Krebs- und Infektionskrankheiten angesteuert. Eine Variante in der Krebstherapie ist die Kombination mit Tumorantigenen, um auch eine spezifische T-Zellantwort zu induzieren.
Prof. Dr. med. Daniel Speiser vom Ludwig-Institut für Krebsforschung an der Universität Lausanne berichtete in Bonn, wie CpG-Oligonukleotide als Adjuvans verwendet und dabei auch mit herkömmlichen Adjuvanzien kombiniert werden können. So habe ein synthetischer Agonist von TLR 9 (CpG 7909) in Kombination mit inkomplettem Freund- Adjuvans plus einer Mischung von Melanom-Antigenen in einer Pilotstudie mit 24 Melanompatienten (Stadium III/IV) nach der vierten Vakzinierung im Abstand von jeweils einem Monat zu einer zehnfachen Steigerung antigenspezifischer CD8-positiver T-Zellen bei allen Probanden geführt. Kommerzialisiert werden TLR-9-basierende Therapiestrategien durch das Unternehmen Coley Pharmaceuticals, das seine deutsche Niederlassung in Langenfeld hat.
Drei Klassen von CpG-Oligonukleotiden induzieren die TLR-9-vermittelte Sekretion verschiedener Zytokine unterschiedlich stark. Abhängig von Indikation und Kombinationspartnern lässt sich das Verhältnis von erwünschten zu unerwünschten Effekten über die verschiedenartigen CpG-Oligonukleotide optimieren.
CpG-Oligonukleotide sind für verschiedene Indikationen in klinischer Prüfung. In einer Phase-II-Studie mit 112 Patienten, die an nicht kleinzelligem Bronchialkarzinom (NSCLC Stadien IIIb/IV) erkrankt waren und eine Standard-Chemotherapie (Taxan plus Cisplatin) erhielten, lebte jene Gruppe, die zusätzlich zu den Zytostatika CpG 7909 erhielt, mit durchschnittlich 12,2 Monaten knapp doppelt so lange wie die Probanden im Kontrollarm (6,8 Monate im Mittel).
Jetzt wird in zwei Phase-III-Studien, die Coley für das Unternehmen Pfizer Oncology durchführt, die Wirksamkeit des CpG-Oligonukleotids intensiver geprüft mit Patienten, die an metastasiertem NSCLC erkrankt sind. Oligonukleotide werden auch für die Behandlung anderer Tumoren, wie Nierenzellkarzinom, Brustkrebs, kutanes T-Zell- sowie Non-Hodgkin-Lymphom, klinisch untersucht.
Individueller RNA-Cocktail gegen malignes Melanom
Ebenfalls in klinischer Prüfung ist der TLR-9-Agonist CpG 10101: Die Substanz soll die Immunantwort bei Hepatitis-C-infizierten Patienten verstärken. In einer Phase-Ib-Studie mit vorbehandelten Probanden wurden zwei von 15 Patienten nach zwölf Wochen Standardtherapie mit Interferon plus Ribavirin HCV-negativ, gegenüber sieben von 14 Patienten, die zusätzlich CPG 10101 erhalten hatten.
Gereinigte, einzelsträngige messenger-RNA (mRNA), die mit Protamin vor dem Abbau geschützt werde, sei ein guter TLR-vermittelter Immunstimulus, betonte Prof. Dr. rer. nat. Hans-Georg Rammensee von der Universität Tübingen. Der Ansatz der Tübinger Arbeitsgruppe: Ein Cocktail stabilisierter mRNA-Moleküle, die die genetische Information für möglichst mehrere Tumorantigene, zum Beispiel eines Melanoms, enthalten, soll sowohl unspezifische als auch spezifische Immunreaktionen ankurbeln.
„Wir haben gesehen, dass solche Cocktails spezifische IgG- und T-Zell-Immunantworten auslösen können, wenn sie Melanompatienten intradermal injiziert wurden“, sagte Rammensee zum DÄ. Er könne sich vorstellen, dass künftig mRNA-Cocktails als Vakzine gegen Krebs individuell mit Bauanleitungen für die beim einzelnen Patienten vorhandenen Tumorantigene zusammengestellt würden.
Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze


Toll-like-Rezeptoren

Eine erste Abwehrfront gegen Krankheitserreger bilden Systeme der angeborenen Immunität: In den Körper eingedrungene Bakterien oder Viren müssen rasch als potenzielle Pathogene erkannt werden. Eine Gruppe von Rezeptorproteinen, die sogenannten Toll-ähnlichen Rezeptoren (TLR), sind spezialisiert auf die Erkennung von molekularen Fingerabdrücken, über die Bakterien von Viren unterschieden werden können. Während solche Fingerabdrücke von Bakterien, wie beispielsweise Endotoxin oder bakterielle Lipoproteine, schon seit Längerem bekannt sind, war lange Zeit unklar, anhand welcher molekularer Fingerabdrücke die unspezifische Immunabwehr Viren identifiziert. Heute ist bekannt: TLR erkennen virale Proteine und Nukleinsäuren.
Bislang sind bei Vertebraten 13 verschiedene TLR identifiziert worden, davon zehn beim Menschen. Durch den Kontakt mit Krankheitserregern werden die TLR stimuliert. Dadurch wird eine Signalkette in der Zelle angestoßen, die zur Aktivierung von Abwehrmechanismen des Immunsystems, wie beispielsweise der Bereitstellung von Makrophagen, und zur Produktion von Zytokinen führt. Toll-like-Rezeptoren finden sich bei allen Säugetieren, treten aber auch bereits im Pflanzenreich und bei Insekten auf.

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