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Stationentheater Eggiwil

Bauernkrieg 1653

Stationentheater Eggiwil, Skript

BZ über den Bauernkrieg 1653:
(1) Der Aufstand
(2) Aufständische
(3) Die Gnädigen Herren
(4) Interview

Zwei Eide - eine Annäherung an Niklaus Leuenberger
Referat vom 10. August 2003 in Rüderswil

 

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Stationentheater Eggiwil, 15. Januar - 2. Februar 2003

 Eine Nachtwanderung auf den Spuren des Schweizerischen Bauernkriegs von 1653 – hier, wo alles begann

 Szenario von U.H., ungekürzte Fassung
* nicht aufgeführte Szene

Bilder von Hans Wüthrich, Langnau
, und aus dem Fotobuch von Hans Kern, Eggiwil

 

Schuldenbauer 1653TäuferErste Versammlung auf dem GiebelDer PrügelschmiedLandsgemeinde von SumiswaldSeilbahnMüliseilers HausVerpflegungDie SchulstubeWachen vor BernDie Gnädigen Herren der Stadt BernBauernlager vor BernRückfahrt mit dem FuhrwerkDer GalgenSchuldenbauer 2003*

   

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Szene Höllhüsli 1
Personen:
Michel Ermel, Schachenbauer (Roland Berner). Johanna Ermel, seine Frau (Kathrin Jungen / Sandra Gerber)

Das Schuldenbäuerlein, 1653

Quelle/Idee: Situation und Rede des Höllschachen-Bauern aus dem Jahr 2003 (Schlussszene) sind nahezu unverändert ins Jahr 1653 übertragen.

Der Schuldenbauer sitzt am Tisch seiner finsteren ärmlichen kleinen Rauchküche: Talglicht, alter Herd, einige angerostete Gegenstände liegen rum. Die Küche wirkt schmuddelig – schwarz vom Rauch. An der Wand ein Bild von Wilhelm Tell. Seine Frau steht am Herd und kocht eine Weinwarm-Suppe. Sie bietet den Gästen Kacheln mit Weinwarm an.

Michel Ermel: (zu den Ankommenden): Ja, chömet nume! Tüet nid schüch! Machet nech’s bequem i üsem Heim! Hänneli– gib ne doch es Chacheli Wywarm, üsne Gäst! Viu hei mir nid, aber mir teile’s gärn mit de Lüt us dr Stadt. (Etwas spöttisch). Dir syt ja sicher die, wo bim gägewärtige Pryszerfall aube no ne Batze druf leget am Märyt. – Hättet nid ddänkt, dass es im Bernbiet no Möntsche git, wo so läbe, he!? Isch chly öppis anders als ds gmüetleche Landläbe uf eune Campagne!
Mir läbe hie halt scho a stotzige Höger. U Heimatland!, wenn i dänke, dass mer no vor zäh, zwölf Jahr no über füfzg Batze für nes Schaf hei bercho, u jitze... söll’s bau nüt meh wärt sy. Während em grosse Chrieg hei di Gnädige Here für üsi Ware Höchstpryse festgleit. U jitze, wo verarmeti Soldate uf ds Land ströme, wo Wassergrössine ds Land verwüestet hei u überhoupt alls bachab geit, gäbe si nis öbe Mindestpryse? Ja, chasch dänke. Da söll mer mal eine-n erkläre, wo da d Logik isch.
Mir cheu gar nümm richtig pure wie dr Vater u Grossvater. Es lohnt sech nümm.
U jitz chömet mer ja nid: i heig dr Aaschluss verpasst! Ja nid! I ha würklech alls probiert, es geit ja schliesslech um mys Überläbe. Zersch sy si cho: es sygi Chrieg ringsume, es chömm nüt meh yne us dr Lombardei u us Frankrych, mir müessi jede Plätz beboue, wo no irgendöppis häre gäbi. Me söll Land derzue choufe, Gülte-n ufnäh, di füf Prozänt syge fasch gschänkt, u überhoupt sygs e vatterländische Pflicht. Guet. Aber hie im Schache isch das nid ganz gfahrlos. De geit dä Chrieg z Änd, d Pryse geheie y Chäller, d Ämme chunnt höch u verwüestet alls. Jitz heisst’s eifach: im Schache dörf me nümm aaboue. U d Gülte, d Hypothegge, die blybe. Mi cha se nid mal zruggchoufe. Ja nu... Veh söll me züchte. Ämitaler Ross heige-n e guete Name. Aber ds Salz muesch nach Langnou gah hole u d Salzdiräktore verdiene sech e goldegi Nase a üsere Viehzucht, u de chöme neui Stüre für d Usfuehr vo Vieh, wie wenn’s nid scho schwär gnue wär, di Ross de Lamparte z verchoufe. U wo n i jitz uf e Winter hi doch no zweu Rössli abgstosse ha, chunt no das verreckte Münzmandat – u das Hüfeli Batze, wo-n i bercho ha, isch nume no d Hälfti wärt.
Überhoupt: lueg mal nume di Mandat, gopf! Wosch dert es Schürli ufstelle, geit das nid, oder wosch es dym Brüetsch verchoufe, geit dies nid. U dr Landschryber z Signou u ersch rächt d Ratshere u Kanzliste z Bärn unde suehle sech i däne Papierhüfe u verdiene immer meh dra – u mir gly nüt meh.
I ha weiss Gott alls mügleche probiert, z läbe wie’s am Schultheiss gfallt, i Demuet u Ghorsam, u derby mir sälber z hälfe. Lueg mal: kennsch das? (zeigt den Musikkäse). Ä-ä (Nein). Das hei mir es paar zäme-n entwicklet. Musig-Chäs! Wenn d ne zwüsche de Zähng hesch, macht er Musig! Gloubsch nid!? Probier mal (reicht den Gästen Käse). Chasch ne y Sack näh, wie Nüssli oder e Bitz Brot. Mir sy cho derby am Schiesset uf Chemmeribodebad. Dert verchoufe si ne ir Pouse. Jitz luege mer o mit de Märyte u de mit de Lamparte. I ha scho gredt mit em ne Händler, wo ne y Lombardei wott mitnäh. Guet, he?
Aber we das nid superguet louft mit däm Musig-Chäs, de weiss i o nüm. Was söll I de?
Als Handwärcher ir Stadt wirde-n i nid aghoh, i bi halt nume ne Pur, u scho chly älter. Einisch ir Wuche chan i z Signou im Schloss gah Wach stah, so im ene rot-schwarze Mantel – gäu, Hänneli – aber das längt no niene hi. Herrgott! Mir cheu-n is doch nid i Luft uflöse! Gah suufe, bis si eim ufläse u versorge? De berchämsch ämu öppis z frässe. U ds Land hie cha vergande – isch de nümm mys Problem, es wirft ja einewäg zweni ab.
(Zu Hänneli:) Lue wieder mal chly zum Härd! Werum starrisch da di ganz Zyt dä Täll a?

Hanna: Du isch nume nydisch, Michu! Dä isch e Landmaa gsy wie du. U dä het’s zu öppis bracht. U du hocksch nume-n ume da i däm Loch u chlagschs de Lüt. U mys Schicksal isch, dass i das gäng muess mit alose.

Michel Ermel: Lue doch mal das ufbblasene Gwand a. Mit däm wett i ämu nid tuusche u de Jahrhunderti ar Wand hange...

Hanna (unterbricht): Das chönntsch o nid! Das wär ja e pynlechi Nummere – dr Höllschache-Pur bim Tälleschuss! Würdsch äuä em Gessler ir Pouse welle dyni Chäsli verchoufe.

Michel Ermel: Du versteisch mi falsch! Das isch mys Schicksal! I wott säge: Eigentlech bin i gärn das wo-n i bi. Pur! I möcht nüt anders. Bis vor – ja – öppe em ne Dotze Jahr ha-n i o no gwüsst, für was i da bi. Ja – defür luege, dass d Bevölkerig z ässe het, o i schlächte Zyte. Das isch d Pflicht vom Purestand. Zu Zyte vo Wallenstein u vom Schwedechönig – a üsne Gränze – , da sy mer no gschätzt gsy, d Pure u d Landschaft. Sogar dr alt Schultheiss Daxuhofer, da cheut der säge, was der weit – dä het sy Sache ganz ordeli gmacht. Der letzte seiner Art! Dä het no gluegt zu syne-n Underthane wie äbe-n e richtige Landesvatter. Aber hüt... di letschte Rächt wärde-n eim no gnoh, d Here führe sech uf u regänte wie dr Chünig vo Frankrych.
Vilech... vilech sötte mer wieder mal Hunger ha, für z merke, we’s a z Läbige geit, was mer eigetlech mache. U de würd me wieder gseh, was dr Pur eigetlech isch: eine wo derfür luegt – wo Sorg het zum Bode, u äbe: eine, wo Tag u Nacht derby isch, wo Freud het a däm, wo nis d Ärde schänkt.

So, göht jitz, chöit dusse wyter ässe! Gspüret nume mal chly d Chälti! Tuet nech guet.
Löht mi i Friede !

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Erzählerin Hofackerstutz (Kathrin Bühler)

Stoff: Auf dem Hofacker hausen Altevangelische, wie sie sich nennen: Täufer.
Die Täufer werden von der Oberkeit verfolgt. Sie sind hier im Eggiwil akzeptiert, sind aber Fremden gegenüber sehr vorsichtig.

Die Erzählerin muss die Gäste (vom Holzhaus) zum Hofacker hinauf führen. Sie muss während der Szene bei den Gästen bleiben und diese nach dem Verschwinden der Täufergruppe – nach warnendem Hornsignal – weiterleiten.
Sie ist eine Magd auf dem Hofacker, deshalb singen die Täufer auf dem Hofacker weiter, als sie sich mit den Fremden nähert. Als aber ein Alarmhorn zu hören ist (betätigt von der Helferin/Abwascherin am Stutz) fliehen die Täufer. Die Erzählerin erklärt: Das Hornsignal habe die Altevangelischen vor einer nahenden Täuferjagd gewarnt. Jetzt ergriffen sie rasch die Flucht und kämen auch nicht mehr wieder. Das Publikum solle weiter gehen, hinauf zum Giebel.

 

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Szene Hofacker
Personen: Täuferlehrer (Martin Brunner), Täuferinnen (Jeanne Schneeberger, Alice Röthlisberger, Annelies Reber, Franziska Hiltbrunner)

Täufergesang

Grundlagen: Der täuferische Glaube war im Eggiwil stark verbreitet. Das war für die Obrigkeit ein Grund für den Kirchenbau im Eggiwil von 1631. Ueli Gallis Frau (Barbli Nüwkompt) sei eine Täuferin gewesen, auch seine Mutter, er selber sei in die täuferische Lehre gegangen. Der Hofacker war ein bekannter Täuferhof, zur Zeit des Bauernkriegs bewohnt von der Familie Stauffer.
Die Gnädigen Herren vermuteten hinter dem Aufstand von 1653 täuferische Umtriebe, was aber kaum in wesentlichem Mass zutraf. Die Verfolgung der Altevangelischen oder Taufgesinnten durch angeheuerte Trupps von “Täuferjägern” nahm im Lauf des 17.Jahrhunderts zu, doch waren diese im Eggiwil wenig erfolgreich, da die Bevölkerung die Täufer durch Hornsignale meist rechtzeitig warnte. Täuferverstecke in Häusern sind im Eggiwil nicht bekannt. Nach Auskunft von Jeanne Schneeberger versteckten sich die Ta
ufgesinnten jeweils in den Höhlen beim Rebloch.
Unser Täuferchor singt das Loblied, das 131.Lied des Ausbunds, des mennonitischen Gesangbuchs von 1712. Die Singweise richtet sich nach (seltenen) Aufnahmen von amischen Gemeinden in Indiana. Der Vorsänger singt jeweils die erste Silbe eines Verses vor, dann fällt der Chor unisono in den schleppenden, fast gregorianisch anmutenden stark phrasierten Gesang ein.

Die Taufgesinnten singen auf der Laube des Hofackers, bereits wenn sie die Laterne der Erzählerin sehen.
Sie singen weiter, während sie die Gästegruppe unter ihnen auf dem Vorplatz versammelt (Variante zur Stimmschonung: der Täuferlehrer kann nach kurzem Gesang mit einer Nadel in die Bibel stechen und der Gemeinde die betreffende Stelle vorlesen).

Während des Gesangs ist ein Horn (Warnsignal) zu hören. Die Taufgesinnten brechen den Gesang ab und ziehen sich in ihr Versteck zurück (kommentiert durch die Erzählerin).


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Erzählerin auf dem Wasenweg zum Giebel
(Ruth Siegenthaler)

Stoff: Altjahrswoche 1652. Da oben ist der Giebel, Ueli Gallis Haus. Heute abend findet dort die erste Versammlung der Landleute statt, die sich gegen die Münzabwertung wehren wollen. Die Versammlung hat schon begonnen. Die Gäste sind spät dran!

Idee Ruth: sie wird als Tochter von Ueli Galli - Margret Galli - auf ihrem Lieblingsbaum sitzen und die Gäste hier begrüssen.


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Szene Giebel
Personen:
Ueli Galli, Giebelbauer Eggiwil (Stephan Hottenberg) / Seine Frau Barbara (Marianne Balmer) / Michel Haldemann von der Holzmatt, Chorrichter im Eggiwil, mit Ueli Galli verschwägert (Hans Wüthrich, Mittlerberg)) / Daniel Küpfer, Pfaffenbach bei Langnau, ehemals Schmied von Höchstetten (Theo Stalder) / Hans Kräyenbühl, Schmitte, Trub (Walter Vetter).

Die Versammlung auf dem Giebel, Altjahrswoche 1652

Historisches: In der Altjahrswoche 1652 fand an dieser Stelle in Ueli Gallis Haus auf dem Eggiwiler Berg tatsächlich die erste Versammlung der Berner Landleute zum Vorgehen gegen das Münzmandat statt. (Die Entlebucher hatten sich eine Woche zuvor in Schüpfheim getroffen). Die im Theater dargestellten Personen waren nachweislich anwesend, neben einem halben Dutzend weiteren Männern aus dem Eggiwil, aus Langnau und dem Trub.
Ueli Galli sagte in seinem Prozess aus: er habe damals den Thunerbrief verlesen. Beschlüsse der Versammlung sind nicht bekannt, doch wurde vermutlich bereits die Landsgemeinde am Langnauer Märit vereinbart.

Die Szene spielt in der Stube von Gallis Haus, dem Giebel am Eggiwiler Berg. Vor dem Haus die zwei Pferde von Küpfer und Haldemann.
Wegen Überlänge der Szene werden hier jeweils zwei Gästegruppen miteinander eingelassen. Jede zweite Gästegruppe muss draussen ca. 6 Minuten warten. Wenn möglich tritt Hans Rüegsegger (Urs Hostettler), Weibel von Röthenbach, den Ankommenden entgegen, erzählt ihnen vom Zug nach Thun im Jahr 1641, wie Ueli Galli de facto zum Anführer der Emmentaler aufstieg. Fragt nach der Herkunft und der Gesinnung der Leute, weil die Versammlung geheim sei und man Spitzel der Oberkeit nicht einlassen könne.

Galli, Küpfer und Haldemann sitzen am Tisch. Barbara, die Hausfrau auf dem Giebel, kocht in der Küche Weinwarm. Sie begrüsst die Neuankömmlinge, holt auch etwas später eintreffende Gäste noch in die Stube rein, schafft Platz für sie.
Hans Kräyenbühl kommt spät und ist ortsunkundig. Er kommt mit einer Gästegruppe ins Haus und setzt sich mir ihr in die Stube.


Barbara Galli (beim Eintreffen der Gäste): Suechet dir dr Giebu? Da syt der richtig, di angere warte scho. Die syt e chly spät. Chömet numen yne! (Geleitet die Gäste in die Stube).

Ueli Galli: Chömet, machet nechs bequem !
Weist den Gästen Plätze an. Galli, Küpfer und Haldemann begrüssen die ersten Gäste einzeln, bitten sie an den Tisch, stellen sich mit Namen vor. Haldemann kennt Kräyenbühl und stellt diesen Galli kurz vor: von der Schmitte im Trub, Haldemann hat ihn für heute aufgeboten.
Später eintreffende Gäste werden stumm eingelassen und in der Stube verteilt, auch wenn Haldemann schon mit seiner Begrüssung begonnen hat.

Michel Haldemann: (stellt sich vor der Rede nochmals namentlich vor – so sollen es auch alle anderen tun, wenn sie erstmals das Wort ergreifen) Haldimaa Michu, Houzmatt.
Haldemann hat seine Ansprache vorbereitet – er kann einen Spickzettel verwenden – allerdings mit altem Papier und ungeübter Schrift oder Zeichen.
Für die, wo mi no nid kenne – i bi dä, wo di meiste vo euch yglade het. Es freut mi, dass der trotz (dem garstigen Wetter /dem vielen Schnee / der eisigen Kälte) dr Wäg y ds Eggiwil ufe gfunde heit. – E chly spät syt der! (Schaut auf die Uhr). Mir hei gseit: uf die (nennt die letzte abgelaufene volle Stunde). I bitte znächst mal um pünktlechs Erschyne.
Dass mer nis usgrächnet hie obe im Giebu versammle, het e guete Grund: dr Galli Ueli isch denn im 41i a dr Spitze vo de Landlüt gstande, wo mer vor Thun uszoge sy u-n am Änd e Freiheitsbrief hei übercho – der Thunerbrief, die ältere under euch bsinne sech sicher no dra (mit älteren Semestern im Publikum nach Bestätigung heischend den Blickkontakt suchen).
Mir sy gwüss, dass nis dä Thuner Freiheitsbrief jitz gueti Dienste wird leiste, we mer gäg die Batzenabwärtig wei aagah. U mir freue nis, dass der Üelu das wieder wott y d Hand näh.

Ueli Galli: Merci Michu! I möcht nume derzue säge, dass i denn vor Thun bi wytem nid der einzig bi gsy. Dr Küpfer Danu, hocket da näbe mir, er isch eine vo den alte Garde, denn no Schmied z Höchstette, jitz z Langnou, u ...(blickt über die Köpfe hinweg zum Eingang) isch der Röthebach-Weibu jitz cho?

Barbara Galli: antwortet je nach Situation: er ist bei ihr in der Küche - draussen, erwartet noch Nachzügler - noch nicht erschienen.

Ueli Galli: Das wär o eine, wo het mitghulfe.
(Wenn er nicht da ist:  Dä muess no Hüehner abhole. Er chunnt de scho no.)
(Auf eventuelle Nachfrage: Weibel Rüegsegger muss in der Altjahrswoche jeweils von jedem Haushalt der Gerichts Röthenbach ein Huhn eintreiben und das Federvieh an Silvester nach Bern führen – eine alte Pflicht des Niedergerichts Röthenbach).
Danu: würdsch du das mit em Münzmandat mau zämefasse?

Daniel Küpfer: Mynetwäge. Auso. (Erhebt sich, spricht zur Versammlung).
Dr Alass vo üsem Träffe isch di verblüemereti Münzabwärtig.
Di meiste vo euch kenne d Bärnbatze nume so, wie si hüt sy: rots Chrückemünz. I kennes no anders. Vor vierzg Jahr, vor em grosse Chrieg, isch im Bärnbatze no ordeli Silber gsy.
De sy äbe di Rötlinge cho, wo am Afang niemer het welle. Di Gnädige Here hei betüüret; dass si di rote Girglebatze immer zum volle Wärt wärde aanäh, dir kennet der Spruch: “Batze wärde Batze blybe, solang d Stadt Bärn besteit!” U mit der Zyt het me nes ggloubt.
Jitz wärte si ungereinisch dr Batze um d Hälfti ab! U zwar zum ne Zytpunkt, wo gägenüber Bure u em Gwärb – pardon – e Frächheit isch, e richtige Chlapf zum Gring. Gnau am Sunnti nach em grosse Bärner Märit.
Di Here Bärnburger hei scho Tage vorhär gwüsst, was planet isch, si hei wie di Wilde ygchouft, u a däm Sunnti isch würklech fasch alles Chrückemünz bi de Landlüt gläge.
Chunnt derzue, dass alli üsi Abgabe i Silbergäld berächnet wärde, also i alte Batze grächnet ds Dopplete choste. All das, wo mir azbiete hei, sygs us Burerei oder Handwärch, handlet me-n aber i Batze. D Pryse sy syt Jahre gsunke-n u gsunke – es söll mer niemer verzelle, dass mer jitze uf ei Schlag ds Dopplete chönne heusche. Churz: die, wo uf em Land jitz no einigermasse guet gläbt hei, wärde i nes paar Jährli verlumpe. Gar nid z rede vo däne, wo jitz scho am Hungertuech nage!

Ueli Galli: I gseh’s o so. U drum wei mer luege, was mer – ganz nach Rächt u Gsetz – gäg die Uverschämheit vo de Stadthere für ne Handhabi hei.
I liese nech mal vor, was nis der Thuner Freiheitsbrief verspricht.
Ueli Galli breitet das Dokument vor sich aus, eine Abschrift des Thunerbriefs. Er kann nur schlecht lesen, aber er kennt die wesentlichen Stellen auswendig und spricht damit einigermassen fliessend.

Daniel Küpfer: (während Galli den Thunerbrief bereitlegt) Aber jitz säg nid, dä heigsch sälber abgschribe!

Ueli Galli: Nobis. Der Schuelmeister... da ha-n i s.
Zersch das wägem Salz (liest): “Als namlich des Saltzes, des Pulvers und derglychen Sachen mehr anbetrifft: Söllen die Underthanen Ihrem ertheilten Rat nach, dieselben an Ihre Liebe Oberkeit Supplications-weis gelangen lassen, nit zwyffelnde, dass man Inen die Gnadenhand bieten und gebürlich begegnen werde.”

Michel Haldemann: (leicht entrüstet – er hat kaum was verstanden) Das isch aber ume nes Dütsch!

Ueli Galli: Ja... das wott säge: wo Vorschrifte – jitz wirtschaftlech gseh – ds Landvolk eisytig belaste, sölle mer e Bittschrift nach Bärn bringe, u ohni Zwyfel wärd me nis entgägecho. Äbe wägem höche Salzprys “und derglychen mehr” – we da d Münzabwärtig nid drunder fallt, unter “dergylchen mehr”, weiss i o nüt meh.
Aber i ha no ne zwöiti Stell, wo für üs gloub no fasch interessanter isch... wart mal... (sucht die Stelle)
“ ...dass eine Hoche Oberkeit Ihren Underthanen jewylen für Brief und Sigel Freiheit und Gerechtigkeiten gönnen und gegeben, (...) soll es by denselben durchus zu allen Puncten unabbrüchlich sein Verblyben haben.”
Di Gnädige Here müesse die Freiheite u Rächt, wo si mal gwährt hei, für alli Zyte yhalte. Äbe “unabbrüchlich”. U we si mal erklärt hei “Batze sölle Batze blybe” sy si verpflichtet, sech dra z halte. Solang d Stadt Bärn besteyt! Da druf chöi mer boue.

Hans Kräyenbühl: Chräyebüel Hans, Schmitti, Trueb. I wott nid dryrede... aber wenn i rächt verstande ha, steit da vo Grächtigkeite, wo mit “Brief u Siegel” syge gwährt worde, also in Schrift. Hei mer’s de schriftlech, das mit de Batze, wo für immer sölle Batze blybe?

Ueli Galli: (denkt nach)  Irgendeine het das sicher ufgschribe... z Bärn sälber, würd i meine. I bi ke Notar. Das muess me no abkläre.

Daniel Küpfer: Aber Achtung! We si merke, was mer sueche, sy die Schriftstück im Archiv plötzlech verschwunde – es wär nid ds erst Mal.

Pause. Ein Moment der Stille.
Barbara Galli: Wott no öpper e Wywarm?

Michel Haldemann: O wie göh mer jitz wyter vor? ... So, Vorschläg!

Hier kommen evtl. Vorschläge aus dem Publikum, die sachte zurückzuweisen sind, resp. zu begrüssen, wenn sie den unten stehenden Fortgang der Bauernbewegung wiedergeben, sich darin einfügen lassen.

Rückweisungsgründe (können alle SchauspielerInnen nach Gutdünken und Situation einwerfen – wünschenswert wäre eine Ausarbeitung der unterschiedlichen Charaktere auch für die freie Diskussion):
- (Aufbruch nach Bern mit Waffengewalt): Unsinn! Was vermögen wir allein gegen Bern. Bevor wir an so was auch nur denken, müssen wir die Landleute im ganzen Bernbiet und wenn möglich auch im Luzernischen sammeln – die Entlibucher und die Willisauer leiden nämlich auch unter der Abwertung. Die sind auf die Märiten von Langnau, Huttwil und Langenthal ausgerichtet und haben sehr viele Bernbatzen. Vielleicht sollten wir sogar den Kontakt mit den Bürgern und Hintersässen der Städte suchen – diese Handwerker und Handlanger sind auch beschissen worden.
- (Bittschrift/Protest abfassen und nach Bern bringen): Was hören die Gnädigen Herren auf eine Bittschrift von einem Dutzend Landleuten?Ja, Ueli Galli und Küpfer standen vor zwölf Jahren an der Spitze der Bauernschaft. Aber sie haben kein offizielles Amt – die Landesämter sind im Bernbiet abgeschafft (ob zu Recht? das wär auch noch zu untersuchen!). Ein Alleingang – das wird nur Strafen hageln. Zuerst müssen wir uns mit der ganzen Landschaft absprechen.
- (Schriftstücke suchen, welche die Wertgarantie der Batzen  belegen): Ja, sicher, schon gut! Da ist ein Spezialist gefragt. Aber was tun wir? Nur warten und Däumchendrehen?
- (eigenes Geld prägen oder eigene monetäre Ordnung einführen): Gute Idee! Falschmünzerei wollen wir nicht betreiben. Doch wir könnten das Münz von Solothurn, von Luzern oder Zürich annehmen. Aber der Verlust auf den Batzen bleibt bestehen, die Batzen sind nicht wegzuzaubern. Und die Städter werden nach wie vor mit Batzen bezahlen. (Tatsächlich wurden Berner Landleute in Solothurn vorstellig und anerboten, Solothurner Münzen an Stelle der bernischen anzunehmen. Solothurn musste aber wegen seines Münzverbandes mit Bern ebenfalls abwerten).

Barbara Galli: I cha nech scho säge, was der müesst mache.

Hans Kräyenbühl: So? Was?

Barbara Galli: Nüt!

Hans Kräyenbühl: Nüt? Im Ärnst? Nüt?

Barbara Galli: Bi däm stränge Winter blybe so alti Manne gschyder ir Stube. Nume Verruckti chöme-n uf d Idee, zmitts im Winter verusse Verastaltige z organisiere, da chunnt doch ke Chnoche. Wartet bis zum Langnouer Märit! De heit der Lüt grad zäme, u de rüefe-n eh all us wäg de Batze, wil’s es Gstürm git beim Händele.

Ueli Galli: Ja, guet... das het öppis für sech. E grossi Landsgmeind am Langnouer Märit, afangs März. Mit Verträter vo müglechst allne Gmeinde vom Bärnbiet, vom Aargäu bis zum Oberland, u o mit den Äntlibuecher, di sy de o am Märit – di hei ordeli Bärner Gäld u flueche nid schlächt. U we die loslege... de räblet’s!
De sammle mer alli Chlage i’re gmeinsame Bittschrift vo allne Undertane. ... Z Langnou! Das git es Fest!

Daniel Küpfer: Werum lueget der mi alli so a ? (macht Galli nach) “Langnou”, “Langnou” – heit der nech ja guet usddänkt! U wär söll äch die Landsgmeind vorbereite? Dr alt Chüpfer dänk? Schmiedet ja nümm, het Zyt wie Heu...

Michel Haldemann: Danu – merci für di begeistereti Zuesag! Di Sach isch gritzt. I ha nes paar jungi Type hie im Eggiwil, wo d Lüt chöi ufbiete, o dört, wo si normalerwys nid z Langnou z Märit fahre.

Hans Kräyenbühl: I chönnt ds obere Aargou übernäh. Aber no üppis: Vergässet nid das wäg de Brief u Siegle – das schynt mer fasch ds Wichtigste.

Ueli Galli: I weiss. Also… (zu Publikum) cha eine vo euch guet läse?
Wer sich meldet, wird mit Applaus bedacht, nach Name, Herkunft und Beruf gefragt. Wenns jemand aus der Stadt ist, der sich von Berufes wegen für Schriftstücke der Staatskanzlei interessieren könnte: um so besser.
De übernimmsch du das! Geisch z Bärn uf d Staaskanzlei u luegsch düre, was dört alls über d Batze steit – so i de Zwänzgerjahr vor allem. Aber kes Wort vo üsere Versammlig!
U vergiss nid: d Hoffnig vo der ganze Landschaft lyt uf dir, (Name)!

Uf Wiederluege bis am Langnouer Märit – u jitz stosse mer no alli a: uf üse (Name)!

   

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Erzählerin auf der Strasse zur Schmitte
(Franziska Gerber)

Stoff: Anfangs März1653. Die Berner Landleute wollten bis zum Langnauer Märit abwarten, Winter und Kälte vorbeiziehen lassen. Aber im Luzernischen droht jetzt schon der offene Krieg auszubrechen. Die Entlebucher schmieden Knüttel, gfürchige Nahkampfwaffen für all diejenigen, die keine Muskete besitzen. Die Herren der Eidgenossenschaft haben zum Feldzug gegen die Entlebucher aufgeboten, auch im Bernbiet. Aber wir wollen eher für als gegen die Luzerner Landleute ins Feld ziehen. Auch Danu Willi, unser Eggiwiler Schmied, hilft kräftig mit bei der Bewaffnung des Landes und schmiedet Knüttel nach Entlebucher Art.

Die Strasse ist dunkel. Das Schmieden von Knütteln ist ein Staatsverbrechen und geschieht in aller Heimlichkeit. Die Erzählerin ist eine Eingeweihte, sie muss auf der Seite der Harten (Aufständischen) stehen. Sie kann (aber muss nicht) die Gäste bis zur Schmitte im Oberhaus führen.

   

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Szene Oberhaus
Personen:
Franz Willi, Schmied im Eggiwil (Klaus Maurer) / Schmiedknecht Hans Liechti (wechselnde Besetzung) / Christine Willi, Frau des Schmieds (Christine Kühni/Verena Wüthrich)

Schmitte Eggiwil, anfangs März 1653

Historisches: Am 28. Januar a.S. 1653 schrieb der Trachselwalder Vogt Tribolet den Gnädigen Herren nach Bern: im Entlebuch wolle Christen Schibi die „gefrornen Wahlen“ (bestens gerüstete spanische Söldner), mit denen die Luzerner Obrigkeit das Entlebuch zu überziehen gedroht habe, mit Knüttel aus dem Land treiben. Und bereits hätten zwei Langnauer Fuhrleute solche Knüttel ins Emmental gebracht. (Die Informationen stammten vom Schaffner zu Trub, einem bezahlten Spitzel).
Im März galt Hans Winkler als „Prügelschmied von Signau“. Die Knüttel nach Entlebucher Art wurden also auch hierzulande geschmiedet. Von Ueli Galli ist bekannt, dass er Winkler aufforderte, Linde zu härtnen – „Linde“, die es mit der Oberkeit hielten, zu „Harten“ zu machen, indem er sie über die Esse zog. – Franz Willi, der Schmied im Eggiwil, war einer der Männer, die zur ersten Versammlung bei Ueli Galli aufboten. Ob er in seiner Schmitte auch Knüttel herstellte, ist nicht nachzuweisen, aber wohl anzunehmen.

Im Entlebuch ist es zum offenen Aufstand gekommen. Die Luzerner Regierung hat in der ganzen Eidgenossenschaft um Hilfe nachgesucht. Überall wurden die Auszüger zum Feldzug gegen die Entlebucher aufgeboten, aber im (deutschsprachigen) Bernbiet ist kaum jemand dem Aufgebot gefolgt. Jetzt befürchtet man im Emmental den Einmarsch fremder Truppen, man solidarisiert sich mit den Entlebuchern.
Wie dies die Entlebucher Schmiede schon vorgemacht haben, stellt auch Franz Willi im Eggiwil “Knüttel mit Eisenstefzgen” her – Nahkampfwaffen.

Schmitte mit Esse und Amboss. An der Wand einige Erzeugnisse der Schmiedekunst (Pflug, Egge, auch schon einige Knüttel).
Willi und der Schmie
dknecht schmieden im Akkord – viele ‚Entlebucher Knüttel’ werden gebraucht. Sie können wackere Landleute (das Publikum) als Hilfskräfte gebrauchen und spannen die Leute auch zu Handlangerarbeiten ein (Klaus Maurer muss entscheiden, wo die Leute effektiv mit anpacken können). – Die Schmiede konzentrieren sich vorab auf ihre Arbeit, geben ab und zu Anweisungen an die HelferInnen oder Auskunft auf Fragen.
Die Frau wartet auf die Gäste – holt sie vor der Schmitte ab, in aller Heimlichkeit –,
fordert sie zur aktiven Mithilfe auf, hält die Gaffer zurück (nicht alle können helfen). Erklärt das Handwerk ihres Mannes, weist die Leute nach einigen Minuten auch wieder aus der Schmitte hinaus (durch das Tenn), teilt dabei grosse Gästegruppen. Sorgt dafür, dass die HelferInnen von neuen Kräften abgelöst werden (es sei denn, sie wünschen dabei zu bleiben bis der Knüttel fertig ist). Ist eine Waffe fertig, soll sie ein Helfer mitnehmen: das Reisen sei gefährlich zur Zeit, die Landleute müssten sich wappnen.

Im Tenn Beschallung: Das Entlebucher Tellenlied 1653.

 

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Erzählerin auf der Strasse nach Sumiswald
(Claudia Jaussi)

Stoff: 13.April 1653. Die Bauernschaft hat einige Erfolge feiern können. Der Streit im Luzernischen ist beigelegt. Als die Berner Herren wie überall in der Eidgenossenschaft zum Straffeldzug gegen die Entlebucher aufgeboten hatten, ging keiner hin. Fremde Truppen aus Basel hat man zum Glück (in Aarau) abfangen und vertreiben können.
Heute ist ein Festtag. Die grosse Landsgemeinde von Sumiswald. Die Bauern gründen einen grossen Bund, eine Tagsatzung (ein Parlament) der Untertanen. Einige Landstädte machen mit, einige Tausend Bauersleute aus Luzern, Bern, Solothurn, Basel und noch mehr werden erwartet, sogar die Herren sind eingeladen.
Wenn die Regierungen sich absprechen und ihre Truppen über die Grenzen hinweg verschieben, ist es höchste Zeit, dass auch die Untertanen sich zusammen tun. Man will sich Beistand versprechen und zusammen schwören. Alles soll mit erlaubten Mitteln geschehen. Eine Erneuerung des alten Bundes der Eidgenossen auf dem Rütli. Ein schriftenkundiger Lehrer aus dem Entlebuch hat alles ganz korrekt vorbereitet. Der alte Ueli Galli vom Eggiwil hat zur Landsgemeinde aufgeboten und wird sie eröffnen. Dann wird ein Bundesobmann gewählt – man darf gespannt darauf sein, wer das sein wird.

Die Erzählerin muss viel über die bevorstehende Versammlung erzählen – sonst wird die Installation auf dem leeren Platz schlicht unverständlich und verliert auch ihren Überraschungseffekt.
Die Landsgemeinde von Sumiswald ist keine heimliche Versammlung, die Menschen strömen in Massen nach Sumiswald  – die Gäste sind einige von ihnen.
Angesichts ihres Wissens ist davon auszugehen, dass die Erzählerin den Bund befürwortet. Sumiswald ist ein Fest, ein Höhepunkt der Bauernbewegung. Dieses Hochgefühl ist zu vermitteln, es wäre stimmungsmässig verfehlt, es durch eine nörgelnde oder heftig warnende Erzählerin zu brechen.
Sie muss wohl auch eine gewisse Strecke mit den Leuten mitlaufen, um genügend Zeit zu finden, den Stoff in natürlicher Weise rüber zu bringen.
Empfehlung: Doppelbesetzung. Claudia allein wird arg in Zeitnot geraten. Es wäre unangebracht, unterwegs Warteschlangen zu bilden, nur damit die Leute der Erzählerin begegnen können. – Die Leute werden am Ende des Wegs zum Einschreiben zur Versammlung etwas anstehen müssen.


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Szene vor Äbnit:
Personen: Daniel Schütz, Schreiber (Gregor Schefer) / Katharina Eggimann, Schreiberin (Christine Mader/Tanja Maurer)

Empfang zur Landsgemeinde von Sumiswald

Die Tagsatzung der Eidgenossenschaft (die Konferenz der Regierungen) hat den (Entlebucher) Rebellen in unflätigsten Worten Krieg und Vergeltung angedroht. Zwar wurde vor Luzern ein Frieden geschlossen und zwar versprachen die abgeordneten Landleute des Amtes Trachselwald in Bern feierlich Gehorsam, doch ist die Lage gespannt. Die Herren verschieben Truppen, verstärken die Mannschaften in den Schlössern. In der Tat hat die Tagsatzung heimlich ein ‚Defensionale’, einen gemeinsamen Kriegsplan gegen die Untertanen, ausgeheckt.
Den Landleuten wird bewusst, dass auch sie sich über die Kantonsgrenzen hinweg einigen und absprechen müssen und sich nicht gegeneinander aufwiegeln lassen dürfen.
In Sumiswald soll ein Bund geschlossen werden, ein Bund nach dem Vorbild der alten Eidgenossen. Heute versammeln sich hier gegen 2000 Landleute, aus jeder Gemeinde 2 Abgeordnete. Die Landsgemeinde hat nichts Heimliches an sich, sie hat Festcharakter, auch die Herren von Bern sind dazu eingeladen, auch Beobachter aus Zürich und einige Ehrengäste mehr, u.a. der Secretarius des Französischen Gesandten (M. de la Barde in Solothurn).
Die Oberemmentaler waren auf Berner Seite die treibende Kraft zu dieser Landsgemeinde, Ueli Galli wird sie eröffnen. Landespannermeister Emmenegger aus dem Entlebuch wird zum Bundesobersten gewählt werden, zum militärischen Führer des Bundes. Die politische Führung wird ein Bundesobmann aus dem Bernbiet übernehmen. Man war gespannt drauf, wer das sein würde.
Jetzt, da die Landsgemeinde schon im Gang ist, wissen es alle (auch die Schreiber): Niklaus Leuenberger vom Schönholz (Rüderswil) spricht als Obmann des neuen Bundes.

Schreiberin und Schreiber sitzen – mit Schreibzeug und grossen Listen ausgestattet – in der letzten Wegkurve unterhalb des Äbnits. Die Listen enthalten schon sehr viele Namen. Die Gäste gehören zu den Nachzüglern. Oben auf dem Äbnit ist die Landsgemeinde im Gang. Auch die Herrendelegation (mit Venner Frisching) ist schon eingetroffen, ebenso der Secretarius der französischen Ambassade, viele Landleute aus dem Luzernischen, dem Solothurnischen und dem Baselbiet.
Die Schreiber halten die Leute an.
Sie fragen nach Namen und Herkunft (Gemeinde) und schreiben diese Angaben auf.
Bei Leuten aus entfernten Gemeinden zeigen sie sich hoch erfreut, bemerken allenfalls: von so weit weg habe man wirklich keine Gäste erwartet. Bei unbekannten Gemeinden fragen sie nach dem “Gebiet” (dem Kanton).
Kommen Leute aus der Stadt Bern und tragen sie einigermassen altbernische Namen, so behandeln die Schreiber sie ausgesprochen höflich: sie nehmen an, diese Gäste gehörten zur Delegation der Berner Herren um Venner Frisching – ziehen eine Extra-Liste hervor und schreiben HERR ...  BERN  oder MADAME ... BERN – die Damen und Herren der Berner Burgerschaft seien hoch willkommen und sollten sich doch selber überzeugen, dass alles mit rechten Dingen zugehe – der Herr Venner Frisching und der Münsterpfarrer seien auch schon da.
Erklären sich Leute mit offenbar minderen Namen aus der Stadt, werden sie gefragt, ob sie von den Gnädigen Herren (der Regierung) geschickt seien? Vermutlich nicht. Dann: wir freuen uns besonders, dass auch Hindersässen aus der Stadt mit uns den Bund schwören wollen! (Wir haben ja alle die gleichen Probleme). Es soll ein Bund aller Untertanen werden, nicht bloss ein Bauernbund.

Vom Einschreibetisch begeben sich die Gäste hinauf zum Versammlungsplatz (Äbnit). Der Platz ist leer, akustische Installation.

 

Installation auf dem Aebnit

Landsgemeinde von Sumiswald, 13./23. April 1653

Leerer und unbeleuchteter Platz. Rundum aus Lautsprechern Geräusche einer Volksversammlung.

In der Mitte des Platzes ein beleuchteter Tisch mit den Namen der Hauptredner von Sumiswald, dazu je eine Taste, mit der die Gäste sich den gewünschten Redner aussuchen können.
Die Reden sind oft in einzelne kürzere Abschnitte unterteilt, damit eine einmal gewählte Rede nicht mehrere Minuten andauert.
Will jemand eine laufende Rede durch antippen einer anderen Taste unterbrechen, reklamiert der Tisch: Lasst ihn doch ausreden! Psst... Finger ab der Rösti! oder ähnlich.

EinE HelferIn muss aufpassen, kann sich unter die Leute mischen. Soll nicht die Szene erklären, kann aber z.B. beim Bundesschwur auf die Stimme Leuenbergers hören, niederknien, und die Leute auffordern, es ebenso zu machen.

Texte: Die Texte der Reden entsprechen - in gekürzter Form - den Reden, die gemäss Zeugenberichten an dieser Versammlung wirklich gehalten wurden. Eine unhistorische Zugabe ist Bauarbeiter Pfeuti aus Oppligen (Gölä).


DIE REDEN

Ueli Galli, Bauer aus dem Eggiwil (Stephan Hottenberg)

Im Name vo dr Bärner Bureschaft begrüesse-n i euch zu däm grosse Tag z Sumiswald. Dr 13. Aprille 1653, oder dr 23. für d Katholike unger üs, wird als grosse Tag y d Gschicht vo der schwyzerische Eidgenosseschaft ygah; als Tag, wo mir der alt Schwur vom Rütli erneueret u y schwäre Zyte es neus Mitenander vo allne Schwyzer gschaffe hei.
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Mir hei offizielli Verträter us vier eidgenössische Ständ under üs. I ha d Ehr, euch dr Chlous Leuebärger vom Schönholz vorzstelle. Er leitet die hütegi Landsgmeind – u-n er wird am neue Bund als Obmaa vorstah. Applous für e Chlous Leuebärger! (Spärlicher Applaus). So, chumm chly nächer Chlous, zeig di!
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Us em Äntlibuech sy die höchste Landesbeamte-n agreist: dr Pannermeister Hans Ämmenegger u dr Landessiegler Chlous Binder. Dr Chlous isch vo Äschlismatt, er het zum Zstandcho vo däre Landsgmeind viel bytreit, u-n er wird sicher o no nes paar Wort zue nech rede. (Applaus).
D Basler gseh-n i hie rächts vorne (Applaus), d Solethurner sy mehrheitlech dört um d Linde-n ume (Applaus).
Es wird no ne Huufe gredt wärde hüt – i mache jitz Platz für angeri, für jüngeri, u wünsche nech es guets Glinge.


Niklaus Leuenberger, Landwirt vom Schönholz, Obmann des Bundes
(Samuel Balmer)

I danke mym Vorredner für syni interessante-n Usfüehrige.
U euch alli bitte-n i doch um meh Disziplin. Eui Privatgespräch chöit der u usserhalb vom Ring füehre, u Lüt, wo derzwüsche rüefe oder meine, si chönne e Redner dür ne Chnopfdruck abstelle, chan i hie nid dulde. Dänket dra, dass o die hinderste no ds guete Rächt hei, d Rede z ghöre.
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Eues Verhalte zeigt mer o, dass mer hie u hüt chuum zu re allgemeine Zuestimmig über üse neu Bundesbrief chöme. Es chunnt vilecht für vieli e chly gar stotzig, mir müesse no über d Form diskutiere, u i ha d Organisatore gloub rächt verstande, we-n i säge, dass mer y re Wuche no mal wärde zäme cho. Bis denn hei mer de o dr Wortlut vom Bundesbrief usgfielet.
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Für hüt frag i nech eifach das a, wo der Sinn vo üsem Bund usmacht: Wei mir alli fest zämehäbe? (Zustimmendes Raunen).
Da dermit schyne alli yverstande – i gseh u ghöre ämu ke Gägestimm.
Wei mer dr Bund mit em ne göttleche-n Eid beschwöre? Oder gits Bedänke dergäge – dass me vilecht nume nes eifachs Gelübde wett ablege? (Raunen).
I gseh, mir sy eihellig für e-n Eid.
So bitte-n ech alli abzchneule u die rächti Hand zum Schwur z erhäbe.
(Pause. Dann feierlich:)
Wir, die hier versammelten Untertanen us vier Orten, wollen fest zusammenhalten und einander bystehen in Not und Gefahr.
(Dann die Eidesformel) Wie die Gschrift weist, die mir vorgeläsen ist, deren will ich nachgehen, erstatten und vollbringen, in guten Treuen, so wahr mir Gott helf, ohn alle Gefehrdt.
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Damit mir üse Bundesschwur o chöi düresetze, bestimme mir aschliessend e gmeinsame Chriegsrat. Zum General-Oberst isch dr Hans Ämmenegger vo Schüpfe vorgschlage, Landes-Pannermeister vom Äntlibuech. D Schryber nähme jitz wyteri Vorschläg us de einzelne Orte entgäge.
Das duuret es Wyli. Für die, wo’s jitz scho läng worde-n isch: mir träffe mir üs i einere Wuche wieder, am Mittwuch am 20 April, am dryssigste für d Katholike, um die glyche Zyt, u zwar z Huttu – i-n ere Stadt, wo ganz uf üsere Syte-n isch. Dört beschwöre mir üse Bundesbrief y syre ändgültige Fassig.


Niklaus Binder von Escholzmatt, Landessiegler des Entlebuchs (Hans Schmidiger)

Mir Luzärner Landlüt sy vor Luzärn zoge. Es sy Here us füf Orte cho, um üsi Chlage z beurteile. Sie hei e friedleche Schiedsspruch gfällt, wo allne Straffreiheit zueseit u no einiges meh.
E Wuche druf isch es Mandat vo dr Eidgenössische Tagsatzig erschiene, Da steit, d Undertane sygi “Aufwiegler und ihres gleichen böse Buben” , “ teils boshafte, teils unbesonnene und verirrte Leute”, wo dür schwäri Sünde gfählt heige. Üse-n Ufstand syg entstande wäge falsche Bhoutpige vo “wenigen verdorbenen, auch in Schulden und Nöten steckenden Personen, die andere mit ihrem Gift unter falschem Schein auch angesteckt haben.” Jedi “Zusammenrottung” – u da drunder verstöh si o freyi Landsgmeinde, wie die hüt – bedrohe d Here mit Lyb- und Läbensstraf.. U am Änd heissts no, die Unghorsame und Widerspänstige heige nüt dr Zorn u dr Fluech Gottes, o schwäri Straf un Ugnade vo der Oberkeit z erwarte.
Myni liebe Landlüt us em Bärnbiet u vo süsch überall – hei mir das under emne Friede mit de Gnädige Here z erwarte? I säge nech eis: Üsi Chlage u üse Bund sy gerächt, u es sy nid mir, wo sech über alti Freiheit u alli Versprächige hinwägsetze, sondern d Oberkeite!
Mir dulde nid, dass me-n üs derart beschimpft u belügt u bedroht.
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I ha grad vori es Exemplar vo üsne Chlage am Herr Baron überreicht, am Sécretaire vom französische Ambassadeur, wo hüt under üs wylet. Er het sech mit eme Goldgulde bedankt. Me gseht: o im Usland wärde mer ärnst gnoh. U um das wärde o üsi eigene Here gly nümm drum ume cho.


Ueli Schad, Weber aus Oberdorf BL (Dieter Albrecht, in Dialekt)

Mein Name ist Ueli Schad. Wie ihr hört, vertrete ich das Baselbiet. Ich bin nicht Bauer, wie die meisten hier, ich bin Weber im schönen Dorf Oberdorf.
Ich kann euch gute Nachrichten überbringen: die Stadt Liestal und ihre Bürger sind fest auf der Seite des grossen neuen Bundes!
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Am Gründonnerstag haben die Herren Dreizehn Liestal besetzt. Und weil sie keine Soldaten im eigenen Land gefunden haben: mit Söldnern aus dem Elsass und noch einigen Zuzügern aus Mühlhausen, mit Ausländern also. Das Kommando hat ein alter Oberst aus St.Gallen geführt, Zörnlin mit Namen. Eine unsägliche Truppe.
Wir haben Alarm geschlagen, über den Hauenstein hinüber bis ins Solothurnische, und innert Stunden sind wir mit über tausend Mann vor Liestal gestanden. Der Bürgermeister von Liestal meinte noch, er könne uns mit einem Fass Wein abfüllen und heimschicken. Da hat er sich aber bös getäuscht.
In der Stadt innen haben die Liestaler zu spüren bekommen, was man in Basel von ihnen hält. Als “Leibeigene” hat man sie beschumpfen; sie müssten folgen, mit der Muskete antreten und auf die Bauern schiessen. Wir haben draussen getrommelt und gerufen: wir machten das Baselbiet zum 14. Ort der Eidgenossenschaft, und Liestal werde unsere Hauptstadt! Da ist den Bürgern der Entscheid leicht gefallen. Sie haben sich geweigert und ihrerseits den Abzug der fremden Truppen gefordert. Und so ist es geschehen. Der Zörnlin und die mitgereisten Ratsherren handelten mit uns einen Rückzug mit gelöschten Lunten aus. Wir sind ja nicht so... wir haben sie ziehen lassen. Die hatten aber den Gack in den Hosen!
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Wie wir am Abend noch mit den Solothurnern zusammenhockten, haben wir ausgehandelt, dass es beim nächsten Mal anders rum gehe: statt drauf zu warten, dass dieser Oberst Zörnlin wieder Truppen sammelt und ein Städtchen besetzt, könnten wir auch mal vor die Stadt Basel ziehen und dort die Damen und Herren vom Teig in den Rhein werfen, dass wir mal Gerechtigkeit, Frieden und Ruhe haben in unserem Land.


Hans Jakob Müller, Schulmeister und Schreiber aus Schüpfheim (Urs Hostettler)

I verliese nech der Bundesbrief, wie mer ne-n aschliessend zäme wette beschwöre, u i hoffe, dass alli chöi zu däne drei Artikle stah:
1. Man hat geschworen, dass man den ersten eidgenössischen Bund, welchen die Eidgenossen vor etlichen hundert Jahren zusammen geschworen, erhalten, die alten Rächte im Vaterland erneuern und erhalten, die Ungerächtigkeiten und Beschwärden abtun, bei solchem einander schützen und schirmen will mit Lyb, Guet und Bluet.
Was den Herren und Oberkeiten zuegehört, soll ihnen zuekommen und glychfalls den Undertanen, was diesen gehört.
Ein jeder söll in syner Religion verblyben. Jedoch söll allezyt der katholische Glauben vorgehen. (Raunen und Pfiffe).
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2. Wir wollen alle neuen, ungueten Aufsätze absetzen.
Wenn es sich aber begäbe, dass eine Oberkeit mit ihren Undertanen in Stryt geriete, so sollen sie nicht gägeneinander usziehen, sondern mit güetlichem Verglych sich wieder miteinander verglychen. Sollte ein Verglych nit möglich syn, so söllen die Oberkeiten und Undertanen der anderen Orte vermittlen und sowohl die Oberkeiten als die Undertanen by ihren urkundlichen Rächten und Freiheiten schützen und schirmen. Mit gueten Mahnungen söll die Unrächt habende Partei abgewiesen werden.
Wenn aber eine Oberkeit frömdes Volk oder heimisches gegen die Undertanen füehren will, so söllen alle Undertanen dies Undernähmen mit Güete abwysen, und wenn dies nichts nützt, mit den Waffen zum Land hinausschlagen, lut unseres Eidschwures.


Samuel Frisching, Venner zu Metzgern der Stadt Bern
(Hans Wüthrich, Signau)

Wärti Undertane vo dr löbleche Stadt Bärn,
wo d Äntlibuecher ihre Treueeid ganz vergässe hei u i hochsträflecher Wys bewaffnet vor ihri Stadt Luzärn zoge sy, hei mir z Bärn Buredelegatione beherbärgt – drunder o dr Leuebärger, wo hie die Versammlig füehrt, was er sehr guet macht, i bi agnähm überrascht –, mir hei eui Chlage aglost u sy nech entgägecho, so wyt mir das vermöge. Derfür hei nis die Buredelegierte im Name vor Landschaft neui Treui gschwore.
So chöi mir no mitenander rede, u so sölls o blybe im Bärnbiet.
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Es isch in Bärn no immer viel guete Wille für d Bure vorhande. We dir neui Chlage heit, so chömet dermit zu de Gnädige Here, mi wird nech erhöre. Das isch der richtig Wäg. (Einzelne Pfiffe, Murren).
Aber löht nech doch ums Himmels Wille nid uf dä uselig Burebund y!
Bedänket doch – dir verbündet nech dermit uf Gedeih u Verderbe mit däne berüchtigte papistische Äntlibuecher! Weit dir würklech für die Rabouke gah chriege, we si wieder emal d Stadt Luzärn agryfe?
(Zwischenrufe, Pfiffe, “aufhören!”)
Dir stellet nech nid vor, wie liecht das cha passiere! D Herre vo Luzärn chöi die masslose Forderige vo däne Chriegstryber nid erfülle, u scho geits wieder los gäge d Stadt, u de wird Bärner Bluet fliesse wäg der sinnlose Strytsucht vo däne Hinderwäldler mit ihrne lächerleche Chnüttle. U was isch, we si z Luzärn irgendeine abstrafe, wo ehrbare Bürger d Ohre-n abschnydet? De müesst dir wäg so meine Rüppel y ne Chrieg zieh, wo die ganzi Eidgenosseschaft y nes Bluetbad trybt, u zwar y nes Bad vo Burebluet, so viel chan i nech versichere...
(Die Rede geht endgültig in Buhrufen und Pfiffen unter. Frisching bricht ab).


Adam Zeltner, Untervogt von der Schälismühle, Niederbuchsiten SO (Dominique Saner)

Mir ghöre hie Chlage über Chlage. Aber mir, d Landlüt vo Soledurn, sy mit üsne Gnädige Here ganz zfriede, der Schultheiss Sury isch e verständnisvolle Ma.
(Raunen, Pfiffe. Warum seid ihr denn hergekommen?).
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O we mir gar nüt z chlage hei, sy mir hie häre nach Sumiswald cho, um z lose, was i andere Orte so vor sich geit. U mir sy bereit, frömdi Truppe – we si sötte uftouche, so wie’s im Märze z Olten isch gscheh – ufzhalte-n u ne dr Durchpass dür üses Gebiet z verwehre.


Marco Pfeuti, Bauhandwerker aus Oppligen (himself)
Kurze Tondokumente aus Live-CDs und Interviews


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Szene auf der Matte beim Wasenweg Aebnit-Ey, oberhalb Beiesli
Personen:
Alex Sorbas, Holzbau, Sorbach (Babu Wälti) / seine Auftraggeberin Elisabeth Stettler, Witwe des Sägers (Madlen Wüthrich) / deren Knecht Ruedi Schenk, Teekoch (Ruedi Wüthrich/Christian Zürcher)

Die Seilbahn, Eggiwil 1653

Historisches: Die Holzwirtschaft und die Flösserei hatten von jeher eine grosse Bedeutung im Eggiwil.
Der gescheiterte Holzbahnbauer Alexis Sorbas entsprang allerdings einem Film der sechziger Jahre. Von einem Griechen ist im Eggiwil des Jahres 1653 nirgends die Rede.
Obwohl die Migration damals nicht in heutigem Ausmass bestand und die Schweiz als Auswanderungsland galt, ist ein Fremdling im Emmental nicht ganz abwegig. Während des Dreissigjährigen Kriegs siedelten sich hier etliche Flüchtlinge an (so war u.a. der Bundesschreiber der Landleute ein Deutscher: Notar Hans Konrad Brenner aus Konolfingen), wenige Jahrzehnte darauf strömten hugenottische Flüchtlinge aus Frankreich ins Land.

Die Bergstation einer Holzseilbahn, offenbar erbaut, wie eine Werbetafel besagt, von “A. Sorbas, Holzbau”. Die Bergstation ist von einem Feuer erleuchtet, da kochen die Witwe und ihr Knecht Kräutertee und bietet diesen den Gästen an, vor allem den wartenden Gästen.
Die Seilbahn führt in die Tiefe (auf den Vorplatz W Beiesli). Dort unten ist’s arg finster. Weiter unten sind die Masten der Seilbahn beleuchtet, die offenbar zu Emme hinunter führt. Aber... die Masten sehen alles andere als vertrauenswürdig und tragfähig aus, sie sind teilweise umgestürzt oder geknickt.
Sorbas fordert die Leute auf, zu je zweien auf seine Holzbahn zu steigen und sich hinunter fahren zu lassen. Das sei der einzige Weg, diesen steilen Hang zu überwinden. – Die Holzbahn sei noch nicht perfekt, aber die erste Strecke, die sei stabil und ungefährlich. Man müsse sie vielleicht noch etwas testen, bevor man das ganze grosse Holz hinunter sausen lasse, aber Menschen seien ja viel leichter – kein Problem.
Witwe Stettler unterstützt die Bemühungen von Sorbas – man solle es mal mit den Leuten versuchen, bevor sie ihr gutes Holz auf die Piste schicke.
Weigern sich Gäste, die Fahrt anzutreten oder machen sie medizinische Gründe aller Art geltend, führt der Knecht sie mit Fackeln den Wasenweg zur Ey hinunter und von da zum Beiesli. Ein Umweg, aber leicht zu erlaufen, wenn der Knecht auf die Karrenfurchen aufmerksam macht, auf die es zu achten gilt.

An der Talstation des Bähnchens nimmt ein Helfer– ich sähe ihn als gfürchige Gestalt: Maske?, Hexe?, Aussätzige? – die Leute in Empfang und weist sie mit stummen Gesten zum Beiesli weiter.


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Szene Beiesli
keine Personen

Das Haus des Müliseilers

Zur Zeit des Bauernkriegs wirkte im Eggiwil - im Sorbach - der berühmteste Wunderdoktor des Bernbiets, der Tierdoktor Andreas Moser, genannt der Müliseiler.
Jeremias Gotthelf gibt in “Die Rotentaler Herren” die Sage wieder, wonach der Müliseiler nach dem Bauernkrieg jeweils um die Walpurgisnacht in den Städten Bern, Basel, Zürich und Luzern die toten Herren von den Friedhöfen holte und sie in einem Geisterzug, von  Ungeheuern mit Geisseln getrieben, ins Rotental bei der Jungfrau führte, wo sie noch einmal einen schrecklichen Tod durch Steinigung erfahren mussten.
Historisch belegt ist der Prozess gegen den Wunderdoktoren, der im Jahr 1668 zu seiner Verbannung aus dem Bernbiet führte. Ein Hauptpunkt des Prozesses war die Austreibung des Berner Henkers, Meister Michel (Berchtold). Nach seinem Tod hatte seine Witwe den Müliseiler gerufen, weil sein Geist in der Wohnung am Zibelegässli sein Unwesen trieb.
Der Müliseiler arbeitete mit Kräutern, mit Segenssprüchen und rief auch Geister herbei - aber nur im guten christlichen Sinne, wie er betonte.

Teresa Burren gestaltet das Beiesli zum verlassenen Haus des Wunderdoktors – mit Kräutern, Essenzen, Gerüchen, Klängen.


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Szene Senggen-Scheuer
Personen:
Käser Markus Leuenberger / drei Köchinnen (Silvia Hirsbrunner, Anna-Rosa Jutzi, Madeleine Thierstein)

Verpflegung, Eggiwil 1653

Markus Leuenberger käst nach alter Art, mit Sirte, über offenem Feuer.
Die Köchinnen kochen nach Rezepten aus einem Berner Kochbuch des 18. Jhs., ebenfalls über dem offenen Feuer.
Die Gäste können Käser und Köchinnen bei ihrer Arbeit zuschauen. Wenn möglich (und nötig) spannt der Käser den einen oder anderen Gast für Hilfsarbeiten ein.

Der Käser verteilt Müsterchen von Käse, die Köchinnen bieten in einer grossen Schale (?) Wasserküchlein und Hirseküchlein an (wohl mit 1 Löffel für jedeN).

Die SchauspielerInnen kochen und käsen im Prinzip stumm – sie Schauspieler erklären nicht laufend ihre Tätigkeit –, sie sollen aber auf Fragen und auf interessierte Beobachter eingehen. Eine Köchin übernimmt den ‚Service’: stellt Gekochtes und Käse bereit, proportioniert diesen, lädt die Leute zum Essen ein.
Die Leute können gerne eine Weile hier an der Wärme verweilen, können sich aufwärmen und nach Bedarf die angebotenen Häppchen essen, auch ein 2. Mal zugreifen, bloss nicht Käse in Mengen einstecken. Danach zeigt ihnen die Serviererin den weiteren Weg: hinauf zur Schulstube.

Geschickte Koordination mit Helfer vor Schulstube ist erwünscht, damit die Leute nicht minutenlang vor der Schulstube anstehen müssen.


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Szene Heubühne oberer Senggen:
Personen:
Schulmeister Ueli Schindler (Marc Lauper), 5-7 SchülerInnen (abwechselnd von Siehen, Lebern und dem Schulhaus Eggiwil)

Schulstube 1653

Schulmeister Ueli Schindler: Ueli Schindler ist im Eggiwil als Schulmeister tätig. Er unterrichtet die Kinder drei Jahre lang, besser: drei Winter lang. Das Pensum: im 1. Jahr lesen lernen, im 2. Jahr schreiben lernen, im 3. Jahr Katechismus-Unterricht. Dazu werden fleissig Psalmen gesungen.
Ueli Schindler kann vom schulmeistern allein nicht leben. Da er keinen eigenen Hof hat, aber eine Frau (Barbara) und ein Baby (*Februar 1653), verdingt er sich im Sommer an einen Hofbauern. Bestimmt bietet er den Landleuten auch seine Lese- und vor allem Schreibkünste an.
Ueli Schindler erweist sich im Bauernaufstand 1653 als Revolutionär. Er ist an wichtigen Versammlungen mit dabei, teilweise gar als Schreiber. Er ist einer der wenigen, die sich offen gegen den ‚Bauernkönig’ Leuenberger wenden: als Leuenberger am 28.Mai in Herzogenbuchsee die von Daniel Küpfer aufgebotenen Bauerntruppen nach Hause schicken will, immer noch im Wahn: man könne dem Friedensvertrag vertrauen, ruft Ueli Schindler aus: man solle den Leuenberger binden und abführen!
Schindler wird am 4.November 1653 in absentia zum Tode verurteilt, aber nie gefasst.


Zitierte Texte
: Aus dem S
onnleitner-Katechismus 17.Jh., Psalm 17 aus dem bernischen Psalmenbuch 17.Jh. (beide im Staatsarchiv Bern).

Schulmeister Schindler steht vor seiner Klasse von ca. 6 SchülerInnen. Die SchülerInnen dürfen unterschiedlichen Alters sein. Sie sitzen in Pulten, haben je eine Feder und ein Tintenfass, ein Schriftstück und Papier vor sich. Zwei Pulte in den hinteren Reihen sind unbesetzt.

Schulmeister: Wir lesen da weiter, wo wir gestern stecken geblieben sind. Ruft zwei Schüler oder Schülerinnen auf – Nr. 1 “die Frage”, Nr.2 “die Antworten”.

Schüler 1 (liest ziemlich stockend): “Woran erkennest du dein Elend?”

Schülerin 2: “Aus dem Gesetz Gottes”

Schüler 1: “Was erfordert dann das Gesetz Gottes von uns?”

Schülerin 2: “Diss lehret uns Christus in einer summa / Matthei am zwey und zwanzigste Capitel:/ Du solt lieben Gott den Herren / von ganzem Herzen / von ganzer Seelen / von ganzem Gemüth und allen Kräften. / Diss ist das fürnembste und grösste Gebot. / Das ander aber ist dem gleich: / Du solt deinen Nechsten lieben als dich selbst. / In diesen zweyen Geboten lieget das ganze Gesetz und die Propheten.”

Schüler 1: “Kannst du diss alles vollkommlich halten?”

Schülerin 2: “Nein. Dann ich bin von Natur geneigt, Gott und meinen Nechsten zu hassen.”

Schüler 1: “Hat Gott den Menschen also bös und verkehrt erschaffen?”

Schülerin 2: “Nein: Sondern Gott hat den Menschen gut und nach seinem Ebenbild erschaffen / das ist / in lauter Gerechtigkeit und Heiligkeit / auf dass er Gott seinen Schöpfer recht erkennt und von Herzen liebte / und in ewiger Seligkeit mit ihm lebte / ihn zu loben und zu preisen.

Schüler 1: “Sind wir dermassen verderbt, dass wir ganz und gar untüchtig sind zu einigem Guten und geneigt zu allem Bösen?

Schülerin 2: “Ja, es sei denn, dass wir durch den Geist Gottes wiedergeboren werden.”

Schüler 1: “Will Gott solchen Ungehorsam und Abfahl ungestraft lassen bleiben?”

Schülerin 2: “Mitnichten: Sondern er zürnet schrecklich. / Verflucht sei jedermann / der nicht bleibet in all dem / das geschrieben stehet in dem Buch des Gesetzes, / dass er’s thut.”

Irgendwann während dieses schülerhaft gelesenen Dialogs bemerkt der Schulmeister die Gäste aus der Zukunft. Er wendet sich entschuldigend an die Gäste: er habe die Schüler nur drei Winter lang in der Schule. In Zukunft werde man wohl fünf oder gar sechs Jahre die Schule besuchen und mit feinen Kupferfedern schreiben. Die Menschen würden alle sehr gebildet sein.

Schulmeister: Wir haben noch Plätze frei: kommt, nehmt Platz! Wir sind sehr gespannt auf unseren Besuch, gäuet (sucht Bestätigung bei der Klasse).

Schüler 3 (streckt Hand hoch, bis der Lehrer ihn sprechen lässt – während die Gäste Platz nehmen): Stimmt es, dass die Menschen in der Zukunft schreiben können wie das Bisiwetter und den ganzen Katechismus auswendig und nie Fehler machen?

Schulmeister: Das werden wir gleich sehen. (Nachdem die Gäste sich gesetzt haben.)
Nehmt jetzt Papier und Feder. Schreibt euren Namen und dann ein Sätzlein, was ihr euch von der Zukunft wünscht. Wir schreiben schön zusammengehängt in der Schnürlischrift, wie wir’s gelernt haben.

SchülerInnen und Gäste schreiben. Weil dies mit extrem weichem Papier, Gänsefeder und Russ-Tinte nicht einfach ist, werden die Gäste wohl arg mit Tolggen und in einander verlaufenden Schriften zu kämpfen haben.
Der Schulmeister geht bedächtig durch die Pultreihen, blickt den Leuten über die Schulter. Er ist entsetzt über die Tolggen der Besucher. Erst blickt er verschämt weg und brummelt was vor
sich hin, dann reisst ihm der Geduldfaden. Er nimmt dem am schlechtesten schreibenden Gast das Papier weg, greift sich auch ein Blatt eines (besonders schön schreibenden) Schülers und präsentiert die beiden Werke dem Publikum.

Schulmeister: Schauen Sie mal! (Schülername) wünscht sich... Ist eine Freude, sowas zu lesen, gut gemacht. - Aber das! (zeigt das Geschreibe des Gasts) Nichts als Tolggen. Grauenhaft. (Zum Gast) Nimm das zurück in die Zukunft, sowas können wir hier nicht brauchen!

Schulmeister: Schwamm drüber! Machen wir weiter mit dem Spruchbüchlein der heiligen Schrift.
(Zu Schüler 3): .(Name), welches ist der 8. Articul des Christlichen Glaubens?

Schüler 3: “Ich glaub in den Heiligen Geist”.

Schulmeister (zu einem Gast): Articul 9!
Der Gast wird wohl irgendwas von sich geben, was der Schulmeister als unrichtig erkennt. Der Schulmeister kann die Antwort kurz kommentierend, wohlwollend, aufbauend, aber doch tadelnd:
Die Glaubensartikel müssen wie aus der Pistole geschossen kommen! Und richtig!

Schulmeister: (zu Schülerin 4) ...(Name), Articul 9!

Schülerin 4: “Eine heilige allgemeine christliche Kirche / eine Gemeinschaft der Heiligen.”

Schulmeister (zu einem Gast): Und was ist die Gemeinschaft der Heiligen?
Wieder wird die Antwort wohl daneben liegen. Der Schulmeister wendet sich an Schüler 5: ... (Name), sag du es ihm/ihr!

Schüler 5: Eine Gemeinschaft aller Gläubigen.

Schüler 3 (streckt die Hand hoch, schnippelt mit dem Finger, will was sagen. Der Schulmeister ruft ihn auf): Das Wasser der Gerechtigkeit!

Schulmeister: Ja, ja. Das wisst ihr. Henusode: Was ist das Wasser der Gerechtigkeit?

Schüler 3: “Das ist / dass alle bereit seyen / Gott in Gerechtigkeit zu dienen / und seinen Willen zu vollbringen / welches aber ohne Streit nicht gehen kann.”. Bärn gah erobere, der Leuebärger wird neue Schultheiss u dr Galli sy Stellverträter!

Schulmeister: Es isch no ne länge Wäg uf Bärn yne. U wenn scho ne neui Oberkeit, de lieber umgekehrt. Viel lieber!
So – während nun die Gäste hinausgehen, singen wir ihnen den Psalm 17. Strophe 1, 5 u 6. Dazu stehen wir auf. Ich bin froh, dass wir da hinten (die Gäste) einige zusätzliche kräftige Stimmen haben.

Singen. Die Schüler singen auswendig. Die Gäste werden vermutlich bereits mit dem Stehen in den engen Pulten ihre Mühe haben, vom seltsamen Psalm ganz zu schweigen.
Während die anderen
Gäste den Raum verlassen, begibt sich der Schulmeister singend zu den hinteren Pulten und verabschiedet mit Gesten seine SchülerInnen aus der Zukunft.
Ende der Schulstunde. Die Gäste dürfen ihr Papier mitnehmen.

PSALM 17

Hör an, HERR, mein Gerechtigkeit  

Hör mein Geschrey, vernimm mein Flehen,
Welches mir thut von Hertzen gehen
Ohn all des Munds Betrieglichkeit.
Dich HERR, ich zu einem Richter mache,
Ich bitt, schau auf die Billichkeit
Und urtheil nach Gerechtigkeit
In dieser meiner rechten Sache.

Hilff dass ich vor den Feinden mein
Die mir trachten nach Leib und Leben
Und allenthalben mich umgeben
Mag ohn Gefahr und sicher seyn.  
Vor Fettigkeit ihr Hals gar donet
Sie reden stolz und geht mir nach
Mich zu erdappen ist ihn gach
Zur Erd zu stürzen unverschonet.

Sie sind gleich einem Löwen wild
Der einen lauret zu erworgen
Und wie ein junger Löw verborgen
Auf einen aus der Höhlen zielt.
Drum komm ihn vor, o HERR, beyzeiten
Und schlag sie nider zu der Erd
Rett meine Seel mit deinem Schwert
Mit dem Du andre thust bestreiten.

*             *             *


Erzählerinnen Kunzens Matte (Barbara Liechti, Elisabeth Wüthrich)

Stoff: 11. Mai 1653. Die Alarmglocken haben überall im Emmental geläutet. Eine grosse Armee von Welschen nähert sich von Westen her dem Bernbiet. Die Brücken von Gümmenen und Aarberg hat man zum Glück noch sperren können. Jetzt ziehen die Landleute bewaffnet vor die Stadt Bern. Man hat lange genug erfolglos verhandelt, und diese welschen Armeen schlagen dem Fass ja wohl den Boden aus! Kraft des Bundes von Sumiswald marschieren auch 1000 Entlebucher auf Bern zu, den Bernern zu Hilfe.

Die Erzählerinnen läuten die Sturmglocke auf Kunzens Matte, wenn eine Gästegruppe die Schulstube verlassen hat.
Figuren frei wählbar (Idee Elisabeth und Barbara: Kräuterfrauen). Wenn möglich die Ausziehenden nach Waffen fragen - die würden nun gebraucht. Bei fehlenden Waffen können die Kräuterfrauen einigen Gästen Giftkräuter für den Schultheissen anbieten.
Bei Schlechtwetter (rutschigem Terrain) müssen die Leute die Strasse zu Gassers Senggen runter geführt werden, den ankommenden Schulstuben-Besuchern entgegen - die Erzählerin muss sie in diesem Fall bis unter den Senggen als geschlossene Gruppe führen, um Verwirrungen zu vermeiden.

 

*             *             *


Szene vor Buchschachenbrücke
Personen:
Reinhard Tschäppät, Stadtwache (Walter Schlüchter) / Albert Tellenbach, Wachtkommandant (Jürg Bieri)

Am Stadttor zu Bern, 13. Mai 1653

Die Stadt Bern ist seit zwei Tagen von Bauernhorden belagert.
Drinnen in der Stadt, im Rathaus, tagt der Rat der 200 (der Grosse Rat) zusammen mit dem Kleinen Rat (der Regierung). Amtierender Schultheiss (Stadtpräsident) ist Herr Anton von Graffenried II. (der I. war ebenfalls Schultheiss und ist 1628 an der Pest verstorben – es ist gar nicht so ungewöhnlich, dass die höchsten Ämter der Stadt vom Vater auf den Sohn übergehen – aber so gewöhnliche Familien wie Tschäppäts haben da natürlich nichts zu suchen).

Die beiden bewaffneten Wachen halten die Leute ziemlich barsch an... wobei die beiden arg übermüdet und lahm in Körper und Geist wirken. Flügzüüg-Tempo.

Tschäppät: Wär da?

Tellenbach: Wär syt der? U werum?

Tschäppät: Es heisst zersch no: Was weit der? u ersch nächär: Werum?

Tellenbach: Du söllsch mer nid vor allne Lüt dryrede! Das untergrabet my Outorität als Wachkommandant. Auso: Wer syt der? U werum?

Die Ankömmlinge werden irgend eine Auskunft geben. Vielleicht: einfache Landleute, vielleicht ihre richtigen Namen, vielleicht einen Jux. Das ‚warum?’ wird auf jeden Fall etwas seltsame Auskünfte hervorbringen, so dass ihr weiter im Text anknüpfen könnt.

Tellenbach: Du, Tschäppät, di Type chöme mer irgendwie verdächtig vor.

Tschäppät: Komeschi Vögu!

Tellenbach (schaut in die Baumkronen): Wo?

Tschäppät: Nid d Spatze, Dälebach! D’ Möntsche!
(Variante *: Di Verdächtige! Dann weiter bei ***)

Tellenbach: Du wosch mi höchnäh! I ha gmeint, du gseisch e Muursägler.

Tschäppät: Im Winter het’s hie kener Muursägler.

Tellenbach: Du muesch mi nid dümmer mache, als i bi. I weiss dänk o, dass Muursägler Zugvögu sy. Drum ha-n i ja gmeint, du meinsch en Amsle. Du hesch ja gseit “komeschi Vögu” u hesch ds “komeschi” no usdrücklech betont, wiu äbe settig Vögu normalerwys nid da sy.

Tschäppät: De chönnt’s aber irgend e Zugvogel gsy sy?

Tellenbach: Nei, äbe nid. We’s e-n andere gsy wär, zum Byspiel e wyssi Tube, hätt i se ja sofort gseh. Wiu se aber nid gseh ha, het’s müesse-n e Muursägler sy.

Tschäppät: Guet Dälebach, akzeptiert. Jedefalls ha-n di Verdächtige gmeint.

Tellenbach: (***) Verdächtegi uf de Bäum?

Tschäppät: Nid uf de Bäum. Überall süsch!

Tellenbach (überlegt einige Sekunden): De bi-n i auso o ne Verdächtige?

Tschäppät: Äuä du! Die da! Werum sötti di verdächtig finde?

Tellenbach: Wiu si hei gseit, es syg jede verdächtig, wo y d Stadt yne weu.

Tschäppät: Aber du wosch ja gar nid y d Stadt yne! Mir stöh zäme Wach!

Tellenbach: Was weisch du scho vo myne heimleche Wünsch, Tschäppät?! Vilech möchte i gärn y d Stadt. Du äuä o, aber du wagsch der’s nid, wiu i drüber wache.

Tschäppät: Ha! Meinsch i heig Angst vor dir? Da lachet ja ne Chueh!

Tellenbach (blickt erstaunt um sich): Wo lache d Chüe?

Tschäppät: Im übertragene Sinn.

Tellenbach: Meinsch wie uf de Chäsli?

Tschäppät: Uf jede Fall müesse si d Waffe-n abgäh. (Zu Gästen): Syt der bewaffnet?

Tellenbach: Mit Chäsli?

Tschäppät: Dälebach!!! Nei, nid mit Chäsli.

Tellenbach: Werum reagiersch e so greizt? Bisch sicher, dass si keni Chäsli hei?

Tschäppät: Nei! Aber das isch jitz wurst!

Tellenbach: Was isch Wurst?

Tschäppät: D Chäsli!

Tellenbach: Du stürmsch, Tschäppät! Du länksch nume wo de wäsentleche Sache-n ab. Chumm, mir luege, ob sy Waffe hei, u de löh mer se-n yne.

Tschäppät: Wie de meinsch. Du bisch der Kommandant.

Die beiden suchen die Gäste nach Waffen ab. Behändigen – wenn vorhanden – den Knüttel.

Tellenbach: Mir löh nech jetzt uf d Tribüne vom Ratssaal. Dir gseht dr Rat vo de Zweuhundert vo dr löbliche Stadt Bärn. Rede wird dr höchst Bärner, dr ehrewärt Herr Schultheiss Anton vo Graferied dr Zweut.

Tschäppät: Sy Vatter isch o scho Schultheiss gsy, isch aber ar Pest gstorbe, Drum der Zweut. Die höchste-n Ämter göh immer meh vom Vatter uf e Suhn über.

Tellenbach: Tschäppät! Üs cha das ja glych sy. Mir ghöre o y tusig Jahr no nid zu de Mehbessere.

Tschäppät: Werum nid? Schultheiss Tschäppät der Zweut. Tönt ämu ganz interessant für d Zuekunft.

Tellebach: Di arme Bärner. Aber de hei si zmingst eis Problem nümme: de wott nämlech de sicher niemer mehr y d Stadt yne. (Variante: Zersch d Pest, u nächhär no das!)
Also: Mit löh nech jitz yne. Benähmet nech gsittet. Verbote-n isch rouche u ässe u spucke...

Tschäppät: ...u Bättelei u musiziere.

Tellenbach: Du söllsch mir nid immer dryrede, Tschäppät! Das git de Lüt ds Gfüehl vo Usicherheit. Für d Lüt isch’s wichtig z wüsse, wär hie dr Chef isch.

Die Wachen müssen darauf achten, dass sie die Gästegruppe jeweils in den Saal einlassen, wenn die frühere Gruppe den Saal seit ca. 60-90 Sekunden verlassen hat. Das heisst: zum Zeitpunkt dieses Verlassens sollten die Wachen die Gäste der neuen Gruppe durchsuchen, dann bald im Text fortfahren.
Erscheinen nach dem Einlass einer Gruppe während einigen Minuten keine neuen Gäste, spielen die Wachen die Kurzfassung ***. Ist der Ratsaal leer und nähert sich eine grosse Gruppe, untersuchen  die Wachen die ersten  ca. 30 Gäste sehr rasch und lassen sie ein,  um dann vor dem Rest der Gruppe die volle Szene zu spielen.

 

*             *             *

   
Szene Buchschachenbrücke
Personen:
Schultheiss Anton von Graffenried II. (Vivi Pfiffner) / General Sigmund von Erlach (Hans Arm) / Venner Samuel Frisching (Hans Wüthrich, Signau) / Schreiber Walther Huser (Werner Hauser).

Im Rathaus zu Bern, 13. Mai 1653

Texte: Resolution des Rats bez. Zuschrift an die Bauern aus dem Berner Ratsmanual 13.-17.Mai 1653 (gekürzt). Das Perpetuum mobile des Caspar Willading war im Januar 1653 ein Traktandum des Rats.

Die Kulisse zeigt den Ratsaal im Berner Ratshaus: den Rat der Zweihundert auf einfachen Bänken, den Kleinern Rat, Venner und Säckelmeister. Im Saal steht eine seltsame und offenbar nutzlose Maschine.
Leiblich anwesend sind der amtierende Schultheiss von Graffenried, ihm zur Seite Venner Frisching, General von Erlach und der Ratsschreiber Huser.

Schultheiss: I begrüesse nech zur hütige Ratssitzig vom Frytig, em 13. Meye. Mir hei hüt etliches z berede. Schryber: Traktandum1!

Schreiber: Ds Perpetuum mobile. Dr Herr Caspar Willading bittet um d Erloubnis, am hochwohlgeborene Herr Schultheiss u de wohledelfeste vätterleche Gnädige Herre u Obere sy neusti Erfindig vorzfüehre (zeigt auf die Maschine, die vor sich hin dümpelt).

Schultheiss: Ja aber – das isch scho die dritti settegi Maschine i däm Jahr. Mir hei ne doch nach Rägensburg zum Kaiser gschickt, u dört syg si nach ere halbe Stund abgstande.

Schreiber: Es handlet sech äbe um ne verbesserti Version. Ds Perpetuum 2.1.0 (zwöi – eis – null).

Schultheiss: Papperlapapp! Nume will er eue Cousin isch, cha der Rat sy Zyt nid mit däm Spielzüg verplämperle. Löhts vo mir us lah loufe – luege mer mal, wie lang dass es dasmal dürehaltet. – Ds nächste Gschäft!

Schreiber: Der Wirt zum Storche begährt es Patänt für en Usschank vo Salzhering-Suppe. Er het die Fische für Krysezyte yglageret, wenn’s mal i der Aare zum ne Fischstärbe sött cho oder zu re Überfischig vo de Laxe, was ja jitze wäg de Burehorde z befürchte steit, we si öppe widerrächtlech vo ihrne Ruete sötte Gebruch mache. Der Gsuechsteller betont, dass die Heringe gschmacklech durchus mit de Laxe z vergylche syge, so dass nid öppe Gnuss-Sucht d Ursach für sys Begähre sygi...

Schultheiss: Papperlapapp! Mir hei jitz weiss Gott Gschyders z tüe, als über d Unterschiede von irgend wettige Salzfischli z diskutiere. Gäht däm Ma sys Patänt, mynetwäge o grad für Chräbse u Heugümper u Chatze. Aber verschonet mi dermit!
General, wie steit’s ar Burefront?

General: Kritisch. Aber mir wärde das Problem bewältige!
D Lag vo hüt: Vor der Stadt lagere gäge Zähtusig Rebälle, bewaffnet mit Muskete und Spiesse, zum Glück ohni Artillerie. Die Rotte verhalte sech zur Zyt no friedlech, aber sie stelle uverschämti Forderige, u es isch klar, dass si müesse vertribe wärde.
Massnahme: Die verdammte Rebälle sy uf Gümmene u Aarbärg zuegrochlet u het dört im Weste d Brügge gsperrt. Myni usghobene wälsche Truppe underem Oberst Morlot wie o die gworbene Söldner us em Pays de Gex sy leider blockiert. Im Oste sy nis d Städt Burdleff u natürlech Aarau treu bblibe, trotz der Tatsach, dass o sie vo störrische Undertane belageret wärde.

Schultheiss: Ja u de?

General: Was u de?

Schultheiss: Ja äbe – was für Massnahme schlöht dir vor?

General: Da druf han i grad welle z rede cho. Ir Stadt Züri sy 12'000 Uszüger us em Züripiet u de Gemeine Herrschafte zur Musterig ufbbote. Die Manne sy bestens gfüehrt u bewaffnet u hey 22 Kanune zur Verfüegig. Der General Wärdmüller wird mit syre Armee ds Aargäu z dürab aagryfe u de Bure dr Meister zeige, während mer se hie dür gschickti Verhandlige in Sicherheit wiege.

Venner: Aber Herr General! Wie stellet der euch das vor? D Zürcher, wo chöme cho Bärn befreie u ds ganze Bärner Aargäu bsetze? Mir sy nid dr Adrian vo Buebebärg, wo ds Städtli Murte haltet. Mir sy die gröschti und stolzesti Stadt vor Eidgenosseschaft. U das da usse isch nid ds grosse Burgunderheer. Das sy zämegrochleti Undertane mit verirrte Sinne. Die müesse wäg! Hei! Lieber hüt als morn! U ganz sicher, bevor d Zürcher losmarschiere. Stellet nech vor, we plötzlech Thurgouer underem Zytglogge stöh u pralagge: Mir hend nech befräit, gelet?

Schultheiss: Du nimmsch mer d Wort us em Muul! Si müesse wäg, u zwar sofort. U we mer se nid mit Kanune chöi vertrybe, mache mers mit Papier. Ds einte schliesst ja ds andere nid us. Schryber: was fordere die Rebellante eigetlech?

Schreiber: Also... erstens wei si nid y d Stadt yne cho – mi söll ne Here useschicke, u zwar nume gueti Here. De... wei si das, wo me ne im März o scho zuegsicheret het: Dr frei Handel mit Ross u Veh. E Landesvenner wei si. U nes paar chlyneri Sache wäge Buessgäld-Ytrybe, freie Salzchouf zum Husgebruch u so.
Aber de wärde si uverschämt. Si wei nach eigenem Guetdünke dörfe Landsgmeinde abhalte, ihre uguete Bund vo Sumiswald sölle mer anerchenne, allne Amnestie gewähre und o no 50 000 Pfund Chriegsentschädigung zahle.

Venner (zum Rat gewandt): I kenne dä Leuebärger, wo jitz ihre Afüehrer isch, no vo myre Vogtezyt z Trachselwald här. Da isch er no ganz e junge Schnufer gsy, dr Leuebärger Niggi vom Schönholz, aber fromm, respäktvoll – eifach eine, wo ja nüt wott faltsch mache. I weiss, wie me dä muess näh! Muesch ihm eifach e chly d Chappe wäsche, de nimmt er Bei under d Händ u isch schnäller dehei als ihm chasch nacheluege.
I ha mit em Schryber scho ne Resolution ufgsetzt. (Zu Schreiber). Lies emal!

Schreiber: “An den des Hochverrats schuldigen Landschelmen Niggi Leuenberger mit seiner übelverfluchten Rott über ihr unersättliches Begehren zu antworten: Wir, die Gnädigen Herren und Oberen der Stadt Bern, vernehmend mit bedurlichem Missfallen, dass ihr Stryt und Unfrieden sucht, unmügliche Anmutungen thund und danach trachtend, mit findlichem Gwalt unsere Stadt ynzunehmen, dass ihr dussen auf dem Murifeld etliche unserer Burgeren ohn jeden Grund gefangen nehmend und über gegebenes Wort Ross, Vieh, Schaf und dergleichen hinweg führend...”

Schultheiss (räuspert sich laut): Mmh... my liebe Venner Früsching! Das isch alles sachlech zueträffend, i wott o am Herr Schryber Huser nid y ds Handwärk pfusche... es mah sy, dass der mit däm Ton dr Leuebärger chöit vertrybe – aber garantiert machet de dermit die andere 9999 Bure verruckt. U das chöi mer jitz am allerwenigste bruuche.
Es isch äuä diplomatisch klüeger, mir schicke dr Herr Alt-Schultheiss Dachselhofer zu der Bursami, für die theologische Belehrige gäbe mer ihm dr Münsterpfarrer mit. Vo däne hei si e höchi Meinig. Dr Dachselhofer cha ne ds meiste zuesäge – we dä Leuebärger nume der Friede usrüeft u syni Lüt hei schickt.
Natürlech cha dr Dachselhofer säge, er müessi die Gschäft no zur Ratifizierig am höche Rat vorlege... das isch äbe dr Nachteil für d Bure, we sie sech z guet vorchöme, hie vor üs härezträte. De sy mer de immer no frei, z handle wie mir wei. Mir chöi se lah zable – denn eis isch sicher: y nes paar Tage hei si Hunger u Heiweh, u wenn dä “Burechünig” ne seit, es syg uf guete Wäge, de loufe si usenand. Versteisch, Früsching? Mir bruche dä Leuebärger. So eine müesse mer ufboue, nid demoliere.
U wenn de mal die paar Tusig Wälsche ir Stadt sy, de rede mer de wieder mit dynere Sprach. U mit euere, General von Erlach.

General: De wärde mer däm unghüre Tier vo dr Rebellion ein für alle mal dr Chopf abschlah.

Wache Nr.3 führt die Zuschauer aus dem Ratsaal, hinüber zum Steg über den Geissbach, und schickt sie zum Bauernlager: Da, geht da rüber zu euresgleichen!



Szene Lagerfeuer Geissbach
Personen:
Niklaus Leuenberger, Schönholz, Obmann des Bauernbundes (Samuel Balmer) / Ueli Galli, Eggiwil, Kriegsrat der Bauern (Peter Bähler) / Statthalter Hans Berger, Steffisburg, Kriegsrat der Bauern (Walter Bähler) / Christen Schybi, Escholzmatt, Oberst der Entlebucher (Hans Schmidiger) / Altschulheiss Niklaus Daxelhofer von Bern (Fred Bauer) / Predikant Hans Heinrich Hummel, Berner Münsterpfarrer (Hansjörg Mader).

Bauernlager bei Ostermundigen, 14. Mai 1653

Die Bauern lagern seit drei Tagen bewaffnet vor Bern, mehr als 10-20'000 Mann stark.
Sie sind auf die Nachricht hin ausgezogen: eine welsche Armee falle ins Bernbiet ein und müsse aufgehalten werden. Das stimmte. Der Landsturm erging rechtzeitig, so dass die Flussübergänge im Westen – die Saanebrücke bei Gümmenen und die Aarebrücke von Aarberg gesperrt und die welschen Truppen aufgehalten werden konnten.
Dazu waren nicht 10'000 Auszüger notwendig – Landeshauptmann Küpfer und Ueli Galli dirigierten die Leute auf das Murifeld vor Bern und liessen sie dort ihr Lager aufstellen. So kam die Belagerung Berns zu Stande, welche die Bauern der Stadt nach langwierigen erfolglosen Verhandlungen anfangs Mai angedroht hatten. Doch viele Landleute waren nicht mit der Absicht einer Stadtbelagerung ausgezogen, im Gegensatz zu Galli, Küpfer, Berger und anderen Kriegsräten hatte auch der Obmann Leuenberger diese Belagerung nicht gewollt – als er vor Bern eingetroffen war, zeigte er sich überrascht und bat die Herren der Stadt sofort um neue Verhandlungen. Die Bauernmassen sind nicht auf ein länger andauerndes Lagerleben vorbereitet. Der Nachschub reicht für ein derartig grosses Lager nicht aus. Das Wetter ist prächtig, und viele der Bauern drängen auf ein Ende des Wartens im Lager. Sie würden zu Hause gebraucht.
Aus dem Luzernischen sind um die 1000 Bauernsoldaten den Berner Landleuten zu Hilfe geeilt, kraft des grossen neuen Bauernbundes, der solche militärische Hilfe im Fall der Not vorsieht.

Altschultheiss Niklaus Daxelhofer und Münsterpfarrer Joh. Heinrich Hummel sind von der Stadt ausgeschickt worden, um mit den Bauernführern in Ostermundigen (ein weiteres Mal) zu verhandeln. Sie sind anfangs für das Publikum unsichtbar.
In der Stadt wird – durch Schultheiss Anton von Graffenried und General Sigmund von Erlach – der offene Krieg gegen die ‚Rebellen’ vorbereitet. Neben den 5000 welschen Soldaten wird in der kommenden Woche ein Heer von Zürchern und Ostschweizern ins Bernerland einfallen.
Vorerst ist die Aufhebung der Belagerung und der Brückensperren oberstes Ziel der ‚Gnädigen Herren’. Sie wissen um den drohenden Hunger im Bauernlager und befürchten, der Obmann Leuenberger – den sie als Garant für Zurückhaltung und Ordnung und zudem als leicht beeinflussbaren Verhandlungspartner einschätzen – könnte die Zügel bald aus der Hand verlieren, worauf bestimmt ein Angriff auf die Stadt zu befürchten wäre. Die Stadt verfügt zwar über – zum Teil brandneue – Befestigungsanlagen, Artillerie, über positionelle und logistische Vorteile, doch bei einer Einwohnerzahl von 9000 bestenfalls  über 2-3000 Soldaten. So lange Verhandlungen andauern und ein Frieden in Griffweite ist, hat die Stadt aber wenig zu befürchten.

Historische Relevanz: Galli, Berger und natürlich auch Leuenberger gehörten während der Verhandlungen auf dem Murifeld zum engeren Kriegsrat der Landleute. Schibi war - wie im Theater dargestellt - vom Obmann bei den Verhandlungen unerwünscht. Die Berner Geistlichkeit  (Hummel und Lüthard) gehörte der Herrendelegation vor Bern nicht an, sprach aber bei früheren  Gelegenheiten mehrmals zu der Bauerngemeinde - mit den hier zitierten Bibelstellen. - Die Verhandlungen zogen sich über mehrere Tage hin.

Am Lagerfeuer sitzen Bauernobmann Niklaus Leuenberger in seinem prächtigen roten Mantel, Ueli Galli (als Doppelgänger des Ueli Galli der Giebelszene), Statthalter Hans Berger von Steffisburg und Christen Schybi von Escholzmatt, Oberst der Entlebucher. Schybi hält einen Stecken mit Teig ins Feuer.
Rund um das Feuer sind weitere Sitzplätze frei (Trämle). Die Bauern laden die Neuankömmlinge (Gäste) mit stummen Gesten zum Sitzen ein.

Das Publikum nähert sich – von den Stadtwachen dahin gewiesen – über die Furt des Geissbachs dem Lagerfeuer.

Schybi: Das isch e rüdig verreckti Sach. Da chunnt me-n us em Äntlibuech cho aazrenne, u de das! Nüt als Mähl u Wasser.

Leuenberger: Beklag di nid, Christe! I ha euch nid häregrüeft. Mir gäbe nech, was mer chöi.

Schybi: Ir Stadt in hei si Chällere voll Wy! Scho nume drum würd sech’s lohne, däne mal es Bsüechli abzstatte...

Leuenberger: Solang i Bundes-Obmaa bi, wird nid gkrieget, u schon gar nid groubt u plünderet! Vergässet nid, um was es geit. We mir en ehrehafte Friede-n erreiche, wärde nis no üsi Ur-Änkel dankbar sy u brichte, wie mer es Mitenander vo Oberkeit und Undertanen gschaffe hei, wo allne grächt wird. Mit Gottes Säge u nid mit Waffe.

Ueli Galli (spöttisch zu Schybi): Vilech sötte mer das mit em Wy als neui Forderig y d Verhandlige-n ybringe. Das gäbt e chly Pfäffer y di Sach... i wett einisch am Daxuhofer sy Gring luege, we mer ihm säge: (formt die Hand zur Pistole) Wy oder Läbe!

Berger: I bitte doch um chly Ärnst! We d Delegation us der Stadt chunnt, müesse mer Gschlosseheit zeige. U we der o am liebste wettet d Stadt ynäh, wärs doch dumm, nech das lah azmerke. Also häbet nech still u überlöht ds Verhandle em Chlous (deutet auf Leuenberger). Dä cha das wytus am beste.

Leuenberger: Es git äbe settig u settig Lüt, bi de Here wie bi de Bure, u der Daxuhofer isch eine, wo me mit ihm cha rede...

Schybi: ...bigott: läfere u läfere u läfere... (bewegt dabei die Faust im Scherz langsam auf Leuenberger zu)

Berger: Si chöme!

Leuenberger: Schybi! Verschwind! Mir hei d Here nid unnötig mit Äntlibuecher reize.

Schybi: Ja, scho rächt!
Schybi verschwindet, Auftritt von Daxelhofer und Hummel.

Daxelhofer: Guete Tag, die Pure! Guete Tag, Monsieur Leuebärger! (Reicht Leuenberger die Hand). Üse Münsterpfarrer kennet der ja. (Hummel nickt mit dem Kopf in Richtung Leuenberger).
Leuenberger bietet den Gästen die besten Sitzplätze an, direkt neben ihm.

Leuenberger: Bärger! Hol nis doch e chlyne-n Imbiss! Mir chöi üsi Gäst nid so uf em Trochene lah hocke.
Berger gehorcht und geht.

Daxelhofer: Nume keni Umständ, Monsieur Leuebärger! Dir syt äuä knapp a Vorrät, chönnt i mer vorstelle?

Leuenberger: Das geit y Ornig! – Was heit der nis brichte, Herr Schultheiss?

Daxelhofer: Nume guets, Leuerbärger! I ha di Gnädige Here vo fasch allne eune Aalige chönne überzüge. Der Friede isch so guet wie gmacht.

Galli (erstaunt): Ja was!

Daxelhofer (zu den Versammelten gewandt): Eui wichtegsti Forderig, di Summe vo 50'000 Bärnpfund für ds Land, isch genähmiget.

Galli: I ghöre nid rächt... d Stadt Bärn zahlt üs 50 000 Pfund – das sy… fasch 400'000 Batze – Chriegsentschädigung?

Daxelhofer: Ja – also – (blickt Hummel an) – ja! Me muess das eifach chly gschickt verchoufe.

Hummel: Die 50'000 Pfund – das isch e immänsi Summe – wärde dr Landschaft als Almose uf di nächste zäh Jahr verteilt zur Tilgig vo dr Landesarmuet uszahlt. Vorab chöme die Gmeinde dra, wo under däre Rebellion bsunders glitte hei.

Berger bringt Wein und Becher, Zopf und Wurst. Berger spielt den Mundschenk, Leuenberger schneidet und schält –  während die Verhandlungen fortdauern – eigenhändig die Wurst, reicht sie mundgerecht den Gästen.
Christen Schybi hat sich mittlerweile aus dem Gebüsch wieder hervorgearbeit
et und diskret unter die Gäste gemischt. Als er Wein und Fressalien sieht, kann er sich kaum mehr beherrschen. Er beklagt sich bei den Umstehenden über seine kulinarische Benachteiligung – diese Herren mit ihren Schlangenzungen könnte man seinetwegen mit Ratten füttern. Das wäre angemessen. Seiner Meinung führt nur eine Taktik zum Erfolg: Angriff! Jetzt, wo die Bauern stark sind wie nie... Angriff! Und wenn man die Stadt Bern genommen hat, sollte die Bauernschaft geschlossen auf Luzern ziehen und auch da “den Schweinestall ausmisten”.

Galli: Also usgrächnet die, wo nid mitgmacht hei! O wie steit’s mit em Schade, wo mer us der Batzenabwärtig erlitte hei? O wägem Salz?  

Daxelhofer: Chunnt alles bestens. Der frei Salzchouf zum Husgebruch isch ab sofort bewilliget. Meh chöi mer us formale Gründ nid y Vertrag ufnäh, aber wenn der später supplications-wys dermit a di liebi Oberkeit glanget, zwyfle-n i nid, dass me euch wird d Gnadehand biete.

Galli: Das han i doch o scho mal ghört...

Leuenberger: Ueli, bitte bsinn di! Mit dym Gmecker gfährdisch du ds Friedenswärch.

Berger: ..u letschtlech d Zuekunft vo üsem grosse Bund! Jawohl!

Daxelhofer: Wäg däm Burebund vo Sumiswald muess i nech no öppis säge. Es isch für euch sicher nid ganz liecht z begryfe... aber dä Bund isch ugültig. Vor Gott und vor de Möntsche. Der Herr Pfarrer Hummel isch sicher so fründlech, euch das z erlütere.

Hummel: Nachdäm mer der Wortlut vo däm sogenannte Burebund hei übercho, het der Herr Profässer Lüthardt es theologischs Guetachte usgschaffet. Es berueht i erster Linie uf em Titusbrief 3, Värse 1 u 2, wo dr Evangelist seit: “Du musst immer wieder in Erinnerung bringen, dass alle sich den oberkeitlichen Gewalten unterordnen, ihnen Gehorsam erzeigen und allezeit zu jedem guten Werk bereit sind. Sie sollen über niemanden Übles reden, keinen Streit anfangen, lieber nachgeben und allen Menschen freundlich begegnen.”
Dass es Bündnis gäge di höchi Oberkeit, wo sogar militäreschi Hilf vo Papiste vorgseht, der Gschrift zwiderlouft, muess o de einfachste Gmüeter ysichtig sy. Schwieriger isch d Frag, wie di Gnädige Here i so me ne Fall vorzgah hei. Im 5.Mose 13 befiehlt Gott de Richter “dass ihr Aug den Verführern nicht schonen, dass sie sich über sie nicht erbarmen, (noch sie verbergen,) sondern sie erwürgen und steinigen sollen.”
Di heilegi Gschrift schrybt euer Oberkeit also vor, dass sie mit aller Härti gäge d Rädelsfüehrer müessi vorgah, u dir heit di unändlechi Gnad, so Gnädegi Here wie dr Herr Schultheiss Daxelhofer z ha, wo us Liebi zu ihrne Undertanen sogar ihres Seeleheil uf ds Spiel setze, u nech e Amnestie wei gwähre, we der jitze friedlech heizieht u däm uselige Bundesbrief abschwöret.

Daxelhofer: So isch es. Üse Friedensvertrag verspricht euch – sofärn der nid Straftate gäge Lyb u Läbe begange heit – Straffreiheit. Derzue müesst der jitz allerdings das Lager u alli Sperine-n ufhäbe, euem falsche Bund abschwöre u innert Wuchefrist dr Oberkeit neu huldige.

Leuenberger: I danke däne Here für ihri Usfüehrige. Syt versicheret, dass mir Landlüt nüt Urächts hei welle tue, weder mit em Bundesschwur, no mit em Zuezug vor Bärn.
Mir wärde handle, wie dir säget – dir wärdet mit Stolz uf eui Undertane chönne abe blicke u wärdet eui Gnad u Güeti nid bereue.

Galli: Ich gloub, das sötte mer hüt no a re Landsgmeind berede, bevor mer öppis zuesäge.

Daxelhofer: (unterbricht ihn)  Das –  isch leider nid müglech.
I verstah das Aalige, mir müesse das fertige Vertragswärch ja o no em Rat vorlege. Aber die Landsgmeinde hei i de letschte Wuchene so viel Eländ übers ds Land bbracht, dass si ärnstlech müesse verbote blybe. Das isch o ne Empfählig vom theologische Guetachte. 

Hummel: 4.Mose 16 u 21, wo der Herr die murrendi Meute einisch laht vor Ärde verschlücke, ds ander mal dür ne füüregi Schlange töde.

Leuenberger: (nach einer Pause der Überraschung und Betroffenheit): I bi dr gwählt Obmaa vo de Landlüt, u ig muess di Entscheidig mit Gottes Hilf träffe. Die Last cha mer niemer abnäh.
U my Entscheidig isch gmacht. Nach sorgfältigem Abwäge vo allem Derfür u Derwider entschliesse-n i mi für e Friede, zum Wohl vo allne, Stadt u Land, Oberkeit u Undertane.

Schybi äfft Leuenberger nach. Zu den Umstehenden: “... Hünd u Chatze, Pschütti u Chuefläre, Obmanne u Schutlheisse...”

Leuenberger (steht auf, redet feierlich zur Menge): Manne u Froue vom Bärnbiet! Mir hei dä ehrehaft Friede erreicht, wo mer agsträbt hei. Dank em guete Wille uf beidne Syte het me chönne mitenand rede, mir hei Vertroue gschaffe u dermit hei sech i allne wäsentleche Punkte Lösige ergäh. Eue grosse-n Ysatz het sech glohnt.
Jitz aber befiehle-n ech: eui Sache z packe, hei z gah, so gordnet u friedlech wie mers zum Glück immer hei gha im Lager. Dir wärdet deheime euem jewylige Landvogt neu huldige. Machet das freudige Härzens, ohni z murre – mir wei em Bärner Rat ke Vorwand liefere, üs dä Vertrag de doch vorzenthalte.
Danke für alles – jedem einzelne vo euch – u göht hi i Gottes Name – adieu!

Die Bauern verschwinden in verschiedene Richtungen.
Berger zuerst, fordert auch umstehende Gäste auf, den Platz zu verlassen, lässt Bemerkungen fallen wie “E gueti Sach – isch e guete Maa, dä Leuebärger”.
Galli holt einige Male tief Luft und zieht sich dann zurück (auch er kann gegenüber Umstehenden Kommentare fallen lassen – allerdings weit weniger schmeichelhafte).
Schybi zieht sich unter abweisenden Handbewegungen und deftigen Worten gegen die Berner zurück. Beklagt sich über die verlorene Zeit. Die Entlebucher wollen jetzt vor Luzern ziehen und da endlich mal wirklich kämpfen  – aber ohne Leuenberger.
Leuenberger schüttelt Daxelhofer und Hummel die Hände, schaut sie ihnen vertrauensvoll in die Augen und tritt ab.

Am Ende bleiben die beiden Herren übrig, dazu bestimmt die meisten Gäste. Daxelhofer schickt die Leute weg (übers Brücklein führt der Weg). Süffisant sagt er zu den Leute: Von mir aus könnt ihr schon hier sitzen bleiben... aber ich würd an eurer Stelle lieber verschwinden... in zwei, drei Stunden sind die Welschen da, und dann seid ihr alle einen Kopf kürzer...
Wenn die Leute motzen: die Oberkeit spiele ein doppeltes Spiel, der Rachefeldzug gegen die Bauern sei schon geplant, sagen die beiden nur: sie täten ihr Bestes für das Land.
Abtritt Hummel und Daxelhofer .

Eine Landfrau wird die Leute vom Brücklein her ansprechen, sie rüber holen und erzählen.


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Erzählerin auf der Geissbachbrücke (Käthi Bähler)

Stoff: Nach Mai 1653. Der Frieden vom Murifeld hat sich für die Landleute schlecht ausgezahlt. Kaum waren sie zu Hause, fiel eine gewaltige Armee von Zürchern ins (bernische) Aargau ein. Niklaus Leuenberger zog ihnen entgegen, er glaubte an ein Missverständnis. Aber auch der General von Erlach brach mit seiner welschen Armee aus Bern aus, verwüstete das Land, mordete Aufständische dahin und brandschatzte ihre Häuser. Danu Küpfer, Landeshauptmann der Emmentaler, rief die Auszüger noch einmal in Herzogenbuchsee zusammen, aber Leuenberger schickte sie wieder heim – Widerstand führe nur zum einem unnötigen Blutvergiessen. Und damit hatte er wohl Recht.
Alles war verloren. Die Herren besetzten das gesamte Bernbiet. Sie legten dem Land hohe Bussen und Strafen auf. Und machten Jagd auf Rebellen. Manche flohen in die Berge, manche ins Ausland und wurden nie wieder gesehen. Schulmeister Schindler war so einer, auch Statthalter Berger von Steffisburg.
Der Leuenberger wurde verraten, gefangen und am Ende gevierteilt. Desgleichen Daniel Küpfer, sein Stellvertreter, der alte Schmied von Höchstetten.
Christen Schybi wurde heftig gefoltert und dann geköpft, wie gut fünfzig andere Landmänner. Ende September wurde auch noch Ueli Galli gefasst, und zwar hier im Eggiwil oberhalb des Giebels, als er noch einmal zurückkam, um etwas zu reichen.
Ueli Galli wurde als Einziger wie ein gemeiner Dieb gehängt.

Nach dem Abgang der Bauern und der Herren bleiben die Gäste um das Lagerfeuer zurück. Die Erzählerin muss die Leute (von der kleinen Brücke her) rufen und sie zum Ende des Parcours führen – die Rosechüechli- und Fuhrwerk-Rückfahr-Station.
Angesichts des beträchtlichen Erzählstoffs sollten wir die Erzählerin von Pflichten bei Verpflegung/Station entbinden. Dann ist sie auch frei zu wählen, wo und wie sie den Stoff vermitteln will.
Sie ist die einzige Erzählerin, die nicht in die Handlung involviert ist, sondern resümierend eine Geschichte erzählt, die sich über Monate hin erstreckt. Spricht meiner Auffassung nach für eine stationäre Erzählweise und für eine Figur, die sich aus der 1653er-Realität heraushebt.

 

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Szene Waldrand vor kleiner Geissbachbrücke
Personen:
(Erzählerin Käthi Bähler) / Christine Zurflüh, Frau des Fuhrmanns (Christine Oberli) und zwei weitere Rosenchüechli-Köchinnen / Hans Kiener, Leiter Fuhrwerk-Station

Die Rückfahrt. Irgendwo im Bernbiet, Herbst 1653

Die Endstation für die Fuhrwerke. Die Leute werden von hier aus heim gefahren (zum Höllbrüggli).

Ein Feuer mit einem Topf (genauere Einrichtung noch offen), die Betreuerinnen der Station backen Rosenküchlein und geben sie den wartenden Gästen ab.
Dort, wo das Fuhrwerk wendet und wartet, steht deutlich sichtbar ein Schild: “Rückführung ins Jahr 2003 - 1 Batzen”. Dabei ist die “1” durchgestrichen und eine “2” drüber geschrieben. Wegen der Batzenabwertung kostet die Fahrt jetzt 2 Batzen.
Die Fuhrfrauen haben eine Doppelaufgabe: Sie offerieren den Gästen Rosenküchlein und sie kassieren den Fahrpreis ein.

Dabei hat das Fuhrwerk Vorrang. Falls ein Fuhrwerk wartet und noch Plätze frei hat, wird es (gegen Bezahlung natürlich) möglichst umgehend aufgefüllt und abgeschickt.
Müssen die Leute auf das Fuhrwerk warten, sind hingegen Rosenküchlein angesagt, und die Fuhrfrauen lassen sich auf grössere Diskussionen über den Fahrpreis ein (dies als unterhaltendes Element, das aber genau in die Situation von 1653 passt - die Abwertung des Bernbatzens um die Hälfte war der Anlass des Bauernaufstands, und die Erhöhung des Fahrpreises ist ein Ausdruck für die Schwierigkeiten, die durch die Abwertung entstanden).
Fuhrwerke sind knapp und sollten deshalb möglichst kurze Zeit an der Station verweilen.


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Szene Waldrand
keine Personen

Der Galgen

Das Strafgericht der “Gnädigen Herren” war grausam. Ihre Truppen gebärdeten sich wie übelste Besatzungstruppen im Feindesland. Abgesehen von verbrannten Häusern und Dörfern, Plünderungen und Vergewaltigungen und horrenden Geldstrafen für Gemeinwesen und einzelne Personen wurden über 50 “Rädelsführer” hingerichtet.  
Hinrichtungsstätte für die bernischen Untertanen war der Galgen untenaus der Stadt Bern, auf dem höchsten Punkt des Parks Laubeggstrasse 38 gelegen, links vom oberen Ende des Haspelwegs.
Am  25. Oktober/4.November  1653 wurde Ueli Galli als Einziger unehrenhaft gehängt. Mit ihm wurde Kon
rad Brenner, der von Galli für die Bewegung gewonnene Notar und Bundesschreiber, gerichtet. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits die Köpfe etlicher Rebellen an den Galgen genagelt, auch derjenige Leuenbergers samt dem Bundesbrief, von Daniel Küpfer zudem der rechte Arm.

Bilder von Galgen sind - obwohl die Hinrichtungen öffentliche Attraktionen waren - wegen des Tabus des Galgens eine ausgesprochene Seltenheit. Abbildungen der beiden Berner Galgen sind mir nicht bekannt.
Unser Galgen ist schlicht mit einem Strick behängt, ohne weitere Grausamkeiten.
Bei Gestalt und Ausmass des Galgens gehen wir vom - durch kürzliche archäologische Ausgrabungen eingehend erforschten - Luzerner Galgen aus. Der Galgen war gemauert und stand auf einem dreieckigen steinernen Podest - worauf wir verzichten müssen.

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Szene Höllhüsli 2
Personen:
Michel Ermel, Schachenbauer. Johanna Ermel, seine Frau

Das Schuldenbäuerlein, 2003

Quelle/Idee: Als Vorlage diente eine Klagerede von Marc Lauper  zur Lage eines heutigen Kleinbauern im oberen Emmental. Dieselbe Szene bildet - nahezu 1 zu 1 übertragen ins Jahr 1653 - den Anfang des Stationentheaters.

Das Höllhüsli muss nach dem Eintritt de letzten Gästegruppe rasch aufs Jahr 2003 umgebaut werden, bevor die ersten Gäste wieder beim Höllbrüggli eintreffen.

Der Schuldenbauer sitzt am Tisch seiner billig und geschmacklos ausgestatteten ärmlichen kleinen Küche: Neonlicht, veralteter Herd, Linoleumboden, Plastik-Vorhänge, auch sonst viel Plastik. Die Küche wirkt schmuddelig – Decke und Wände sind gräulich oder gar schwarz vom Rauch. Draussen eine TV-Satellitenschüssel.
Seine Frau sitzt in einem ebenfalls ziemlich geschmacklosen, aber bequemen Stuhl und schaut fern. Am TV läuft ein Gölä-Konzert. Sie knabbert Pringles aus der Rolle.

Michel Ermel: (zu den Ankommenden): Ja, chömet nume! Tüet nid schüch! Machet nech’s bequem i üsem Heim! Hanna – offeriere ne doch öppis, üsne Gäst! Viu hei mir nid, aber mir teile’s gärn mit de Lüt us dr Stadt.

Hanna: Die ha-n i für mi gchouft! Bin i gopfriedstutz e Kiosk!? Knabbert weiter.

Michel Ermel (etwas spöttisch): Dir syt ja sicher die, wo üsi Produkt choufet, o we si mängisch chly türer sy. – Hättet nid ddänkt, dass es ir ryche Schwyz no Möntsche git, wo so läbe, he!? Isch chly öppis anders als “Ferien auf dem Bauernhof” i so m’ ne Touristedörfli!
Mir läbe hie halt scho a stotzige Höger. U Heimatland!, wenn i dänke, dass mer no vor zäh, zwölf Jahr, über ne Franke für e Liter Milch hei bercho, u jitze... söll bau nüt meh wärt sy, was mer gäh. Gäng weniger Lüt produziere gäng meh – u ds ganze System krachet zäme. U nächhär heisst es gäng no: dir syt zweni wirtschaftlech gsy, zweni effiziänt! Da söll mer mal eine-n erkläre, wo da d Logik isch.
Richtig pure wie dr Vater u Grossvater cheu mer scho lang nümm meh. U jitz chömet mer ja nid: i heig dr Aaschluss verpasst! Ja nid! I ha würklech alls probiert, es geit ja schliesslech um mys Überläbe. Zersch sy si cho mit Maschine, wo mer müessi zueche tue ir Gnosseschaft. Hei mer gmacht. Aber am Hoger – weisch was? Da chostet d Mieti u ds Bänzin oder dr Strom grad äbe soviu wie das, wo de drus chasch löse. De machsch es äbe no lieber vo Händsche. U de sy si cho mit der Hüehntschi- u der Schweinemast, Zuesatzverdienst, u syg eine blöd u sälber tschuld, we-n er das nid machi. Ja chasch dänke! Wo si allne so Viechleni u Ställ hei aadräyt gha, hei si d Tierschützer verbygschickt, u di Sach verbote. Oder Uflage gmacht, wo eifach kene meh het chönne zahle. Mit der Gschicht vom Dünger wott i gar nid afah! Zersch chömes eim cho Vorträg halte, was me-n alls müess y Bode gheie, we dä Bode söll rentabel sy. I ha nid d Hälfti gnoh vo däm Zügs, u trotzdäm, was heissts hüt? Umwältsverschmutzer! I heig der Bode versüücht! I gnüegi uf Jahre use däne Bio-Vorschrifte nid, o we-n i alls vo Händsche mache, versteisch? U das gäb halt no einisch der teufer Prys.
Überhoupt: lueg mal nume di Vorschrifte, gopf! Wosch es Schürli ufstelle, geit das nid, oder wosch es vermiete, geit dies nid. U irgendwettegi Beamte z Signou u ersch rächt z Bärn unde suehle sech i däne Papierhüfe u verdiene immer meh dra – u mir gly nüt meh.

I ha weiss Gott alls Mügleche probiert, mir sälber z hälfe, innovativ z sy, wie s dr Couchepin verlangt. Lueg mal: kennsch das? (zeigt den Musikkäse). Ä-ä. Das hei mir es paar zäme-n entwicklet. Pop-Cheese! Wenn d ne zwüsche de Zähng hesch, macht er Musig! Gloubsch nid!? Probier mal (reicht den Gästen Käse). Chasch ne y Sack näh, wie Nüssli oder äbe Pop-Chorn. Mir sy cho drin bi de Langnou Tigers. Ir Ilfishalle verchoufe si ne ir Pouse. Jitz luege mer o mit de Chino u de mit der Grossverteiler. I ha ne Termin bim Coop-Bärn-Ychoufs-Chef. Guet, he?
Aber we das nid superguet louft mit däm Pop-Cheese, de weiss i o nüm. Was söll I de? Ir Stadt finde-n i o ke Job, i bi halt nume ne Pur, u scho chly älter. D Hanna cha drei Abede im ‘Crazy Pub’ gah serviere, so im ene rote Läder-Mini – gäll – i säge nech lieber nid wo gnau –aber das längt no niene hi.
Herrgott! Mir cheu-n is doch nid i Luft uflöse! Gah suufe, bis si eim ufläse u versorge? De berchämsch ämu gnue z frässe. U ds Land hie cha vergande – isch de nümm mys Problem, es wirft ja einewäg zweni ab.

(Zu Hanna:) Stell di Chiste chly lysliger! Das Ghüül isch ja nid zum ushalte!

Hanna (dreht Ton auf): Du isch nume nydisch, Mike! Mit däm bisch no zäme y d Schuel. Dä het’s zu öppis bracht. U du hocksch nume-n ume da i däm Loch u rüefsch us. U mys Schicksal isch, dass i das gäng muess mit alose.

Michel Ermel: Lue mal dä ufbblasnig Typ a. Mit däm wett i ämu nid tuusche u de jahrelang mit rotem Gring i irgendwettige Stube-n umeflimmere ...

Hanna (unterbricht): Das chönntsch o nid! Das wär ja e pynlechi Nummere – dr Höllschache-Pur im Hallestadion! Würdsch nume wieder vo dym Chäs labere, bis d Lüt dervoloufe.
(Singt Song vom ‚wysse Schwan’ – doch mit ‚wysse Chäs’).

Michel Ermel: Du versteisch mi falsch! Das isch mys Schicksal! I wott säge: Eigentlech bin i gärn Pur! I möcht nüt anders. Bis vor – ja – öppe em ne Dotze Jahr ha-n i o no gwüsst, für was i da bi. Ja – defür luege, dass d Bevölkerig z ässe het, o i schlächte Zyte. Das isch d Pflicht vom Purestand. Zu Zyte vom Minger un vom Profässer Wahlen – Aabouschlacht – , da sy mer no gschätzt gsy, d Pure u d BGB, d “Bauern-, Gewerbe- und Bürger-Partei”. Sogar dr Dölf Ogi, da cheut der säge, was der weit – aber dä het sy Sache ganz ordeli gmacht. Der letzte seiner Art! Wie bi usstärbende Tierarte – das trifft der Nagel nid schlächt uf e Chopf. So chöme mer üs vor.
Vilech... vilech sötte mer glych wieder mal Hunger ha, für z merke, we’s a z Läbige geit, was mer eigetlech mache. U de würd me wieder gseh, was dr Pur eigetlech isch: eine wo derfür luegt – wo Sorg het zum Bode, u äbe: eine, wo Tag u Nacht derby isch, wo Freud het a däm, wo nis d Ärde schänkt.

So, göht jitz, chöit dusse wyter ässe! Gspüret nume mal chly d Chälti! Tuet nech guet.
Löht mi i Friede !

 

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(etwas zur Form des Stationentheaters)

 

 

 

Berner Zeitung April 2003 - Serie zum Gedenkjahr an den Aufstand von 1653. Von Urs Hostettler.

(1) Der Aufstand der Landleute 1653


um 1635

Die Schweiz ist eine Insel
im grossen europäischen Krieg. Das ist durchaus nicht selbstverständlich. In ihrer glorreichen Vergangenheit haben die Eidgenossen im Schlachtgetümmel stets freudig mitgemischt. Und wenn der Krieg nicht zu ihnen kam, sind die Schweizer zum Krieg gegangen.
Was da während einer ganzen Generation mit Pulver- und Brandgeruch über den Kontinent hinwegfegt, müsste eigentlich dem hiesigen Geschmack entsprechen.
Nun - der Söldnerhandel ist immer noch ein florierendes Geschäft. Ansonsten aber kommt man bald zur Einsicht, dass ein blutiger Streit der Konfessionen hierzulande das Ende der Dreizehn Orte der Eidgenossenschaft bedeuten würde. Vom Einmarsch fremder Heere ganz zu schweigen.
Die Tagsatzung in Baden einigt sich auf die gemeinsame Verteidigung der Grenzen, die seltsamerweise mehrmals von... Schweden bedroht scheinen. Die Herren der Dreizehn Orte leben nicht schlecht von der Vergabe von Werberechten. Und dass die Landwirtschaft zu Kriegszeiten gefragt ist wie niemals sonst - das zu betonen, ist reine Verschwendung von Druckerschwärze.

Einige wirtschaftliche Massnahmen werden in dieser schweren Zeit von der Bevölkerung hingenommen. Wie der Krieg aber langsam abflaut und doch kein Ende findet, erregen sie zunehmend Missmut.
Der grosse Schanzenbau im Westen Berns etwa. Gut und recht. Aber je höher die Schanze wächst, desto mehr schwindet die Kriegsgefahr. Oder die schlechten Berner Batzen aus Mangel an spanischem Silber: andere Städte prägen inzwischen wieder bessere Münzen -  Bern verbleibt bei seinen Kupferlingen. Die Verstaatlichung des Salzhandels (die einer indirekten Wehrsteuer gleich kommt) und das Trattengeld (die Steuer auf ausser Landes verkaufte Tiere) sind auch nicht gerade Liebkinder der Landleute.


1641

Ein Söldnerheer in Bern
ist des Guten zu viel. Als die Gnädigen Herren von Bern im Januar 1641 verkünden, das Milizsystem reiche angesichts der äusseren Bedrohung nicht mehr aus, ein stehendes Heer solle geworben werden, finanziert durch eine neuartige Vermögenssteuer, regt sich Widerstand.
Vier Gerichtssässen von Röthenbach reichen - unterstützt vom Vogt von Signau - eine Klageschrift ein. Was die Herren ganz und gar nicht goutieren. Der junge Vogt Beat Herport wird gerüffelt, und an einem der vier Rebellanten will man ein Exempel statuieren. Mitten in der Nacht wird die Rothachenmühle von Schergen des Schultheissen von Thun überfallen und der Müller Klaus Zimmermann entführt.
Die Landleute ein wirksames Alarmsystem aufgebaut. Am nächsten Tag belagern Tausende von Bauern die Stadt Thun und verlangen den Zimmermann heraus. Auch als jenem durch einen Sprung über die Schlossmauer hinab die Flucht gelingt, ziehen die Belagerer nicht ab. Schliesslich reisen die Bürgermeister von Zürich und Basel zur Vermittlung zwischen Obrigkeit und Untertanen an. Ein Kompromiss wird ausgehandelt: Bern verbleibt beim Milizsystem, die neue Wehrsteuer wird auf sechs Jahre beschränkt. Den Untertanen werden ihre alten Freiheiten garantiert und Verbesserungen im Salzhandel und anderswo versprochen.

Die Landleute feiern den "Thunerbrief" als Sieg und ihre Unterhändler als Helden, vor allem Ueli Galli, Giebelbauer im Eggiwil und Gerichtssäss zu Röthenbach, der das Dokument im Namen der Landschaft vor dem Berner Rathaus entgegen nehmen durfte.


November 1652

Die billigste Lösung
wählen die Gnädigen Herren von Bern zur Behebung ihres Münzproblems. Statt das minderwertige Kriegsmünz einzuziehen und durch bessere Stücke zu ersetzen, erklären sie die Abwertung des Berner Batzens auf die Hälfte seines Werts. Die Pfarrer verlesen dieses Mandat am Sonntag nach dem grossen Martinimärit von den Kanzeln. Just zu jenem Zeitpunkt, als das meiste Handmünz bei den Bauern und Händlern liegt. Die Burgerfamilien haben seit Tagen davon gewusst.
Die Empörung der Untertanen ist gewaltig. Erst ging der Krieg zu Ende... na ja, da wurden aus den geschätzten Landesversorgern wieder die Hinterwäldler. Die Preise sanken ins Bodenlose. Die Gülten bleiben. Trattengeld und Salzpreis desgleichen. Von den horrenden Bussen der Landvögte ganz zu schweigen.
Mehr noch. Verarmte Söldner kehren in Scharen in ihre Heimat zurück. Viele dieser rohen Gesellen schliessen sich zu Bettlerbanden zusammen. Eine echte Landplage. Zu allem Übel haben 1651 und 1652 Gewitter und Überschwemmungen die Felder verwüstet. Königin Elisabeth spräche, so sie noch lebte, gewiss von einem Annus horribilis.


Januar/Februar 1653

Entlebucher Knüttel mit eisernen Stefzgen dran
sind das Gadget der Saison.

Während die Emmentaler erst mal den Schnee schmelzen lassen und den Langnauer Märit anfangs März abwarten wollten, schickten die Entlebucher sofort ihre Landesbeamten vor den Luzerner Rat und brachten dort ihre Klagen vor. Da begegnete man ihnen derart drohend, dass sie aus der Stadt flohen. Im Entlebuch paradieren jetzt Knüttelmänner, angeführt von drei Tellen in alten Gewändern, durch die Dörfer. Über die Wirksamkeit dieser Waffen lässt sich mit Fug streiten; aber gfürchig schauen sie aus, und den Herren sind sie ein Gräuel. Die wehrhaften Entlebucher drohen jeden Angreifer aus dem Tal zu schlagen, und einen ganz unflätigen Anfang machen sie mit drei städtischen Schuldeintreibern.
In Wolhusen schwören die Untertanen der luzernischen Ämter, einander bei der Durchsetzung ihrer Bittschriften beizustehen und im Fall der Not zu helfen.


März 1653

Die Tagsatzung in Baden plant den Krieg
gegen die ungehorsamen Untertanen. Die versammelten Herren der Dreizehn Orte veröffentlichen eine Schimpflitanei auf die Entlebucher und beschliessen ein geheimes Defensional - einen regelrechten Kriegsplan ihrer vereinigten Armeen zur Abstrafung der "bösen Buben" im Entlebuch und ihrer Gefolgsleute.

Die Lage ist verworren. Bürgermeister, Schultheissen und Landammänner reisen wie von Wespen gestochen von Konferenz zu Konferenz. Luzern schliesst mit seinen Untertanen einen Frieden, richtet aber gleich danach ein Gesuch um militärische Hilfe an die gesamte Eidgenossenschaft, das die Bevölkerung allerorten zu den Waffen greifen lässt - sei es, um dem Aufgebot der Obrigkeit zum Zug gegen die Entlebucher zu folgen oder um eben diesen zu verhindern. Wie Hilfstruppen aus fremden Orten in der Stadt Luzern eintreffen, ziehen die Entlebucher und Willisauer mit ihren schönen Knütteln vor Luzern, um weiteren Zuzug zu unterbinden.
Die Berner Landleute halten eben an den Märkten von Huttwil und Langnau ihre ersten Landsgemeinden ab und tragen ihre Bittschrift nach Bern, als sie vom bevorstehenden Feldzug gegen die Entlebucher erfahren. Bald erscheinen fremde Soldaten zur Verstärkung der Schlossbesatzungen. In Aarau hält das Volk anmarschierende Basler Truppen auf und zwingt sie zur Umkehr.
Derweil verhandeln 29 Abgeordnete des Amts Trachselwald (unter ihnen Niklaus Leuenberger) in Bern mit der Obrigkeit über ihre Klagepunkte. Der Zürcher Bürgermeister Waser vermittelt erfolgreich. Mitten in den März-Wirren schwören die Trachselwalder den Gnädigen Herren von Bern kniefällig die Treue.
Doch Signau ist nicht Langnau. Dort bereiten die Oberemmentaler gemeinsam mit den Willisauern und den Entlebuchern eine grosse Landsgemeinde aller Untertanen vor, einen neuen Bund, der den Geist der alten Eidgenossenschaft wieder erwecken soll.


April 1653

Die Landsgemeinde von Sumiswald
am 13./23. April ist der grosse Festtag der Bewegung von 1653. Landleute und Kleinstädter aus den vier Orten Bern, Luzern, Basel und Solothurn versammeln sich an diesem Mittwoch auf der Matte, neben Abgeordneten der Gemeinden auch viele Zuschauer, gegen 2000 an der Zahl.

Ueli Galli begrüsst die Anwesenden und übergibt das Wort an einen jüngeren: an Niklaus Leuenberger vom Schönholz, der Obmann des neuen Eidgenössischen Bundes werden soll. Lehrer Müller von Schüpfheim verliest die Bundesartikel: Die Untertanen wollen den Bund der alten Eidgenossen erneuern. Auch Obrigkeiten sollen aus ihm Nutzen ziehen können. Ungute neue Aufsätze sollen abgetan werden, im Streitfall muss der gütliche Vergleich gesucht werden. Wenn aber eine Obrigkeit Kriegsvolk gegen ihre Untertanen ins Land führt, verspricht man sich gegenseitig beizustehen. Und niemand soll wegen des jetzigen Aufstands festgenommen werden.
Auch Vertreter des französischen Ambassade und der Berner Regierung sind nach Sumiswald geladen worden.
Über den definitiven Wortlaut der Artikel kann man sich noch nicht einigen. Die Untertanen werden sich noch zweimal in Huttwil treffen und dort ihren Bundesbrief beschwören - auch in der Hoffnung, ihren Bund auf weitere Gebiete auszuweiten.


Mai 1653

Das doppelte Spiel der „Gnädigen“ Herren
kann man aus staatspolitischer Warte bewundern oder mit reinem Herzen verabscheuen.
Für die Herren der 13 Orte ist der Untertanenbund ein unakzeptables Machwerk. Zwar haben dessen Schöpfer darauf geachtet, nichts in den Text einfliessen zu lassen, was ihnen nicht zusteht. Doch haben sie in ihrer schlichten Vorstellung von der alten Eidgenossenschaft der Landsgemeinde die letztliche Schiedsgewalt über Neuerungen übertragen (nach heutigen Vorstellungen ein Referendumsrecht), was die Herren ebenso wenig dulden können wie die Weigerung der Untertanen, gegen einander ins Feld zu ziehen.
Die "Gnädigen Herren" planen in den nächsten Tagen und Wochen die Niederschlagung des Bauernbundes, sie mobilisieren Truppen in den treu gebliebenen Gebieten, werben einiges dazu, und führen ihre drei Armeen gemäss dem Kriegsplan der Tagsatzung in die Städte Zürich, Bern und Luzern.
Gegenüber den Unzufriedenen zeigen sie sich verhandlungsbereit, gewähren den Schwankenden auch einige Zugeständnisse, während der harte Kern des Bauernbundes - darunter sind sicher die Emmentaler, die Entlebucher und die Willisauer zu verstehen - mit formalen Argumenten hingehalten wird.

Die Hinhaltetaktik der "Gnädigen Herren" sorgt für Verunsicherung. Einige Landesteile schwanken in ihrer Bundestreue und erklären sich zufrieden mit der Oberkeit, doch erfahrene Bauernräte durchschauen die Taktik. Sie lassen die Brücken im Westen Berns (die Gümmenenbrücke und die Brücke von Aarberg) bewachen und drängen auf einen härteren Verhandlungsstil.
Am 11. Mai ergeht im Emmental und bis hinunter in das Aargau der Landsturm. Die Ankunft der welschen Divisionen bei den gesperrten Brücken hat den Sturm ausgelöst, gleichzeitig ist ein Ultimatum an die Stadt Bern ohne Antwort verstrichen. Die bewaffneten Landleute lagern bei Ostermundigen östlich von Bern.
Bundesobmann Leuenberger tut alles, die Lage zu beruhigen und den Herren zu versichern, man wolle bloss miteinander reden und habe keinerlei böse Absichten.

Die Berner ihrerseits können ohne ihre welschen Armee die Bauern auch nicht aus ihrem Lager vertreiben - die Stadt hat um 9'000 Einwohner, die Zahl von 10- 12’000 Belagerern ist beeindruckend. Die Regierung muss mit den Landleuten verhandeln und darauf vertrauen, dass der "Bauernkönig" Leuenberger bald einen Frieden verkünden, seine Leute heim schicken und die Brückensperren öffnen wird.
Verfügt dann General von Erlach in der Stadt erst mal über die angeforderten 5000 welschen Soldaten, hat man allerdings vor, die rebellischen Untertanen mit aller Macht zu bestrafen. Man wird im Bernbiet ein für alle mal Ruhe und Ordnung schaffen. Von Zürich her wird bereits nächste Woche die Armee des Generals Werdmüller zur Befriedung der Untertanen in das Aargau einfallen.

Im Bauernlager wird der Proviant knapp. Die Festfreude ist gewichen. Leuenberger verkündet am Abend des 14. Mai im Bauernlager erstmals den Erfolg der Friedensverhandlungen, am 16. noch einmal, doch hat der Berner Rat das Ergebnis noch nicht gebilligt. Leuenbergers Reden verursachen heillose Verwirrung. Eine Kompanie der Bauern greift bei der Neubrücke die Stadtwachen an, während andere bei der Gümmenenbrücke welsche Kompanien passieren lassen, in der Meinung, der Frieden sei geschlossen.
Daniel Küpfer, Ueli Galli und andere Köpfe des Aufstands durchschauen die Absichten der Stadtherren sehr wohl. Doch gegen den Friedenswillen des Obmanns Leuenberger ist kein Kraut gewachsen. Dessen Popularität beim Landvolk ist ungebrochen.
Als Leuenberger am 18. Mai endgültig den Frieden ausruft und die Bauerntruppen heim schickt, ist das traurige Schicksal des Bauernbunds besiegelt. Die Belagerer kehren heim. Da der Murifelder Vertrag allgemeine Straffreiheit zusichert, meinen die meisten, der Handel sei zumindest ehrenhaft abgeschlossen und vorbei.

Von Zürich aus setzt sich am 20. Mai die Armee General Werdmüllers Richtung (bernisches) Aargau in Marsch. Kurze Zeit darauf bricht General von Erlach mit seiner nun in Bern zusammengezogenen welschen Armee raubend und brandschatzend aus der Stadt aus.
Leuenberger eilt in das Aargau. Im Zürcher Feldlager zeigt er Bürgermeister Waser und General Werdmüller seine Abschrift des Murifelder Friedensvertrags. Man will ihm nicht glauben. Die Berner Oberen verleugnen den Vertrag.
Daniel Küpfer als Landeshauptmann hat die Emmentaler nach Herzogenbuchsee aufgeboten. Dort tritt am Pfingstsamstag der Obmann Leuenberger vor sie und schickt die Leute wieder heim. Man solle auf den geschlossenen Frieden vertrauen.


ab Juni 1653

Die Rache der Herren
ist brutal. Aufständische Dörfer werden geplündert und niedergebrannt, als Rebellen bekannte Bewohner standrechtlich erschossen, über fünfzig "Rädelsführer" zu Tode gebracht, viele andere, auch ganze Gemeinden, mit harten Geldstrafen belegt.
Niklaus Leuenberger, der sich bis zuletzt keines strafwürdigen Vergehens bewusst ist, wird wie Daniel Küpfer gevierteilt – die alte Strafe für Landesverrat, bisher in Bern erst einmal vollstreckt. Ueli Galli wird als einziger Berner Rädelsführer wie ein gemeiner Dieb gehängt.
Die meisten "Rebellen" und "Aufrührer" werden mit dem Schwert gerichtet, mancher auch zur allgemeinen Überraschung als Vertreter eines Amtsbezirks, obwohl er sich nicht in bemerkenswerter Weise rebellisch gezeigt hatte.
Andere verlassen Heim und Familie und werden nie mehr gesehen - zumindest nie mehr aktenkundig.


 

(2) Aufständische

Die Alten vom Berg

"When I’m Sixty-Four"... Gartenarbeiten, mal Placken stechen, mal eine Sicherung auswechseln, ein Ausflug am Sonntagmorgen - so sieht Paul McCartney sein Leben als 64jähriger.
Einen ruhigen Lebensabend im Kreis der Familie wünschen sich gewiss auch die Männer, die 1641 an der Spitze der Landschaft gestanden haben, als man vor Thun zog, den Zimmermann befreite und einen Freiheitsbrief aus der Hand des hochwohlgebornen Zürcher Bürgermeisters Hirzel erhielt.

Ueli Galli, Giebelbauer im Eggiwil, 64jährig, mehrfacher Grossvater, Chorrichter und Vertreter seines Dorfs am Niedergericht Röthenbach. Er hat zwei Söhne, Hans und Peter, die den Hof mit den acht Kühen, einigen Kälbern und Rossen bewirtschaften.

Sein alter Freund Hans Rüegsegger, seit über zwanzig Jahren Weibel von Röthenbach, Bauer auf der Niederey, auch er Grossvater, 65jährig.

Daniel Küpfer, der alte Schmied von Höchstetten, hat die Schmitte nach dem Tod seiner zweiten Frau Elsbeth seinem Sohn übergeben und sich auf den Alterssitz zurückgezogen, auf das Gut Pfaffenbach bei Langnau. Auch er ist bereits 65.

Christen Zimmermann, der Wirt von Steffisburg. In jungen Jahren kam er als Söldner in der Welt herum, später ist er zum Weibel seines Dorfes aufgestiegen. Er war der erste, der 1641 für seine Reden gegen das geplante Berner Söldnerheer bestraft wurde - mit Rutenschlägen und Verlust seines Amts. Als sein Bruder Klaus entführt wurde, führte er in Thun die Verhandlungsdelegation der Landleute an.

Wie Berner Herren Ende 1652 zum Schaden der Landschaft ihre Batzen abwerten, ist der Ruhestand der Thunerkriegsveteranen bald empfindlich gestört. Die Landleute suchen nach erfahrenen Männern, die ihre Sache an die Hand nehmen könnten. Und Ueli Galli, der damals an Pfingsten in Bern den Thuner Freiheitsbrief ausgehändigt bekam, ist ihre erste Adresse.
So beginnt der Aufstand der Berner Landleute mit einer Versammlung im Eggiwil. Mitten im kalten Winter treffen sich in Ueli Gallis Haus auf dem Berg die weisen Alten mit einem halben Dutzend unzufriedener Jungen. Man ist der Meinung, die Batzenabwertung verstosse gegen die Artikel des Thunerbriefs und sei somit nicht rechtens.

Während des Aufstands
sind die Alten vom Berg die Motoren der Bauernbewegung. Sie organisieren die erste Berner Landsgemeinde am Langnauer Märit. Als die Herren Ende März in Bern mit Trachselwalder Abgeordneten verhandeln und dessen ungeachtet einen Feldzug gegen das Entlebuch vorbereiten, ruft Ueli Galli zu einer Landgemeinde in Signau auf. Hier sprechen Landleute aus dem Emmental, dem Seeland, dem Oberland, Schwarzenburg, auch Solothurner und Luzerner Landleute. Sie beschliessen, der Obrigkeit nicht zu huldigen. Stattdessen sollten sich die Untertanen der ganzen Eidgenossenschaft verbünden und einander beistehen, so wie auch die Herren sich verbündet haben.

Vierzehn Tage darauf ist es soweit. Der grosse Bund der Untertanen entsteht in Sumiswald. Die alten Männer aus dem Oberemmental begreifen wohl, dass ein Bund, der für die Eidgenossenschaft zukunftsweisend sein soll, nicht von 65-jährigen Opas geleitet werden kann. Sie finden Niklaus Leuenberger, einen sehr ansehnlichen Bundesobmann, eine Generation jünger als sie alle. Ueli Galli gilt fortan als der erste Ratgeber des Obmanns, Hans Rüegsegger wird zum Kriegsrat. Daniel Küpfer, der Schmied, wird zum Landeshauptmann der Emmentaler und Leuenbergers Stellvertreter.
Ueli Galli gewinnt einen weiteren wichtigen Mann für die bäuerliche Führung: Notar Brenner von Konolfingen übernimmt das Amt des Bundesschreibers. Galli ist auch der ‚Aussenminister’ des Bauernbundes. Er bespricht sich mit dem Sekretär der französischen Ambassade in Solothurn.

Die Herren von Bern betreiben nun ihre Doppelstrategie. Sie verhandeln langwierig mit den Untertanen und bieten gleichzeitig ihre auswärtigen Armeen auf. Es sind Galli, Rüegsegger und Christen Zimmermann, die in Langenthal fordern: man müsse die Pässe sperren und Bern von der Nahrungsmittelzufuhr abschneiden.

So geschieht es am 11./21. Mai. Auf die Nachricht von anrückenden Welschen hin ergeht der Landsturm. Galli und Küpfer weisen den bewaffneten Leuten Lagerplätze um die Stadt Bern zu.
In den folgenden Tagen verkommt die Bewegung der Landleute zum Trauerspiel. Der Obmann Leuenberger verhandelt weiter, als sei nichts geschehen und zeigt sich denkbar unkriegerisch. Galli und Küpfer haben Mühe, die Belagerer zusammen zu halten. Sie sehen, dass diesmal nicht wie 1641 vor Thun einige vornehme Weissbärte zur Vermittlung anrücken werden, sondern gewaltige Armeen mit Kavallerie und Artillerie. Sie versuchen, sofortige Kriegsmassnahmen gegen die Stadt durchzusetzen. Jetzt oder nie. Doch der Obmann setzt sich durch. Der Friede vom Murifeld wird geschlossen. Die Landleute ziehen ab.
Dann die Kunde vom Aufbruch der grossen Zürcher Armee in Richtung des Bernbiets. Während Leuenberger den Zürchern entgegen zieht, bietet Daniel Küpfer noch einmal die Emmentaler auf. In Herzogenbuchsee sammelt er 5000 Mann. Weil neben den Zürchern auch die welsche Armee unter General von Erlach herannaht, stehen die Chancen in einem Gefecht jetzt viel schlechter als letzte Woche vor Bern. Leuenberger reitet aus dem Aargau heran, tritt auf dem Kirchhof vor die Leute und schickt sie wieder heim. Die etwa 500 Mann, die sich trotz der Abmahnung des Obmanns in Herzogenbuchsee verschanzen, stehen unter der Führung von Daniel Küpfer und Hans Rüegsegger. Sie versuchen ihr Glück mit einem Feuerüberfall auf die bernische Generalität, müssen sich aber der grossen Übermacht beugen. General von Erlach lässt das Dorf in Brand stecken.

Verrat
Drei Wochen nach dem Gefecht von Herzogenbuchsee fallen Daniel Küpfer und Hans Rüegsegger in die Hände der Obrigkeit. Durch Verrat. Im Falle Küpfers ist Säckelmeister Krähenbühl von Wyttenbach der Judas, er erhält dafür einen Reichstaler aus der Staatskasse. - Dem Rüegsegger Hans erzählt der Pfarrers von Röthenbach: er solle sich auf Schloss Signau melden, die Menschenjagd sei vorüber, er könne sein Amt als Weibel wieder antreten. Weil die Geistlichkeit jeweils die Mandate der Oberkeit von der Kanzel verkündet und die Erlasse gut informiert ist, glaubt ihm Rüegsegger.
Ueli Galli flieht mit anderen gesuchten Rebellen auf Christen Zimmermanns Weide im Sörenberg. Er wird im September gefasst, als er sich noch einmal im Eggiwil blicken lässt. Seine Häscher sind geworbene Leute des Vogts von Trachselwald, allen voran jener Niklaus Dubach von Lützelflüh, der bereits den Leuenberger gefangen nahm.
Zimmermann wird im Abwesenheitsverfahren gehängt, dann 1656 begnadigt, bis seine Frau im Garten laut redet: man hätte der faulen, lügenhaften Obrigkeit niemals glauben und damals vor Bern angreifen sollen... Das Ehepaar Zimmermann muss erneut fliehen. Reisende berichten, sie hätten bei Stuttgart eine Mühle übernommen.


Niklaus Leuenberger, Obmann des Bauernbundes

Niklaus Leuenberger ist zum Zeitpunkt des Bauernkriegs 38jährig. Er bauert mit seiner Frau und sechs Kindern auf dem 'Schönholz' in der Kilchöri Rüderswil.
Seine Eltern sind früh verstorben. Schon als 23jähriger musste er den Hof führen und zu seinen jüngeren Geschwistern schauen. Er erwarb sich bald den Respekt seines Dorfs. Mit 28 sass er zu Gericht. Er ist der Beistand mancher Witwen und Waisen, ein unbestechlicher, zuverlässiger, hilfreicher und frommer Mensch, der sogar mit dem berüchtigten Vogt von Trachselwald in einem vertraulichen Verhältnis steht. Landvogt Samuel Tribolet ist Götti eines Kindes der Familie Leuenberger.

Der 25. März 1653 ist der schwarze Tag in Klaus Leuenbergers Leben.
Dabei scheint das Tagwerk durchaus von Erfolg gekrönt zu sein. Leuenberger hat eine Woche lang in der Stadt Bern verhandelt, gemeinsam mit 28 anderen Abgeordneten des Amts Trachselwald, und heute erhalten die Untertanen Konzessionsartikel aus der Hand des Eidgenössischen Oberschiedsrichters. Dafür schwören sie ihrer Obrigkeit kniefällig die Treue.
Anders als vor zwölf Jahren ist der Empfang der Unterhändler im Emmental aber sehr unfreundlich. Die Herren verschieben allerorten Truppen und planen eine Feldzug gegen das Entlebuch. Man begreift nicht, wie die 29 Abgeordneten angesichts der Lage den Kniefall leisten konnten und gar noch aushandelten, dass die Emmentaler ihre "Rädelsführer" ausliefern sollen. Die alten Oberemmentaler bereiten einen grossen Bund der Untertanen vor, unter Einschluss der Entlebucher.

In Sumiswald und Huttwil nimmt Niklaus Leuenberger das Amt des Obmanns an. Das tut er im festen Glauben, dass der neue Bund die moralische Kraft der alten Eidgenossenschaft erneuert und nicht mehr fordert, als den Untertanen nach göttlichem und menschlichem Recht zusteht.
Wie die Berner Herren in den folgenden Wochen die Landleute mit Verhandlungen hinhalten, ihre Armeen aufbieten und den Untertanenbund nicht anerkennen wollen, gerät Leuenberger, der doch stets ethisch handelte und nur das beste für das Gedeihen der Eidgenossenschaft anstrebte, zwischen Stuhl und Bank. Seine Bauernräte fordern ein härteres Vorgehen, wollen sich notfalls mit Waffengewalt durchsetzen. Der Obmann Leuenberger kann dies seines kniefälligen Eides wegen nicht zulassen. Als die Untertanen - gegen seinen Willen - vor die Stadt Bern ziehen, sucht er sein Heil weiterhin in Verhandlungen mit dem ihm vertrauten Altschultheissen Dachselhofer, mit dem er einen ehrenhaften Frieden zu erreichen hofft. Gegen jegliche Angriffspläne auf die Stadt setzt er sich vehement zur Wehr. Sein Ansehen in der Bauernschaft ist riesig, er setzt seinen Willen durch. Am Ende bricht Niklaus Leuenberger schweren Herzens seinen zweiten Eid, den er als Obmann des Bauernbundes vorgelesen und mitbeschworen hat: er schliesst den Murifelder Frieden, einen Separatfrieden mit den Herren von Bern, der den Bauernbund für null und nichtig erklärt.

Gewiss ist Klaus Leuenberger nicht heiter gestimmt, als er zu Auffahrt 1653 aufs Schönholz heimreitet. Er hat seine Bundesgenossen verraten, die grossen Ideale zerschlagen, aber immerhin eine Schlacht vermieden und einige Verbesserungen für die Landschaft erreicht.
Wie ihn die Herren nur Tage später hintergehen, den geschlossenen Frieden verleugnen und ihre Armeen aufs Land ausschicken, ist Klaus Leuenbergers Glaube an das Gute im Menschen gebrochen. Sein letztes Schreiben nach Bern drückt seine Gefühle aus: "Wir wollen die allerheiligste Dreifaltigkeit anrufen, damit wir die feindliche Gewalt, die sich wider uns aufbaut, in die Tiefe des Meeres versenken wie den gottlosen König Pharao und seinen Anhang. Der Herr wolle uns, sein Volk, durch dieser Trübsal rotes und wütendes Meer führen nach seiner Gnade, damit wir bei der Gerechtigkeit verbleiben können, dazu wir dann Ehre, Gut und Blut setzen wollen." (Text etwas gekürzt).

Trotz aller Zweifel setzt Leuenberger auch am Pfingstsamstag in Herzogenbuchsee noch auf die mit den Herren geschlossenen Verträge und schickt seine Soldaten heim.
Er selber wird von einer Schar von Kopfgeldjägern gefangen genommen und am 27. August 1653 gevierteilt. Vor seinem Tod richtet er noch zwei Begnadigungsgesuche an den Berner Rat. Er legt ein geistliches Reuebekenntnis ab - dass er sich nach seinem Eid vom 25. März zu neuem Ungehorsam gegen die Obrigkeit gebrauchen liess. Weltlicher Vergehen ist er sich nicht bewusst.


(3) Die Gnädigen Herren


Samuel Tribolet (1616 - 1673), Landvogt zu Trachselwald

Wenn 20’000 Untertanen bewaffnet vor die bernischen Städte ziehen, müssen sich die Herrschenden nach der Niederschlagung des Aufstands und der Abstrafung der Rebellen wohl oder übel Gedanken über die Ursachen der Unzufriedenheit machen.

Die allgemeine Landesarmut der vergangenen Jahre, während die mehrbesseren Burger in Saus und Braus lebten und nichts zur Linderung der Not unternahmen, dem Land nur noch mehr nachteilige Vorschriften aufbrummten und die längst hinfällig gewordenen Kriegsabgaben bestehen liessen, mit der Münzabwertung noch einmal Bauernschaft und Gewerbe belasteten - derartige Ursachen stehen nicht zur Disposition. Die Berner Herren wollen ihre bequeme Flickwerk-Herrschaft mit Tausenden von kleinlichen Mandaten und Verboten nicht in Frage zu stellen.
Erst weisen sie die Schuld bei den berüchtigten Täufern zu. Fast jeder Gefangene wird zur Täuferei befragt. Doch ergeben sich keine wesentlichen Bezüge. Darauf wendet sich die patrizische Meinung gegen die Landvögte im Emmental. "Menschliches Versagen eines Einzelnen" ist eine willkommene Erklärung.

Dass die Landvögte ihre Untertanen mit Bussen plagen, ist Usus. Wenn Ende Juli im Berner Rat die Vogteien feilgeboten werden, "practizieren" die Herren mit Beziehungen, Geschenken und gar mit Zahlungen an die Staatskasse um die besten Pfründe, mit der erklärten Absicht, in ihrer Vogtenzeit ein Mehrfaches ihrer Kosten wieder herein zu holen. "Mach Mist, derweil du Landvogt bist!" besagt ein Sprichwort der Bernburger. Und die Bussgelder bilden eine wichtige Einnahmequelle der Vögte, oft mit der Aussicht, Pfandgüter des Bestraften an sich zu ziehen. Nach der neuen bernischen Bussenordnung dürfen die Amtleute Bussen bis zu 10 Pfund für sich behalten.

Was aber Hans Rudolf Zehender in Signau und Samuel Tribolet in Trachselwald bieten, die beide ihr Amt 1649 angetreten haben, ist selbst für bestandene Ratsherren des Guten zu viel. Der Vogt von Signau, ein Mann der gemeinen Burgerschaft, jedoch mit einer Manuel verehelicht, trinkt oft über den Durst und hat die Fähigkeit, sich mit jedermann innert Kürze zu verkrachen. Er spezialisiert sich mit seinen Raubzügen zunehmend auf Geldstage: sehr rasch ist der Zehender jeweils zur Stelle und konfisziert unter Drohungen noch vor der Inventarisierung die besten Stücke aus Haushalt und Stall.

Auch Junker Samuel Tribolet hat eine gute Partie getätigt, die ihm Tür und Tor zu einer glanzvollen Karriere im Staatsdienst öffnete: seine Frau ist Ursula von Graffenried, die Tochter des Schultheissen. Kaum in Trachselwald im Amt, schafft er sich durch seine Raffgier, durch seine Ungerechtigkeit und käufliche Gunst (besonders schätzt er die wertvollen Silberbecher) einen miserablen Ruf. Er fordert den Untertanen für kleine Frevel horrende Geldstrafen ab, ohne diese zu verzeichnen.

Einige seiner Urteile:
- Spielen und Tanzen zu verbotener Zeit: 32 Pfund - 240 Batzen - Busse und acht Tage Gefängnis (statt 1 Pfund und 1 Tag als gesetzlicher Höchststrafe). Die Gefangenschaft lässt er sich für zusätzliches Geld abkaufen.
- einem Mann mit krankem Arm: 50 Pfund Busse, weil er bei der Vereidigung den Arm nicht genügend hoch hielt.
- 20 Pfund Busse und fünf Tage Gefängnis für den armen Langnauer Nussbuben Ueli Jost wegen Nussverkaufs zur Predigtzeit. Für dessen Bemerkung, kein Biedermann werde das bezeugen können: 25 Pfund Busse dazu.
- Ueli Mosimann für dessen (richtige) Bemerkung, wenn der Landvogt sich nicht anders anstelle, werde er noch von seinem Amte kommen: 5 Dublonen Busse. 56 Pfund Busse für den "Vorsager".

Während des Aufstands glänzen Samuel Tribolet und sein Bruder Anton mit Spionenberichten aus dem Emmental. Besondere Verdienste erwirbt er sich durch die Gefangennahme der Hauptrebellen Leuenberger und Galli.
Das genügt aber nicht. Im Herbst 1653 werden Klagen gegen die Vögte im Emmental gesammelt. Tribolet und Zehender missachten mehrfach Vorladungen zur Einvernahme im Berner Rathaus. Am 27. Dezember greift Tribolet in Bern den Ratsschreiber Gross tätlich mit dem Degen an und entwendet ihm die Untersuchungspapiere. Der Jähzornige wird im Gitterzimmer der Insel inhaftiert. Sobald er auf Fürbitte seines Schwiegervaters, des Schultheissen, wieder frei kommt, flieht er aus dem Bernbiet. Am 3. Februar 1654 wird er in 57 Punkten schuldig gesprochen, mit Amtsentsetzung, Ausschluss aus dem Rat und Landesverweis bestraft. Den Untertanen soll er 4000 Pfund zurückerstatten. Venner Frisching kommentiert das Urteil: Tribolets unbillige Bussen seien die Ursache des Aufstandes gewesen.

Samuel Tribolet muss die Verbannung nicht lange erleiden. Bereits Ende 1655 darf er - auf Fürbitte des Schultheissen von Graffenried - wieder heimkehren, er sitzt wieder im Rat, und 1663 erhält er in der Gemeinen Herrschaft Baden die Gelegenheit, sich als Amtmann zu rehabilitieren. Auch hier macht er sich in den zwei Jahren seiner Regentschaft sagenhaft unbeliebt. Nach seinem Abgang zirkuliert ein Gedicht, "dem hochmüetigen und gäldgierigen Samuel Tribolet von Bern" gewidmet, beginnend:
"Tribolet du toller Gast,
aller Bauren Überlast,
ohne Ruehm und Lob du bist,
Tribolet du schnöder Christ."

In beinahe nahtlosem Übergang kann Tribolet seine nächste Landvogtei übernehmen, diesmal in Avenches. Jetzt aber wird ihm ein Streit mit seinem Bruder Anton zum Verhängnis. Der verbreitet Abschriften einer alten Hetzschrift Samuels, worin dieser mehrere hoch angesehene Personen, namentlich Venner Frisching, mit bösartigen Schmähungen überhäuft. Einmal mehr sorgt Schultheiss von Graffenried für ein mildes Verfahren gegen seinen Tochtermann, zur Schonung der unschuldigen Frau und der Kinder. Aber Tribolet zeigt sich halsstarrig, er weigert sich, vor den Rat zu treten, und flieht schliesslich aus Avenches - was in Bern Befürchtungen erweckt, er habe das Schlossinventar mitlaufen lassen.
Als er sich Ende 1666 endlich im Rathaus stellt, zeigt er sich scheinbar reumütig und verlangt: seine Schrift solle in voller Länge verlesen werde, damit er alles zurücknehmen könne. Die Herren des Rats lassen sich narren. Während sie die peinliche Verlesung über sich ergehen lassen, macht sich Tribolet auf Nimmerwiedersehen aus dem Staub.

Landvogt Zehender von Signau übersteht übrigens sein Verfahren ohne Amtsenthebung. Bei seinem Abgang fehlen jedoch grössere Beträge im Reisgeld auf dem Schloss, auch sein Landschreiber belangt ihn wegen offener Schulden. Die Klagen wegen Unterschlagungen mehren sich. Während der Weihnachtstage 1656 stirbt der Alt-Vogt von Signau, bankrott und völlig verzweifelt, unter mysteriösen Umständen auf seinem Landsitz in Frienisberg.


Niklaus Dachselhofer (1595 - 1670), Schultheiss von Bern

Mit 35 Jahren übernimmt Niklaus Dachselhofer seine erste Landvogtei in Yverdon, darauf steigt er im bernischen Staatsdienst kometenhaft auf. 1635 Deutschsäckelmeister, und bereits im folgenden Jahr wird er in das höchste Amt gewählt, dasjenige des Schultheissen.

Zwei Schultheissen wechseln sich an der Spitze des Staates ab. Der stillstehende Schultheiss oder "Altschultheiss" und assistiert den regierenden Stadtpräsidenten als zweiter Mann in Bern. Bis 1651 teilt Niklaus Dachselhofer Amt und Würden mit Ludwig von Erlach, dann mit Anton von Graffenried II..
Als die Landleute 1641 vor Thun ziehen führt Dachselhofer die Verhandlungen. Zu Thun hat er eine besondere Beziehung, war sein Vater doch Schultheiss dieser Stadt.
Privat hat er herbe Schicksalsschläge zu überstehen, sterben doch in den vierziger Jahren seine erste und seine zweite Ehefrau.

Während des Aufstands von 1653 begibt sich Schultheiss Dachselhofer bereits am 3.März an die erste Landsgemeinde der Emmentaler am Langnauer Märit. Sein Vermittlungsversuch misslingt gründlich, weil einige Chaoten in der Menge zwei Schuldeintreiber malträtieren und einsperren, dafür die Gefangenen aus dem Gefängnis befreien. Solches kann sich ein Staatsoberhaupt natürlich nicht bieten lassen.
Dachselhofers Einsatz ist es zu verdanken, dass die Stadt Bern die Emmentaler nicht sofort mit Waffengewalt überfällt. Im Rat erreicht Dachselhofer eine eidgenössische Vermittlung für die Klagen der Landleute durch, worauf mit 29 Emmentaler Abgeordneten eine Einigung erzielt werden kann. Gerne hätte Dachselhofer zu Ostern, wie er das Amt turnusgemäss an seinen Kollegen von Graffenried abtritt, die Huldigung der Untertanen entgegengenommen und den Konflikt beendet. Doch die
"Harten" im oberen Emmentaler akzeptieren das Verhandlungsergebnis nicht. Sie rufen zu einer Landsgemeinde aller eidgenössischer Untertanen auf.

Als Altschultheiss schwindet Niklaus Dachselhofers Einfluss. Für die (furchtlosen) Ermahnungen und Verhandlungen werden vorwiegend die vier Venner, der Münsterpfarrer und einige lokal bekannte Herren aufs Land geschickt, während Schultheiss von Graffenried und General von Erlach die militärische Niederschlagung des Aufstands in die Wege leiten. Bemerkenswert ist, dass Niklaus Leuenberger mitunter seine Briefe direkt an den Herrn Altschultheissen richtet, von dem er das grösste Verständnis erwartet.
Wie die aufgebrachten Landleute am 11. Mai die Brücken sperren und vor der Stadt aufmarschieren, ist Niklaus Dachselhofer als Diplomat wieder gefragt. Die Herren von Bern befinden sich in einer misslichen Lage. Die Aufständischen könnten angreifen oder Verbündete bei den städtischen Bürgern und Hintersässen suchen. Dachselhofer wird an der Spitze der obrigkeitlichen Delegation zu den Bauernführern aufs Murifeld ausgeschickt. Es gelingt ihm - mit Hilfe der Geistlichkeit - dem Obmann Leuenberger klar zu machen, dass die "Gnädigen Herren" den Bauernbund niemals anerkennen wird, dass Konzessionen an die Landschaft nur möglich sind, wenn die Berner Untertanen ihren Bund fallen lassen und ihrer Obrigkeit neue Treue schwören. Der Murifelder Frieden kommt am 18. Mai zu Stande.

Bestimmt hat Dachselhofer Kenntnis von der zutiefst aggressiven bauernfeindlichen Stimmung im Berner Rat. Aber weiss er, dass Rat und Regierung von Bern statt des besiegelten Vertrags ihre Armee zur Abstrafung der Rebellen aufs Land schicken wird? Missbraucht er Leuenbergers Vertrauen aufs schändlichste Weise?
Nun - von einem Ehrenmann wie ihm ist anzunehmen, dass er sein Möglichstes tat, dem geschlossenen Frieden im Rat Achtung zu verschaffen. Leider vergeblich.
Nach dem Auszug der Erlachschen Armee bittet Weibel Rüegsegger von Röthenbach den Altschultheissen flehentlich, die Kriegsvölker zurückzuhalten. Aber das liegt nun nicht mehr in dessen Macht.

Am Ostermontag 1668 nimmt Niklaus Dachselhofer die erneut auf ihn gefallene Wahl zum Schultheissen nicht mehr an. Sein Nachfolger wird der Venner und Generalauditor im Bauernkrieg, Samuel Frisching. 1674 wird ihm der ehemalige General Sigmund von Erlach zur Seite gestellt. Die zwei schlimmsten "Bauernschlächter" führen somit die Geschicke Berns.
Niklaus Dachselhofer stirbt 1670, als ihn während der Ratssitzung am 12. Februar der Schlag trifft.



(4) Interview von Res Lüthi, BZ Langnau

Ist der Bauernkrieg von 1653 eine Revolution?
Ich verstehe diesen Bauernkrieg als politische Bewegung und nicht als Revolution. 1641 hatten die Emmentaler Bauern vor Thun einen diplomatischen Sieg errungen. In der selben Absicht zogen sie zwölf Jahre später auch vor Bern.

Die Bauern trugen Waffen bei sich...
Klar. Sie konnten die Armeen der Herren ja nicht mit dem Spinnrad entgegen treten. Doch die militärische Komponente kam von oben in den Konflikt hinein. Als sich anfangs März 1653 die luzernischen Ämter politisch verbündeten, um Klagen durchzusetzen, reagierte die Stadt Luzern mit einem militärischen Hilfegesuch an die ganze Eidgenossenschaft. Die Tagsatzung erliess daraufhin ein Defensional, einen Kriegsplan gegen die Untertanen. Die Landleute wählten ihre militärische Führung erst später - mit rein defensiven Absichten. Sie planten keinen gewaltätigen Umsturz. Am allerwenigsten der Bundesobmann Leuenberger.

Waren denn ihre Forderungen revolutionär?
Die Herren von Bern erliessen damals eine unglaubliche Flut von Mandaten, sie regelten das Leben der Untertanen bis ins Kleinste und Privateste. Mit dem unüberblickbaren Gesetzeswirrwarr schafften sie faktisch die Gesetzlichkeit ab.  Die Untertanen machten sich im Prinzip dauernd strafbar und die Amtleute konnten nahezu nach Lust und Laune abstrafen, wen sie wollten. Bussen waren eine Haupteinnahmequelle des Staates. 

... und die Forderungen?
Die Willkür der Mandate, die das Land in schwierigen Zeiten belasteten, empörte die Bauern und sollte gestoppt werden. Sie wollten, dass eine Landsgemeinde zu Neuerungen Stellung nehmen könnte. In heutigen Begriffen ausgedrückt forderten sie Versammlungsfreiheit und ein Referendumsrecht.
Sie wollten zurück zu einem Miteinander, zur gegenseitigen Achtung von Obrigkeit und Untertanen, zum Geist der alten Eidgenossenschaft. Gemäss dem damaligen Ideal eines "modernen" absolutistischen Staatswesens waren sie mit diesen Forderungen rückständige Verhinderer. Aus heutiger Sicht sind Versammlungsfreiheit und Referendum demokratische Rechte, die erst am Ende des folgenden Jahrhunderts zum Durchbruch kamen - durchaus fortschrittlich, meinetwegen revolutionär.
Die Begriffe "progressiv" und "konservativ" sind zunehmend blosse Etiketten. Sind die heutigen Strassenverengungen in historischem Rahmen fortschrittlich oder rückständig?  

Die Bauern haben den Krieg verloren. Haben sie langfristig gewonnen, indem sie ihre Rechte bewahren konnten? 
Was für Rechte denn!? Die Herren von Bern regierten nach wie vor mit ihrem kleinkarrierten Patchwork von Mandaten. Dass ihnen grosse Wurf eines effektiv absolutistisch verwalteten Staates nie recht gelang, lag an... ihrer Kleinlichkeit, an gegenseitigem Neid, an der Geschichte und Struktur der Eidgenossenschaft. Nicht am Aufstand von 1653. Die Bauern hielten sich danach still. Die haben nichts gewonnen.

Gab es nach dem Krieg keine Angst der Herren vor dem aufständischen Potential
im Emmental?

Überhaupt nicht. Da herrschten Allmachtsgefühle, man hatte die Bauern besiegt. Den viel grösseren Eindruck als der Bauernkrieg hinterliess der Villmergerkrieg 1656. Da kämpften Zürich und Bern gegen die militärisch schwächeren katholischen Orte. Und verloren. Jetzt merkten die Herren von Bern, dass sie auf waffenfähige und treue Untertanen angewiesen waren. Sie gaben den Untertanen ihre Waffen zurück und milderten die Strafen aus dem Bauernkrieg. Viele zum Tod verurteilte Rebellen wurden begnadigt. Auch danach war Bern kein Musterstaat. Die Herren haben sich gewaltig bereichert, das System war korrupt.

Hat der Bauernkrieg zum Weg der Schweiz in den föderalistischen Sonderfall beigetragen?
Das Gegenteil ist der Fall. Die Bauern hatten ja - und das war ihre grosse Leistung im Bauernkrieg - über die Konfessions- und Kantonsgrenzen hinaus zusammengefunden. Das Bauernparlament war, wenn man so will, die erste bundesstaatliche Einrichtung. Die Bauern hatten eine gemeinsame Führung gewählt. Die Tagsatzung war im Gegensatz dazu nur eine sehr lose Konferenz. Der Bauernkrieg war eine Einigungsbestrebung von unten.

Der Bauernkrieg hat also für die Schweizergeschichte keine grosse Bedeutung?
Historisch kann man fast von einer Nichtexistenz des Bauernkrieges sprechen. Er hat in den Geschichtsbüchern einen sehr kleinen Platz, obwohl er die grösste Erhebung war, die die Schweiz je gesehen hat.

Geht die Hochschätzung und Mythologisierung der Landwirtschaft in der Schweiz letztlich auf den Bauernkrieg zurück?
Ach nein. Die besondere Wertschätzung der schweizerischen Landwirtschaft ist eine Folge der Weltkriege des 20. Jahrhunderts mit ihren AnbauschlachtenUnd der Mythos... der gilt eher der heilen Bergwelt als der Landwirtschaft. Schiller, Heidi und Vreni Schneider haben wesentlich mehr dazu beigetragen als der Bauernkrieg.   

Könnte es aber sein, dass der Stadt-Land-Gegensatz, den wir heute besonders in Volksabstimmungen spüren, eine Folge des Bauernkrieges ist?
Den Stadt-Land-Gegensatz gibt es überall. Naja... im Emmental bestehen vielerorts besonders ausgeprägte Vorbehalte gegenüber der StadtZudem eine Angst, irgendwas falsch zu machen, das Bestreben nicht aufzufallen, nicht quer zu schlagen. Das geht kaum direkt auf den Bauernkrieg zurück, eher auf die Unterdrückung durch Bussenwillkür, Täuferjagden und anderes mehr im alten Bern.
Es ist auch heute noch wichtig, dass das Land sich auf seine Kultur besinnt, seine Würde zurück gewinnt. Und da trägt natürlich das Bauernkriegsjubiläum, das wir heute feiern, dazu bei. Die Bauernbewegung von 1653 hat das erste Parlament unseres Landes geschaffen, die von ihr angestrebten Institutionen gehören heute zum Inventar des demokratischen Rechtsstaates. Die Landleute dürfen mit Stolz darauf zurückblicken.

 

 

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Zwei Eide - eine Annäherung an Niklaus Leuenberger
Vortrag Urs Hostettler in der Kirche Rüderswil vom 10. August 2003 

Am Fryti, am 18. Märze 1653 – oder am 28., we me nach em katholische Kaländer rächnet, wo em bärnische 10 Tag vorus isch – am Morge vo dem 18. März zwänge sech 29 Ämetaler y tüürst Gasthof vor Stadt Bärn, y d ‚Chrone’.
Alli 29 ghöre zu de Vornähmere im Ämital, sy ordeli aagleit, aber abgseh dervo isch es e wild zämegwürflet Huufe.

Ihre Sprächer isch der Peter Jakob, Schaffner vom Trueb, a ganz vorbildleche Undertan, wo sofort zum Landvogt rennt u brichtet, we-n ihm öppis ubotmässig vorchunnt.
Mit ihm isch alt Wüethrech vo Brandösch, es ganz anders Kaliber, er, wo d Versammlige vo den Uzfriedene im Trueb het gleitet... u wo settig Lüt wie der Schaffner o scho mal eigehändig versohlet het.
En alte Fründ vo-n ihm: dr Chlous Zimmermaa us em Schangnou. Früecher isch er Müller i der Rothachemüli gsy. Vor 12 Jahr het ne der Schultheiss vo Thun bi Nacht u Näbel als Rebäll lah gfange näh, was zu me ne Ufstand gfüehrt het, zur Belagerig vor Stadt Thun. Am Änd het für d Landlüt e Freiheitsbrief useluegt.
Der Hans Bürki vom Winkel isch als Verträter vo Langnou derby. Er isch eine vo de Junge; bir Belagerig vo Thun isch sy Vater, der Bürki Danu, ir vorderste Reihe mit derby gsy.
Eine isch vo Lützelflüeh cho. Dermit isch o ds Amt Brandis verträte, u das isch wichtig. Allerdings isch dr Dubach Chlous eine vo däne, wo me ne lieber us em Wäg geit. E Schnapphahne. Eine, wo sech vo de Vögt laht lah ahüüre, we si Täufer oder Bättler jage oder süsch eine wei festnäh.
U de äbe der Chlous Leuebärger vom Schönholz, Rüederswil. Er isch 38i, eine vo de Jüngere, aber isch mit syre bsunnene, ufrichtige-n Art höch agseh, er isch scho Grichtssäss u zuedäm mit der Familie vom Landvogt Tribolet befründet.

Die 29 Ämitaler wei ir ‚Chrone’ es paar vo de höchste Here vo der Eidgenosseschaft träffe. Der Bürgermeister Waser vo Züri, der Landamme Marti vo Glaris u anderi meh. Sie überbringen e-n e Katalog vo Chlage vo de Bärner Landlüt, wo die a diverse Träffe gsammlet u y Schrift gfasst hei. Di höche Here sy es neutrals Eidgenössisches Schiedsgricht, wo äxtra aagreiset isch, um zwüsche Bärner Oberkeit u Undertane z vermittle. Was für nen Ehr für di Purelüt, im Bärner Ratshuus de Schultheisse als glychberächtigeti Partei gägenüber z sitze u die bärnische Undertane z verträte!
Allerdings isch die Mission – so guet ihri Absicht isch – bös umstritte. Di Here Schiedsrichter – wie o es paar Bärner Here – chöme diräkt vo der Tagsatzig z Bade, wo sech d Regierige hei troffe u ne Chriegsplan gäg di ufrüehrerische Äntlibuecher hei ufgstellt. Es stinkt zum Himmel, was sie jitz vorhei: d Bärner Bure sölle mit viel Pomp u Buuchpinsle befriedet wärde, damit me ohni Angst vore re Uswytig vom Konflikt cha gäge d Luzärner Undertane vorgah.
D Signouer hei drum beschlosse: mi well lieber e grosse Bund vo allne Schwyzer Landlüt ufboue, wo me o d Äntlibuecher well dry ybinde, o d Undertane welle sech kenes Falls lah gägenand usspiele. Si sy nid mit nach Bärn, u o us em Amt Trachselwald sy nes paar wichtegi Lüt deheime bbliebe.

Der Empfang ir ‚Chrone’ isch de o gar nid ermuetigend: der Zürcher Bürgermeister wäschet de Bure rägelrächt d Chappe. Er seit luegt di Chlage gar nid a u seit nume: si würde sech am beste bi ihrne Here entschuldige u se vertrouensvoll um Gnad bitte.

Am Sunntimorge chunnt d Hiobsbotschaft, Basler u Elsässer Truppe syge bi Aarou y ds Bärnbiet ygfalle, schynts zum Chriegszug gäge d Äntlibuecher. Mi heig se chönne zrüggwärfe. Also hei d Signouer rächt. D Buredelegation z Bärn beschliesst aber, mi well wyterhin verhandle, das syg die Chance, der Friede z rette u doch no öppis z erreiche.

Afangs Wuche behandle d Here vom Schiedsgricht e ganzi Reihe vo Begähre vo de Landlüt. Di rücke mit immer meh Chlychram a, schier jedi Gmeind het no irgend es Brästeli, wo me chönnt verbessere. Am dritte Tag platzet e längi Liste vo Gägechlage vom Bärner Rat y d Verhandlige. Meh Bosheit als bi de-n Äntlibuecher syg im Ämital z finde. Bevor d Bure nid uf de Chneu Abbitt gleistet u alli ihri Rädelsfüehre usglieferet heige, gäbs nüt mehr z verhandle. Die diplomatisch unerfahrenene Buredelegierte erchlüpfe heftig u beschäftige sech jitz mit der Abfassig vo re Rächtfertigungsschrift.

Am Donnsti leit ds Eidgenössiche Schiedsgricht sys Vermittligswärch vor: ds Trattegäld – d Stüür uf exportierti Ross u Rinder – wird abgschafft. D Ämital berchunnt e Landesvenner, wo allerdings vo dr Regierig bestimmt wird. Derfür verlange die Gnädige Here, dass d Landlüt als Verursacher alli Choste vo däm Handel übernähme, dass si ihre Rädelsfüehrer usliefere, dass sie ihri Oberkeit uf de Chneu um Gnad bitte u neu huldige.
De 29 Bureabgeordnete isch nid wohl bi där Sach. Sie bitte-n um Bedänkzyt – sie müessi zersch ihri Lüt deheime befrage. Der Bürgermeister Waser weiss aber gnau, dass ds Volk uf em Land däm nie u nimmer würdi zuestimme. So redet er im Vertroue mit de Buredelegierte: er wärdi sich bi de Bärner Here für se-n ysetze. Das mit de Chöste chönn me sicher lah gheie, u das mit de Rädelsfüehrer chönn me y däm Sinn mildere, dass die Schuldige nit müesse usglieferet, aber ordentlech sölle-n abgstraft wärde.

Dermit sy die abgeordnete Landlüt yverstande. Am Fryti, am 25. März träte si y Saal vom Bärner Ratshuus. Jede fallt einzeln vor em Bärner Rat uf d Chneu u beschwört y d Hand vom Bürgermeister Waser der Huldigungseid vor Stadt Bärn.
Dä lutet (liecht gchürzt): „Alle... schwören, der Stadt Bern als unserer rechten, natürlichen Herrschaft und Oberkeit Treue zu halten, ihren Amtleuten zu gehorchen in allen Geboten und Verboten, (...) in keine Kriegszüge zu ziehen, keine Versammlungen ohne Bewilligung abzuhalten, (...) alles, was wir hörend, sehend oder vernemmend, das Bern Schaden bringen könnte, sofort anzuzeigen; alles, was die Pflicht getreuer Untertanen gegenüber ihrer Oberkeit ist, zu tun.“
Druf verliest dr Bürgermeister Waser sys Vermittligwärch y 27 Punkte u chündiget de Bure-n a, er well ne gly e besiegleti Kopie dervo zueschicke.

Wo die 29 Delegierte ds Rathus verlöh, gseh si grad, wie 300 Gänfer Soldate y d Stadt ymarschiere. Chly gschmuech wirds ne scho, u wo si zrügg im Ämital sy, wird ne usgesproche uwohl. Wo dr Schaffner Jakob z Langnou ds Ergäbnis vo de Verhandlige verliest, rüefe d Lüt „Das chöi mer nid aanäh“, u „Mir chöi d Äntlibuecher nid so im Stich lah!“, u dr Schaffner wird sogar tätlich aagriffe.
Der Hans Bürki wird vo sym Vater us em Hus usgstosse, bis er sech wieder am Ufstand aaschliessi.


Es sy d Signouer u d Willisouer, allne voraa der Ueli Galli u dr Fridli Buecher, wo i däne Tage e grosse Bund vo de Landlüt vor ganze-n Eidgenosseschaft vorbereite. E Bund, wo die alti Eidgenosseschaft erneueret, e Bund, wo sogar gueti Here sötte chönne underschrybe, wo eifach söll vermyde, dass d Bure sech gegenand löh la usppiele.

Am 13. April in Sumiswald isch es sowyt. Landlüt us de vier Orte Bärn, Luzärn, Basel u Solethurn chöme zäme, um dä gross neu Bund vo de Eidgenosse z beschwöre. Aber ohni ds Ämital, ohni ds Amt Trachselwald, laht sech so ne Bund nid schliesse. So göh d Organisatore dr Chlous Leuebärger a, ob er die Landsgmeind würdi leite. Er isch us verschiedene Gründ e Wunschkandidat vom Galli, Chüpfer u de-n andere: er isch z Sumiswald fasch en Yheimische, e gueti Erschynig, guete Redner, u alli hei eifach Vertroue zue-n ihm.
Wenn nume dä Eid nid wär! Dr Chlous Leuebärger het vor zwoehalb Wuche gschwore... ja ganz e Hufe. Am schlimmste isch äuä das mit de Versammlige, wo me nid ohni Bewilligungen well abhalte. D Organisatore rede uf ne-n y – das syg scho gut mit der Sumiswalder Landsgmeind, mi machi nüt Verbotnigs, d Here wüssi dervor o wärdi o da sy.
Der Leuebärger Chlous seit halbe zue – er chömi, welli aber de zersch luege, was das so für ne Gattig machi.
Un er laht sech überzüge. Die Versammlig mit emne Ring für die offizielle-n Abgeordnete, je zwe pro Chilchöri, isch guet ufzoge, wyt über tuusig Manne sy nach Sumiswald cho, u – wichtig für e Leuebärger – d Bärner Here sy o da, allne voraa dr Rotbart, dr Venner Früsching, wo der Leuebärger als früechere Vogt vo Trachselwald kennt.

Dr Ueli Galli eröffnet u stellt der Chlous Leuebärger als Versammligsleiter vor. Zersch wird es Schrybe verläse, wo d Zürcher Regierig a d Landsgmeind grichtet hat (... es guets Zeiche, dass alles mit rächte Ding zuegeit).
Der Entwurf zum Bundesbrief wott
1. der alt Eidgenössisch Bund erneuere u erhalte. Enander schütze my Lyb, Guet u Bluet. Was der Oberkeit ghört, söll ere zuecho, glychfalls de-n Undertanen, was ene zuesteit.
2. alli unguete neue Uflage absetze. Wenns derwäge sött zume ne Stryt zwüsche Oberkeite u Undertane cho, söll me nid gägenander chriege. Mi söll zersch e güetleche Verglych sueche. Wo das nid müglech isch, söll es Schiedsgricht us Oberkeite u Undertane vo andere-n Orte gemäss de-n Urkunde Rächt spräche.
3. Wenn aber en Oberkeit eigeti oder frömdi Soldate gäge-n ihri Undertane y ds Fäld füehri, söll me se zersch mit Güeti abwyse, u notfalls mit Gwalt zum Land use schlah.
4. Wäge dem loufende Handel söll niemer bestraft wärde.

Eigetlech nüt Rebällisches, wo de Gnädige Here öppis wäg nähmti.
Der Text muess no überarbeitet wärde, u der Leuebärger laht d Lüt nume beschwöre, dass me-n enang well bystah u dass der Bund am ganze Vaterland söll nütze u weder Oberkeite no Undertanen meh welli gäh, als ihne nach göttlechem Rächt zuesteit.
Dr Leuebärger het als Landsgmeindleiter e sehr guete-n Ydruck gmacht. Super. Im Aaschluss a-n Eid het me ne ohni Gägestimm zum Obmaa vom grosse neue Bund gwählt.
 

No zwo ähnlechi Landsgmeinde git’s i de nächste Wuche, am 20. April u am 4. Mai z Huttu. Der Leueberger het vom höchste Äntlibuecher, vom Hans Ämmenegger, e rote Mantu gschänkt übercho, ds Zeiche vom ne Landespannermeister. U dr Leuebärger i sym rote Mantu wird vo de Landlüt richtiggehend verehrt. Ar zwöite Landsgmeind vo Huttu besiglet u beschwört me der neu Bundesbrief.
Es sy no drei Artikle derzue cho, meh oder minder Usfüehrigsbestimmige:
5. Der Bund söll alli zäh Jahr vorgläse u erneueret wärde.
6. Wär gäge Bund redi, oder Rat gäbi, dervo abzstah oder ne zunichte z machen, söll als meineidige und treulose Ma gälte u abgstraft wärde.
7. I kem Ort sölle d Bundesgenosse sech y däm Handel mit ihrer Oberkeit völlig verglyche, bis o d Bundesgenosse y de-n andere-n Orte chönni nen Abschluss mache.

I der Wuche nach em Bundesschwur bringe d Landlüt a allne Orte de Oberkeite ihri Chlagepunkte vor. Y d Städt yne wott allerdings jetz niemer meh – d Here sölle dusse-n uf em Land vor ds Volch träte.
Was d Bärner Undertane jitz fordere sy e Huufe lokali Sache, vor allem aber eis: d Here sölle-n ihre gross Bund anerchenne.
D Here hei aber nüt derartigs im Sinn. Sie biete wyt ume, vor allem im Wälschland, Truppe-n uf gäge die „rebällische Bure“ (wie sie säge). D Verhandlige bruuche sy nume-n als Zytspiel, was d Bure mit der Zyt merke. Dr Galli u syni Lüt drohe der Stadt mit ere Nahrigmittel-Sperri, wenn Bärn nid gly der Bund anerchenni u uf ihri Chlage ygöng.

I dr Nacht uf e-n 11. Mai (oder der 21.Mai vo de Katholike) chunnts zum Landsturm.
Vo Weste här näheret sech e grossi welschi Armee vo der Here. D Landlüt sperre d Brügge z Gümene u ds Aarbärg, u der Räschte vo Lüt laht der Danu Chüpfer, wo als höchsti Chriegsrät vor Ort isch, uf em Murifäld vor Bärn lagere.

Der Chlous Leuebärger het mit däm Landsturm nüt z tüe. Er het vore grosse wälsche Armee ghört, u wo-n er am Morge vor Bärn aachunnt u merkt, dass alls uf ene Belagerig vor Stadt Bärn uselouft, sy scho viel Tusig bewaffneti Landlüt am Ufbou vom Lager, u-n er cha nüt meh dergäge usrichte, usser däm: dass y Stadt schrybt: mi syg i dr Absicht vor Bärn zoge, die strittige-n Artikel z erörtere u wenn müglech Friede mit der Oberkeit z schliesse. Mi söll drum bitte Gsandti zue-n em use schicke.
Am Namittag – wo scho gäge 20'000 Landlüt vor Bärn sy – erschyne die begährte Ratsgsandte us der Stadt. Der Leuebärger macht nen e so ugfährleche-n Ydruck, dass sie nid emal d Stadttor zuetüe.

 Drei Tag später gseht das scho chly anders us. Unterdesse sy 1000 Äntlibuecher chraft vom Bund de Bärner z Hilf cho – der Leuebärger het se fasch wie Ussätzegi vo de Bärner trennt u se z Habstette lah lagere. Jitz chunnt e würklech hochkarätegi Delegation vom Bärner Rat use uf ds Murifäld. A ihrer Spitze der Altschultheiss Daxelhofer u dr Wälschsäckelmeister Tillier, aber o der Theologieprofässer Lüthard u der Münsterpfarrer.

Wo der Hans Bürki, Chriegsrat vo de Bure, forderet: d Stadt müessi de Bure der Schade-n ersetze, wo sie dür d Batzenabwärtig erlitte heige, geit der Schultheiss Daxelhofer nid druf y. Stattdesse erinneret er der Bürki u der Leuebärger dra: sie heige vor sächs Wuche fyrlech u fuessfällig e Treueeid gschwore. Wenn sie jitz meh forderi als denn, so bräche sie a heilige-n Eid.
Tatsächlech het sech vo däne 29 Buredelegierte vo denn, mit Usnahm vom Leuebärger u vom Bürki, chuum meh eine am Uszug vor Bärn beteiliget. Die beide Pfärer blase-n y glyche Horn. Meh no: sie erlütere, der Undertanebund vergöng sech gäge die heilegi Schrift u o gäge d Gsetz vor Stadt Bärn. Är syg drum vor Gott nid gültig.

Spätistens jitz muess dr Chlous Leuebärger ygseh, dass er zwe Eide gschwore het, wo sech bim beste Wille nicht i allem löh lah verybare. Der Huldigungseid verbiete unbewillegti Versammlige, aber wo hocket der Leuebärger y däm Momänt? Niemer wird welle bhoupte, die Versammlig uf em Murifäld syg oberkeitlech erloubt worde. U wie söll e-n Obmaa vom Burebund der Oberkeit „alles sofort aazeige, wo-n er vernimmt, wo Bärn chönnti Schade zuefüege“?
Der Leuebärger beschäftiget sech starch mit söttnige Gedanke. Er setzt düre, dass d Landlüt y der Tat chuum meh fordere als denn im März. Nume die allgemeini Amnestie wott er jitz garantiert ha u – als einzegi wichtige Neuerig – 50 000 Pfund Chriegsentschädigung.
Am Aabe isch er sech mit em Schultheiss Daxelhofer sowyt einig. D Landlüt berchöme, was sie fordere, derfür müesse sie d Waffe sofort niederlege, der Bundesbrief usliefere, hei zieh, ihrem Bund abschwöre u neu huldige.

Dermit verratet der Chlous Leuebärger der Burebund. Dört steit ja usdrücklech: Wär Rat gäbi, vom Bund abzstah oder ne ufzhäbe, söll als meineidige und treulose Ma gälte.
We usgrächnet der Obmaa sälber das tuet, de isch das nüt weniger als e Katastrophe für d Undertane u ganz gwüss ds Ändi vo däre neue Eidgenosseschaft, wo nach em fyrleche Schwur grad mal zäh Tag het ghäbe.

Der Chlous Leuebärger het ghoffet, d Here würde der neu Bund akzeptiere – de wär für ihn d Wält ir Ornig gsy. Er hätt mit syre Überzügigschraft u Outorität d Landlüt sicher für ne politeschi Lösig chönne gwinne. Dür d Chriegsstrategie vo de-n Oberkeite isch er aber y ne Rolle grate, wo-n er nie het welle, er isch zum Füehrer vo re Konfliktpartei worde. U da isch für ihn d Spatzig zu sym Treueeid gägenüber der Oberkeit, der andere Partei, immer chlyner worde. Was er o tah het - er het gäge-n eine vo syne zwe Eide handelt. Am Änd het er für sich ke Lösig meh gseh, als Balast über Bord z wärfe, u da isch ihm d Erklärig vo de Geistleche, der Bundesschwur syg vor Gott ungültig, äbe rächt cho. U immerhin het er mit dr Ufgab vo däm Stück Papier doch e Reihe vo würkleche Verbesserige für ds Land erreicht u der Friede bewahrt.

Der Räste-n isch Gschicht. Der Leuebärger het sech nach drei Tag Hin u Här im Burelager gäge die sogenannte „Herte“ düregsetzt. Der Friede isch nach sym Wille gmacht worde. Dr Schibi vo de-n Äntlibuecher isch mit ere Wuet im Buuch hei gritte u het bi Gisike e Brügg mit eme Munitionslager vo der Here aagriffe u ygnoh, d Armeeä vo de Here sy vorgstosse un hei ds Land verwüestet, wie we nie e Friede wär gschlosse worde, der besieglet Vertrag isch de Landlüt nie gschickt worde.
Der Chlous Leuebärger het z Herzogebuchsee no einisch es paar Tusig bewaffneti Landlüt, wo der Chüpfer da häre ufbbote het, hei gschickt.
Er isch wahrhaftig e Ma vom Friede gsy. Das hei-n ihm die Gnädige Here vo Bärn schlächt vergulte. Er isch gfange gnoh worde, vo me ne Trupp mit sym Koleg Dubach vo Lützelflüeh, wo im März no mit ihm gschwore het. Ir Gfangeschaft het der Leuebärger freizügig vo all syne Mitstryter verzellt. Vilech isch’s eifach e Wule gsy, e Wule uf all die, wo ne da yne triebe hei, ihn, wo doch nie öppis Urächts het welle tue u nume de Mönsche zum beste wärche. U wahrschynlech het er sech sogar jitz no a sy Treueschwur bbunde gfüehlt, dass er syre Obrigkeit alle müessi brichte. Er het bis zum Schluss ggloubt, ds Läbe wärd ihm gschänkt, o we-n er als Meineidige sicher als ehr- u wehrlos erklärt würdi. So het er o us syr Zälle im Chefigturm no zweu Gnadegsuech gschribe. Ihm isch nume-n es geistlechs Vergehe bewusst gsy: dass er sech nach sym heilige-n Eid vom 25. März zu neuem Ughorsam gäge d Here heig lah überrede.
Aber d Here hei der Buren-Obmaa lah vierteile. Y sym Todesurtel steit z allervorderst: der Leuebärger heig der Eid bbroche, wo-n er am Bürgermeister Waser y d Hand gschwore heig.

Am Leuebärger sy brutal Tod isch uf em Land als sehr ugrächt empfunde worde. Um so meh het me ne verehrt – als tragesche Held u als ganz ussergwöhnleche, ufrächte u gottesfürchtige Mönsch.

Es stellt sech d Frag, was der Chlous Leuebärger y sym innere Zwiespalt hätt chönne-n anders, besser mache. Spätistens nach em Uszug vor Bärn am 11. Mai het er sy Treueeid gägenüber der Obrigkeit höchstens no am Sinn nah, aber nümm wörtlech chönne-n yhalte, wenn er syni Fründe u d Landlüt als ganzes nit het welle verrate.

Rücktritt? Es isch o hüt no nes schlächts Zeiche, wenn e Firmechef e paar Wuche nach syre Wahl zrüggtritt. Grad im ne so wichtige Zytpunkt, hätt das der Sach vo de Landlüt extrem gschadet. Zudäm isch me denn eifach nid zrüggträte. Mi isch im Amt gstorbe.

Öpper y ds Vertroue zieh, d Füehrig teile? Da wär a erster Stell der Hans Ämmenegger vo Schüpfheim y Frag cho, dä isch z Sumiswald zäme mit em Leuebärger als oberste militärische Füehrer vom Bund gwählt worde. Aber mi hätt der Leuebärger äuä schlächt begriffe, ihm eifach uf d Schultere gchlopfet u gseit: d Situation het sech gänderet, der Bund u all die Landlüt, wo uf di vertroue sy jitz wichtiger als so nen alti Eidesformle.

Churz: wenn i als promivierte Logiker u Wahrschynlechkeitsrächner 350 Jahr dernah ke gueti Lösig gseh, de isch es für e Chlous Leuebärger zmitts y däm Trubel fasch unmöglech gsy, sy eiget Konflikt u der gross Konflikt von Schwyzerische Burechrieg uf gueti Wäge z bringe.

Er het sys beste tah, u das isch sehr viel gsy.

Wahrschynlech het’s bi allem Wenn u Aber, ganz abgseh vom Leuebärger, doch en Ufklärig bbrucht, e ganzi Portion weniger Respäkt u Gottesfurcht, e-n inneri Freiheit, bevor ds Volch a däm Staat öppis Grundlegends het chönne-n ändere.

 

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