Luise F. Pusch

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Luise F. Pusch (2013)

Luise F. Pusch (* 14. Januar 1944 in Gütersloh als Frohmut Pusch) ist eine deutsche Sprachwissenschaftlerin. Auch unter dem Pseudonym Judith Offenbach hat sie publiziert. Sie verfasste Bücher und Aufsätze zur Grammatik des Deutschen, Englischen, Italienischen und Lateinischen. Neben Senta Trömel-Plötz und Marlis Hellinger ist sie eine der Begründerinnen der feministischen Linguistik in Deutschland.[1] Neben ihrer sprachwissenschaftlichen Arbeit schreibt sie seit 1982 an einer Frauenchronik. In der von Pusch aufgebauten Datenbank FemBio sind über 31.000 biografische Datensätze bedeutender Frauen zusammengetragen, von denen mehr als 11.000 online verfügbar sind.[2][3]

Luise Pusch, die als Teenager „ihren ungeliebten Vornamen“ Frohmut abgelegt hatte,[4] studierte Anglistik, Latinistik und Allgemeine Sprachwissenschaft an der Universität Hamburg. 1972 wurde sie im Fach Anglistik mit einer Dissertation über Die Substantivierung von Verben mit Satzkomplementen im Englischen und im Deutschen promoviert. Dann beschäftigte sie sich mit syntaktischen Fragen wie der Gerundivkonstruktion und habilitierte sich 1978 für das Fach Sprachwissenschaft an der Universität Konstanz mit der Schrift Kontrastive Untersuchungen zum italienischen gerundio.[5]

Die feministische Linguistik ist seit 1979 ihr Forschungsschwerpunkt. Von 1979 bis 1984 war sie Heisenberg-Stipendiatin auf dem Gebiet der feministisch-linguistischen Forschung. 1981 publizierte sie unter dem Pseudonym Judith Offenbach den autobiografischen Roman Sonja: eine Melancholie für Fortgeschrittene über ihre durch Suizid verstorbene Partnerin. Zwischen 1982 und 1985 war sie als Vertretung für eine germanistische und eine anglistische Professur an den Universitäten Hannover und Duisburg tätig. Im Jahr 1985 wurde sie an der Universität Konstanz zur außerplanmäßigen Professorin ernannt. In den Jahren 1990 und 1991 hatte sie eine Vertretungsstelle für eine Professur für Frauenforschung an der Universität Münster inne.[6]

Puschs Lebensgefährtin ist seit 1986 die amerikanische Germanistin und Frauenforscherin Joey Horsley (* 1940); die beiden heirateten im Jahr 2021.[4] Sie lebt teils in Hannover und teils in Boston.[7]

Pusch engagiert sich seit 1979 für eine geschlechtergerechte Sprache, zum Beispiel in Aufsätzen, Glossen, Streitgesprächen, Vorträgen und Workshops.

1981 veröffentlichte sie unter dem Pseudonym Judith Offenbach den autobiographischen Roman Sonja über eine lesbische Beziehung, die mit dem Freitod einer der Protagonistinnen endet. Der Roman wurde insbesondere in der Lesbenbewegung der Zeit intensiv rezipiert. Wenngleich bereits zeitgenössisch die Identität der Autorin kein absolutes Geheimnis war, lüftete Pusch erst mit einer Neuauflage des Romans 1998 ihr Pseudonym.

Pusch gilt als Erfinderin der Gender-Pause im Deutschen und als „deutsche Urmutter der feministischen Sprachwissenschaft“.[8]

In ihrer 1984 veröffentlichten Textesammlung Das Deutsche als Männersprache: Diagnose und Therapievorschläge schrieb sie, es gebe männerorientierte (androzentrische) Diskriminierungen in der deutschen Standardsprache; dies sei problematisch; die überzeugendste und einfachste Lösung des Problems bestehe in der teilweisen Entgeschlechtlichung. Dafür könnten die weiblichen Endungen -in und -innen abgeschafft werden: Weibliche Professorinnen[9] würden dann die Professor oder eine Schriftsteller benannt. Wegen der zu erwartenden Nicht-Akzeptanz dieses Vorschlags plädierte sie für eine Forcierung des Binnen-I (etwa LehrerInnen), um Beidnennungen (Lehrerinnen und Lehrer) zu vermeiden. Seitdem tritt Pusch allgemein für die geschlechterübergreifende Verwendung von generischen Femininformen ein, so würde die Bezeichnung Lehrerinnen alle Lehrkräfte einschließen, auch männliche (Lehrer).

Kommentare zum Zeitgeschehen

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Auf ihrem Blog „Laut & Luise“[10] publizierte Luise Pusch von 1998 bis 2020 Kommentare zu aktuellen Ereignissen. Teilweise wurden ihre Beiträge von Zeitschriften übernommen, unter anderem von der feministischen Emma.

Wenige Tage nach dem Absturz des Germanwings-Flugs 9525 veröffentlichte Pusch im März 2015 in ihrem Blog und als namentlich gekennzeichneten Kommentar in der Zeitschrift Emma einen Text, in dem sie eine Frauenquote unter Piloten fordert.[11] Die Suizidrate bei Männern sei viermal so hoch wie bei Frauen;[12] deshalb verringere jede Pilotin das Risiko der Passagiere, Opfer eines erweiterten Suizids zu werden. Pusch kritisierte, in der Berichterstattung über das Unglück sei ein „blinder Fleck“, da die 14 getöteten Mädchen und zwei Jungen schlicht als „16 Schüler“ bezeichnet wurden und die beiden getöteten Lehrerinnen als „Lehrer“.

Der Text rief „Empörung in den sozialen Netzwerken[13] und Leserkommentaren hervor, besonders auf Twitter, wo man Emma unter anderem vorwarf, die Opfer „für die Quote zu instrumentalisieren“.[14][15] Pusch verteidigte sich, ebenso auf Twitter, gegen den „Shitstorm“ und verwies auf „viele LeserInnen“, die „die Frauenquote fürs Cockpit gut finden“, sowie einen Artikel in der Schweiz am Sonntag, der ihre These sachlich ebenfalls vertrete. Der Österreichische Frauenring und andere Verbände bedauerten den Entrüstungssturm und forderten eine Diskussion des Vorschlags.[13]

Pusch kritisiert den Genderstern, weil er das Wort zerreiße und Frauen erneut unsichtbar mache. Der Genderstern besage, dass Männer an erster, Transpersonen an zweiter und Frauen erst an dritter Stelle kämen.[16][17]

  • mit Katrin Lunde: Leonora Christina. Die Tochter von König Christian IV. von Dänemark und Norwegen: Dänemarks erste Feministin? In: Luise F. Pusch (Hrsg.): Töchter berühmter Männer. Neun biographische Portraits. Insel, Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-458-32679-0, S. 47–115.
  • mit Swantje Koch-Kanz: Die Töchter von Johann Sebastian Bach. In: Luise F. Pusch (Hrsg.): Töchter berühmter Männer. Neun biographische Portraits. Insel, Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-458-32679-0, S. 117–154.
  • mit Joey Horsley: Frauengeschichten. Berühmte Frauen und ihre Freundinnen. Wallstein, Göttingen 2010, ISBN 978-3-8353-0634-9.

Als Herausgeberin

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  • Feminismus: Inspektion der Herrenkultur – Ein Handbuch (= edition suhrkamp. Neue Folge. Band 1192). Frankfurt am Main 1983, ISBN 3-518-11192-2.
  • Berühmte Frauen: Kalender. Erscheint seit 1987 jährlich bei: Suhrkamp, Frankfurt am Main 1987, ISSN 0930-9721; ISBN 3-518-38015-X (= Suhrkamp Taschenbücher. Band 1515 – Kalender 1988); ISBN 978-3-518-46537-0 (= Suhrkamp Taschenbücher. Band 4537 – Kalender 2015).
  • Schwestern berühmter Männer: Zwölf biographische Portraits. (= Insel TB. 796). Frankfurt am Main 1985, ISBN 3-458-32496-8.
  • Töchter berühmter Männer: Neun biographische Portraits (= Insel TB. Band 979). Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-458-32679-0.
  • Mütter berühmter Männer: Zwölf biographische Portraits (= Insel TB. 1356). Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-458-33056-9.
  • mit Sibylle Duda: WahnsinnsFrauen (= suhrkamp TB. Band 1876). Frankfurt am Main 1992, ISBN 3-518-38376-0.
  • mit Sibylle Duda: WahnsinnsFrauen. Zweiter Band. suhrkamp TB, Frankfurt am Main 1995, ISBN 3-518-38993-9.
  • mit Sibylle Duda: WahnsinnsFrauen. Dritter Band. suhrkamp TB, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-518-39334-0.
  • mit Susanne Gretter: Berühmte Frauen: 300 Portraits. Insel, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-458-16949-0.
  • mit Susanne Gretter: Berühmte Frauen 2: 300 Portraits. Insel, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-458-17067-7.

Eigene Artikel:

Interviews:

Filme:

Würdigung:

Einzelnachweise

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  1. Christine Olderdissen: Luise F. Pusch und der Genderstern. In: genderleicht.de. 10. Dezember 2020, abgerufen am 12. Januar 2021.
  2. Internetseite von FemBio Frauen-Biographieforschung e.V.
  3. Mareike Nieberding: „Unsere Grammatik widerspricht dem Grundgesetz“. In: Süddeutsche Zeitung. 22. Dezember 2020https://archive.is/1X1pR
  4. a b Jochen Wegner, Christoph Amend: Luise Pusch, warum ist Deutsch eine Männersprache? (mit Podcast Alles gesagt?) In: Zeit Online, 22. November 2022, abgerufen am 26. November 2022.
  5. Luise F. Pusch: Kontrastive Untersuchungen zum italienischen „gerundio“. Max Niemeyer Verlag, Tübingen 1980, ISBN 3-484-10321-3.
  6. Luise F. Pusch: vita. (Memento vom 15. März 2008 im Internet Archive) In: LuisePusch.de. 24. September 2007, abgerufen am 15. Juli 2020.
  7. Chantal Louis: Luise Pusch: Die Frauensprachlerin. In: Emma. Januar/Februar 2014.
    Dorothee Hermann: Luise Pusch und Joey Horsley erforschen die Geschichte(n) der Frauenliebe. In: Schwäbisches Tagblatt. 13. November 2010.
  8. Urs Bühler: Die GeisterInnen, die sie rief. In: NZZ am Sonntag Magazin, 7. Januar 2024, S. 16–20.
  9. Dies sei – wie sich aus damaligen Diskussionen bei ihren Vorträgen ergab – kein Pleonasmus, sondern erforderlich, um zu zeigen, dass eine weibliche Professorin und nicht eine sonst möglicherweise mitmeinbare männliche gemeint ist.
  10. Blog Laut und Luise.
  11. Luise F. Pusch: Frauenquote fürs Cockpit! emma.de, 27. März 2015.
  12. Gesundheitliche Lage der Männer in Deutschland, 2014: Kapitel 2 – Wie geht es Männern? (Memento vom 7. März 2016 im Internet Archive) (= Beiträge zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes). Robert Koch-Institut, Berlin 2014, S. 58–59: 2012 „7.287 Sterbefälle durch Suizid […] bei Männern […], Frauen: 2.603 Sterbefälle“.
  13. a b Jenny Becker: „Amoktrips sind Männersache“. Die Zeit, 29. März 2015, abgerufen am 3. Mai 2019.
  14. Tatjana Kerschbaumer: Frauenquote fürs Cockpit? Der Tagesspiegel, 28. März 2015, abgerufen am 3. Mai 2019.
  15. „Emma“ irritiert mit Kommentar zur Germanwings-Katastrophe. Der Spiegel, 28. März 2015, abgerufen am 3. Mai 2019.
  16. Luise F. Pusch im Interview mit Nadja Schlüter, Süddeutsche Zeitung: Das Gendersternchen ist nicht die richtige Lösung jetzt.de, 22. April 2019.
  17. Luise F. Pusch in: Wie Frauen wieder verschwinden emma.de, 8. Sept. 2023.
  18. Diese Frau ist der Rede wert – Luise Pusch, BücherFrau des Jahres 2004 wird auf der Frankfurter Buchmesse geehrt. Fembio Presse, abgerufen am 30. März 2015.
  19. Inge von Bönninghausen (Hrsg.): Die Sprachwandlerin – Luise F. Pusch. Zurufe und Einwürfe von Freundinnen und Weggefährtinnen. Wallstein Verlag, Göttingen, 2014, ISBN 978-3-8353-1427-6 (mit Beiträgen u. a. von Eva Rieger, Helke Sander, Anatol Stefanowitsch und Senta Trömel-Plötz).
  20. Auszeichnung für verdiente HannoveranerInnen – Oberbürgermeister würdigt sieben Frauen und Männer, hannover-entdecken.de, 20. Juni 2014
  21. Mit Wissen und Witz im Einsatz für die Frau. In: Allgemeine Zeitung. 28. November 2016, Link, Zugriff am 18. August 2017.
  22. Luise F. Pusch bricht das lesbische Schweigen, Queer.de, veröffentlicht und abgerufen am 3. November 2022.