Landgrafschaft Hessen-Darmstadt

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Territorium im Heiligen Römischen Reich
Landgrafschaft Hessen-Darmstadt
Wappen
Wappen Landgrafschaft Hessen-Darmstadt (1736–1804)
Karte
Landgrafschaft Hessen-Darmstadt 1789
Entstanden aus bis 1567 Landgrafschaft Hessen
Herrscher/
Regierung
Landgraf
Heutige Region/en DE-HE, DE-RP
Reichstag Reichsfürstenrat: 1 Virilstimme auf der Weltlichen Bank
Reichsmatrikel aufgeteilt in Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt[1]
Reichskreis Oberrheinischer Reichskreis
Hauptstädte/
Residenzen
Darmstadt
Dynastien Hessen
Konfession/
Religionen
lutherisch
Sprache/n Deutsch
Aufgegangen in 1806 Großherzogtum Hessen

Die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt war ein Fürstentum des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation. Sie entstand 1567 bei der Teilung der Landgrafschaft Hessen aus der Obergrafschaft Katzenelnbogen und wurde durch den Beitritt zum Rheinbund 1806 zum Großherzogtum Hessen. Die Hauptstadt der Landgrafschaft war Darmstadt. Die Landgrafschaft gehörte zum Oberrheinischen Reichskreis.

Geografische Lage

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Die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt erstreckte sich am Ende des Alten Reichs weit über das Gebiet des heutigen Bundeslandes Hessen hinaus. Die nördlichsten Landesteile lagen als Enklaven im Fürstentum Waldeck, etwa auf der Höhe von Kassel, die südlichsten Landesteile beidseits des Rheins, etwa auf der Höhe von Straßburg. Das Territorium bestand aus 10 größeren, untereinander nicht verbundenen Teilen und darüber hinaus aus einer weitaus größeren Zahl kleinerer Gebietssplitter.[2]

Schloss Lichtenberg wurde ab 1570 für Landgraf Georg I., den Begründer der Darmstädter Linie, errichtet.

Söhne Philipps des Großmütigen

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Nach dem Tod des letzten (gesamt-)hessischen Landgrafen Philipp I. („der Großmütige“) am 31. März 1567 wurde die Landgrafschaft Hessen unter den vier Söhnen aus seiner ersten Ehe aufgeteilt: Wilhelm erhielt den nun Hessen-Kassel genannten nördlichen Teil, Ludwig erhielt Hessen-Marburg, Philipp Hessen-Rheinfels und Georg I. den nun als „Hessen-Darmstadt“ bezeichneten südlichen Landesteil.

Die vier regierenden hessischen Landgrafen versuchten, eine für alle vier Landesteile verbindliche Rechtsordnung zu vereinbaren. Das Projekt scheiterte jedoch. Georg I. rekurrierte deshalb 1589 auf eine Rechtssammlung, die sein Kanzler, Johann Kleinschmidt, etwa 20 Jahre zuvor erstellt hatte, und ließ diese von den Rechtsanwendern in der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt nutzen.

Nach dem Aussterben der Grafen von Diez, die aus der Zweitehe von Philipp I. stammten, teilten die hessischen Landgrafen deren Erbe. Hessen-Darmstadt erhielt daraus Dorf und Schloss Alsbach sowie ein Viertel des mit der Kurpfalz kondominalen Amtes Umstadt.[3]

Da die Landgrafen Philipp von Hessen-Rheinfels und Ludwig von Hessen-Marburg 1583 und 1604 jeweils kinderlos starben, fielen deren Territorien an ihre Brüder, also an Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt. Von Hessen-Rheinfels erbte Hessen Darmstadt die Ämter Schotten und Stornfels, die Hessen-Marburger Erbschaft war Ausgangspunkt für einen Jahrzehnte anhaltenden Streit zwischen den beiden verbliebenen Linien.

Zum Erbfolgestreit um Hessen-Marburg trat noch der konfessionelle Gegensatz: Während Hessen-Darmstadt lutherisch blieb, wandte sich Hessen-Kassel dem reformierten Zweig der Evangelischen zu. Als Reaktion auf den von Moritz dem Gelehrten (von Hessen-Kassel) an der gesamthessischen Universität Marburg erzwungenen Konfessionswechsel gründete Hessen-Darmstadt 1607 die lutherische Universität Gießen.

1622 wurde durch Erbteilung die Landgrafschaft Hessen-Homburg aus Hessen-Darmstadt ausgegliedert.

Im Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) kämpften die beiden Landgrafschaften auf unterschiedlichen Seiten, die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt auf der kaiserlichen. In diesem Kontext kam der unausgewogene Vergleich vom 24. September 1627 zustande.[4] Hessen-Darmstadt erhielt dadurch den überwiegenden Teil der ehemaligen Landgrafschaft Hessen-Marburg, deren Gebiet in Oberhessen einschließlich der Universität Marburg und ihren Gütern, die Niedergrafschaft Katzenelnbogen und das hessen-kasselische Viertel am Kondominat Umstadt. Das aber war nicht von Dauer, führte vielmehr zu weiteren militärischen Auseinandersetzungen zwischen den beiden hessischen Staaten, dem Hessenkrieg, einem Krieg innerhalb des Dreißigjährigen Kriegs.

Die Auseinandersetzung wurde so erst mit einem Vertrag vom 14. April 1648, den der kurz darauf abgeschlossene Westfälische Frieden bestätigte[5], beigelegt. Die Gewinne, die Hessen-Darmstadt 1627 gemacht hatte, wurden dadurch teilweise wieder zurückgenommen. Die Kasseler Landgräfin Amalie Elisabeth agierte hier sehr erfolgreich. Oberhessen wurde nun dauerhaft geteilt, Marburg und die Niedergrafschaft Katzenelnbogen (außer dem Amt Braubach), das Amt Schmalkalden und ein Viertel des Kondominats Umstadt fiel an Kassel[6], das Übrige verblieb bei der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt[7]:

17. und 18. Jahrhundert

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Residenzschloss Darmstadt

In der Folgezeit konnten an größeren Komplexen noch erworben werden:

1772/73 erreichte der 1772 bis 1780 amtierende Staatsminister Friedrich Karl von Moser eine Schuldenregelung und sanierte die zerrütteten Staatsfinanzen.

Das Ende des Alten Reichs

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Mit dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 konnte Hessen-Darmstadt erhebliche Gebiete hinzugewinnen, die die Verluste auf der linken Rheinseite an Frankreich weit überwogen[15]:

Sowohl Hessen-Darmstadt als auch die Markgrafschaft Baden waren bei diesem Zuwachs in den Besitz von Gebietsteilen gekommen, die jeweils zu den Stammlanden des anderen viel günstiger und weit abgelegen vom eigenen Territorium (nach dem Stand von 1803) lagen. Sie schlossen deshalb unter dem 14. März 1803 einen Tauschvertrag. Danach übergab

ab.[16]

Vor den Gebietsgewinnen von 1803 hatte die Landgrafschaft etwa 210.000 Einwohner gehabt, danach etwa 400.000.[17] Dieser massive Zugewinn verstärkte das seit langem bestehende Problem, dass die historisch gewachsenen Verwaltungseinheiten sehr unterschiedlich organisiert waren und unterschiedliche Größen aufwiesen. Auch sonst bestand erheblicher Reformbedarf. So kritisierte etwa Landgraf Ludwig X. bei seinem Regierungsantritt 1790 die „langschleichende und lotteriemäßige Justizverfassung“ des Landes.[18]

Dem versuchte die Regierung durch zwei Organisationsedikte vom 12. Oktober 1803 beizukommen, die eine einheitliche Verwaltung auf oberster und mittlerer Ebene für das ganze Land einführten.[Anm. 2] Als Autor der Edikte wird Ludwig Minnigerode vermutet, als Vorbild die etwa ein halbes Jahr ältere Reorganisation in der Markgrafschaft Baden.[19] Das erste Edikt gliederte die Verwaltung neu, das zweite definierte die Geschäftsbereiche dieser neuen Verwaltungen.[20]

Damit war die Verwaltung auf mittlerer („oberer“) Ebene einheitlich und neu organisiert – für die untere Ebene gelang das erst in zwei Schritten im Großherzogtum Hessen 1821 und 1835.[21] Die Reform von 1803 hatte Bedeutung über das kurz darauf erfolgende Ende der Landgrafschaft hinaus, da sie die Grundlage für das dann neu geschaffene Großherzogtum Hessen bildete.[22]

Eine politische Intrige, 1805 angezettelt von Landgräfin Luise Henriette Karoline von Hessen-Darmstadt, gegen den frankreichfreundlichen Staatsminister Carl Ludwig von Barckhaus gen. von Wiesenhütten, führte die hessen-darmstädtische Politik in den Versuch, neutral zu bleiben, was die Landgrafschaft an den Rand des Untergangs manövrierte. Erst das erneute Umschwenken des Landgrafen in letzter Minute auf die französische Seite 1806 konnte das gerade noch verhindern[23], führte aber dazu, dass die folgenden Gebietsgewinne im Vergleich zu den Nachbarn Württemberg und Baden geringer ausfielen.[24]

Am 1. August 1806 trat die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt zusammen mit den anderen Territorien aus dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation aus, woraufhin der Kaiser am 6. August 1806 die Krone niederlegte. Das Reich hatte sich aufgelöst. Am 14. August 1806 erfolgte, gegen Stellung hoher Militärkontingente an Frankreich, die Erhebung der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt zum Großherzogtum Hessen.

1568–1596 Georg I.
1596–1626 Ludwig V.
1626–1661 Georg II.
1661–1678 Ludwig VI.
1678 Ludwig VII.
1678–1739 Ernst Ludwig
1739–1768 Ludwig VIII.
1768–1790 Ludwig IX.
1790–1830 Ludwig X. (ab 1806 als Großherzog Ludewig I.)
Wappen der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt vor 1736

Der Wappenschild ist gespalten und zwei Mal geteilt mit Herzschild

I. Fürstentum Hersfeld (ehemalige Abtei, 1648 an Hessen-Kassel; Hessen-Darmstadt, selbst ohne Gebietsgewinn, zog heraldisch nach und bildete Hersfeld ebenfalls ab): in Silber ein rotes Patriarchenkreuz
II. Grafschaft Ziegenhain: von Schwarz über Gold geteilt, oben ein sechsstrahliger, silberner Stern
III. Grafschaft Katzenelnbogen (1479 an Hessen): in Gold ein blau gekrönter, roter Löwe
IV. Grafschaft Diez (1386 an Katzenelnbogen, nach deren Aussterben 1479 an Hessen): In Rot zwei schreitende goldene Leoparden übereinander
V. Herzschild: in Blau ein von Silber und Rot neunfach geteilter, golden gekrönter und bewehrter Löwe (Landgrafschaft Hessen)
VI. (geteilt) oben Grafschaft Nidda (1450 an Hessen): von Schwarz über Gold geteilt, oben zwei achtstrahlige silberne Sterne; unten Grafschaft Isenburg-Büdingen: in Silber zwei schwarze Balken
VII. Grafschaft Schaumburg (1648 an Hessen-Kassel): in Rot ein von Silber über Rot geteiltes Schildchen umgeben von einem silbernen Nesselblatt

Das Handbuch der Hessischen Geschichte bewertet die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt als weniger imposant […, deren] bizarre Zusammensetzung auf die Wechselfälle dynastischer Herrschaft zurückzuführen ist.[25]

  • Martin Zeiller: Darmstatt. In: Matthäus Merian (Hrsg.): Topographia Hassiae et Regionum Vicinarum (= Topographia Germaniae. Band 7). 2. Auflage. Matthaeus Merians Erben, Frankfurt am Main 1655, S. 38 (Volltext [Wikisource]).
  • L. Ewald: Beiträge zur Landeskunde. In: Grossherzogliche Centralstelle für die Landes-Statistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Grossherzogthums Hessen. Jonghaus, Darmstadt 1862.
  • Eckhart G. Franz, Peter Fleck, Fritz Kallenberg: Großherzogtum Hessen (1800) 1806–1918. In: Handbuch der Hessischen Geschichte. Band 4.2: Die Hessischen Staaten bis 1945 (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen. Band 63). Elwert, Marburg 2003, S. 667–933.
  • Arthur Benno Schmidt: Die geschichtlichen Grundlagen des bürgerlichen Rechts im Großherzogtum Hessen. Curt von Münchow, Giessen 1893.
  1. Dies waren: die Hälfte von Eberstadt, die Burg Frankenstein und die Dörfer Allertshofen, Ober-Beerbach, Nieder-Beerbach, Schmal-Beerbach und Stettbach (Ewald, S. 44).
  2. Die beiden Organisationsedikte wurden damals gedruckt veröffentlicht, dann aber offensichtlich nie wieder, so dass sie heute nur in Archiv-Beständen greifbar sind (Franz/Fleck/Kallenberg: Großherzogtum Hessen, S. 696).
  3. Das Kriegsministerium wurde zunächst als „Oberkriegskolleg“ bezeichnet, ab dem 4. Juli 1821 als „Kriegs-Ministerialdepartment“ und ab dem 14. Mai 1823 als „Kriegsministerium“. Es nahm eine Sonderstellung ein und zählte nicht zum (Gesamt-)Ministerium.

Einzelnachweise

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  1. Hessen / Landgrafen / geben mit einander 50. zu Roß / 260. zu Fuß / oder an Gelt 1640 fl. Davon in der Nürnbergischen Repartition 1093. fl. 20 Kr. der Casselischen; vnd 546. fl. 40. Kr. der Darmstättischen Lini / zugerechnet worden. zit. nach Verzeichnuß / Deß Heyl: Römischen Reichs / Teutscher Nation / Hochlöblichster: Hoch: und Wol-löblicher Stände / nach den Zehen Reichs-Craissen
  2. Franz u. a., S. 680.
  3. Schmidt, S. 6. Die dort für den Erbfall angegebene Jahreszahl 1577 dürfte unzutreffend sein.
  4. Schmidt, S. 7, Anm. 13.
  5. Schmidt, S. 8.
  6. Schmidt, S. 8, Anm. 18.
  7. Schmidt, S. 9.
  8. Schmidt, S. 9, Anm. 23.
  9. Ewald, S. 44.
  10. Ewald, S. 44.
  11. Ewald, S. 44f.
  12. Ewald, S. 45.
  13. Reinhard Dietrich: Die Landes-Verfaßung in dem Hanauischen. Die Stellung der Herren und Grafen in Hanau-Münzenberg aufgrund der archivalischen Quellen = Hanauer Geschichtsverein 1844 (Hg.): Hanauer Geschichtsblätter Band 34. Hanau 1996. ISBN 3-9801933-6-5, S. 208–210.
  14. Ewald, S. 45.
  15. § 7 Reichsdeputationshauptschluss.
  16. Schmidt, S. 16, Anm. 51, 53, S. 17 und Anm. 54.
  17. Franz/Fleck/Kallenberg: Großherzogtum Hessen, S. 685.
  18. Franz/Fleck/Kallenberg: Großherzogtum Hessen, S. 712.
  19. Franz/Fleck/Kallenberg: Großherzogtum Hessen, S. 697.
  20. Franz/Fleck/Kallenberg: Großherzogtum Hessen, S. 696f.
  21. Eckhart G. Franz: Einleitung. In: Hans Georg Ruppel und Karin Müller: Historisches Ortsverzeichnis für das Gebiet des ehem. Großherzogtums und Volksstaats Hessen mit Nachweis der Kreis- und Gerichtszugehörigkeit von 1820 bis zu den Veränderungen im Zuge der kommunalen Gebietsreform = Darmstädter Archivschriften 2. Historischer Verein für Hessen, Darmstadt 1976, S. 8.
  22. Franz/Fleck/Kallenberg: Großherzogtum Hessen, S. 697.
  23. Franz/Fleck/Kallenberg: Großherzogtum Hessen, S. 687f.
  24. Franz/Fleck/Kallenberg: Großherzogtum Hessen, S. 694.
  25. Franz/Fleck/Kallenberg: Großherzogtum Hessen, S. 693.