Elektrotherapie

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Elektrotherapie oder Elektromedizin ist die Bezeichnung für therapeutische Anwendungen von elektrischem Strom in der Medizin und in der physikalischen Therapie. Für einige der Verfahren werden synonym auch die Begriffe Reizstrom­therapie oder Feinstromtherapie benutzt.

Gemeinsam ist diesen Verfahren, dass während der Anwendung Gleich- oder Wechselströme den Körper oder Körperteile durchfließen. Die entsprechenden Ströme werden entweder über mit der Hautoberfläche leitend verbundene Elektroden oder über Elektroden in einem Wasserbad zugeführt. Bei Anwendungen von Implantaten zur funktionellen Elektrostimulation sind die stromabgebenden Elektroden dagegen im Gewebe. Eine Sonderstellung nehmen Verfahren ein, bei denen durch Magnetfelder im Körperinneren elektrische Wechselspannungen nach dem Induktionsgesetz erzeugt werden (transkranielle Magnetstimulation, pulsierende Signaltherapie usw.).

Eine Sonderform stellt auch die Iontophorese von Arzneistoffen über die Haut dar. Durch eine vorhandene elektrische Ladung eines Medikamentes kann dieses im elektrischen Feld in das Gewebe transportiert werden. Der Effekt kann dazu führen, dass ein Vielfaches an entsprechenden Arzneistoffen in kürzerer Zeit ins Gewebe gelangen, als wenn diese auf die Haut aufgetragen werden. Die Verteilung des Medikamentenwirkstoffes geschieht über die in der Haut liegenden Blutgefäße.

Beim Ausfall von Nerven in der Peripherie des Körpers, also besonders an Armen und Beinen, kommt es zum Abbau von Muskelzellen des vom geschädigten Nerv versorgten Muskels. Um dies zu vermeiden, werden während einer Therapiesitzung Elektroden angebracht und mit geringen Stromimpulsen (Reizstrom) die Funktion des betroffenen Nerven stimuliert. Dadurch bewegt sich der bedrohte Muskel wieder und atrophiert weniger rasch.

Die Muskeln reagieren je nach Dauer der Denervierung auf verschiedene Stromarten unterschiedlich gut. Im Allgemeinen werden bei längerbestehenden Denervationen mit Exponentialströmen mit relativ langen Dreieckimpulsen die besten Ergebnisse erzielt, weil die Muskeln nur noch auf längere Stromimpulse ansprechen. Es werden Dreieckimpulse eingesetzt, weil die gesunde Muskulatur wegen der noch vorhandenen Adaptationsfähigkeit nicht auf diese Impulsform anspricht. Doch auch Faradisation und Rechteckstrom kommen zum Einsatz. Konstanter Gleichstrom (Galvanisation genannt) kann keine Kontraktionen auslösen.

Bereits 1744 machte Gottlob Krüger (1715–1759) auf in der künstlich erzeugten Elektrizität verborgenen Heilkräfte aufmerksam.[1] Elektromagnetische Wechselfelder werden seit dem Jahr 1764[2] in der Medizin verwendet, hauptsächlich zur Erwärmung und Durchblutungssteigerung (siehe Diathermie), damit verbunden zur Verbesserung der Wund- und Knochenheilung.[3] Von Anton de Haen (1704–1776) wurden im 18. Jahrhundert Versuche unternommen, Elektrizität zur Behandlung von Geschwüren zu verwenden.[4] Johann Matthäus Ernst verfasste 1774 unter dem Präsidium von Franz Heinrich Meinolph Wilhelm Observationum electrico-medicarum decuria quattor, worin er von 40 Patienten des Würzburger Juliusspitals mit unterschiedlichsten Erkrankungen berichtet, die durch das „Elektrisieren“ geheilt wurden.[5]

Danach wurden elektrotherapeutische Verfahren in der modernen Medizin von Christoph Heinrich Ernst Bischoff (1781–1861), der später als Professor der Pharmakologie an der Universität Bonn wirkte, in seiner Jenaer Dissertation von 1801 bei der Behandlung von neurologischen Krankheiten am Menschen beschrieben. Bischoff war von 1818 bis zu seinem Tod Professor der Pharmakologie und Staatsarzneikunde in Bonn. Bischoff verwendete in seiner elektrotherapeutischen Vorrichtung Silberelektroden, um das „paralysierte Organ“ seiner Patienten zu heilen.[6][7]

Um 1854 wandten Guillaume Duchenne und Robert Remak die Elektrotherapie an.[8]

Fritz Kaufmann verwendete 1903 als Assistent in der Erbschen Klinik in Heidelberg die (nach Michael Faraday benannte) Faradisierung („faradische Pinselung“[9]) zur Behandlung „hysterischer Lähmungen“. In ähnlicher Weise wandte er als Stabsarzt um 1916[10] die „Kaufmann-Kur“ (von Kaufmann als „Überrumpelungstherapie“[11] bezeichnet), ein Setzen kurzer Schmerzreize mittels des „Erlanger Pantostaten“ (jedoch nicht mit „faradischem Strom“, sondern dem gefährlicheren[12] „sinusoidalem Wechselstrom“) an, die an Kriegstraumata (insbesondere Kriegsneurosen[13]) leidende Soldaten des Ersten Weltkriegs wieder kriegsdienstverwendungsfähig machen sollte, allerdings „in fast keinem Fall“ erfolgreich war.[14] Während des Ersten Weltkrieges sollen laut Jellinek in deutschen Krankenhäusern 20 Soldaten durch Elektrotherapie zu Tode gekommen sein.[15] Wegen der Gefährlichkeit der sinusoidalen Ströme wurden diese 1917 verboten.[16][17]

Auch in die Anästhesiologie fand die Elektrotherapie Eingang.[18]

Elektromedizinische Behandlungsverfahren

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Wärmewirkung hochfrequenter Felder
Therapien mit Stromfluss
Magnetwirkungen

Historische Literatur

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  • Josef Kowarschik: Elektrotherapie. Ein Lehrbuch. Berlin/Heidelberg 1920.

Einzelnachweise

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  1. Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 33.
  2. Oscar Frankl: Die physikalischen Heilmethoden in der Gynäkologie. online archiviert, abgerufen am 17. Dezember 2011.
  3. Nagelschmidt: Diathermie. 2. Auflage. online archiviert, abgerufen am 17. Dezember 2011.
  4. Georg Fischer: Chirurgie vor 100 Jahren. Historische Studie. [Gewidmet der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie]. Verlag von F. C. W. Vogel, Leipzig 1876; Neudruck mit dem Untertitel Historische Studie über das 18. Jahrhundert aus dem Jahre 1876 und mit einem Vorwort von Rolf Winau: Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg / New York 1978, ISBN 3-540-08751-6, S. 461.
  5. Andreas Mettenleiter: Das Juliusspital in Würzburg. Band III: Medizingeschichte. Herausgegeben vom Oberpflegeamt der Stiftung Juliusspital Würzburg anlässlich der 425jährigen Wiederkehr der Grundsteinlegung. Stiftung Juliusspital Würzburg (Druck: Bonitas-Bauer), Würzburg 2001, ISBN 3-933964-04-0, S. 210.
  6. Commentatio De Vsv Galvanismi In Arte Medica Speciatim Vero In Morbis Nervorvm Paralyticis : Additis tab. aeneis II, Ienae, In Bibliopolio Academico, 1801.
  7. Artikel im Deutschen Ärzteblatt
  8. Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 38.
  9. Auch Sigmund Freud hatte bei seiner Patientin Emmy v. N. eine „faradische Pinselung des anästhetischen Beines“ am 16. Mai 1889 vorgenommen. Siehe Sigmund Freud: Krankengeschichten, Frau Emmy v. N..., vierzig Jahre, aus Livland. In: Sigmund Freud, Gesammelte Werke, Studien über Hysterie, Frühe Schriften zur Neurosenlehre. Band 1. Frankfurt am Main 1999, S. 99–162, hier: S. 125.
  10. Fritz Kaufmann: Die planmässige Heilung komplizierter psychogener Bewegungsstörungen bei Soldaten in einer Sitzung. In: Münchner medizinische Wochenschrift. Band 64, 1916, S. 802–804.
  11. Vgl. dazu auch Uwe Henrik Peters: Wörterbuch der Psychiatrie und medizinischen Psychologie. 4. Auflage. München/Wien/Baltimore 1990, unter Stichwort Protreptik („Durch begütigendes Zureden zusammen mit schroff befehlender Verbalsuggestion und unter Zuhilfenahme von Apparaturen (Faradisieren) wird beim Kranken ein unangenehmer Affekt erzeugt, der innerhalb einer einzigen Sitzung zum Verschwinden der Erscheinungen führt“).
  12. Ludwig Mann: Neue Methoden und Gesichtspunkte zur Behandlung der Kriegsneurosen. In: Berliner Klinische Wochenschrift. Band 53, 1916, S. 1333–1338, insbesondere S. 1335.
  13. Vgl. auch Sigmund Freud: Gutachten über die elektrische Behandlung der Kriegsneurotiker. In: Sigmund Freud, Gesammelte Werke, Nachtragsband, Texte aus den Jahren 1885–1938. S. 704–710.
  14. Reinhard Platzek zu: Reinhard Steinberg, Monika Pritzel (Hrsg.): 150 Jahre Pfalzklinikum. Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde in Klingenmünster. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2012, ISBN 978-3-515-10091-5. In: Fachprosaforschung – Grenzüberschreitungen. Band 8/9, 2012/2013 (2014), S. 578–582, hier: S. 579.
  15. Kurt Robert Eissler: Freud und Wagner-Jauregg vor der Kommission zur Erhebung militärischer Pflichtverletzungen, Wien: Löcker, 1979 (Neuausgabe 2006), S. 222.
  16. Stefanie Caroline Linden, Edgar Jones: German Battle Casualities: The Treatment of Functional Somatic Disorders during World War I. In: Journal of the history of medicine and allied sciences. Band 68, 204, S. 627–658, hier: S. 634.
  17. Reinhard Platzek: Die psychiatrische Behandlung nach Kaufmann – in Wahrheit ärztliche Folter? Eine Überlegung zur modernen Wahrnehmung der Elektrosuggestivtherapie. In: Medizinhistorische Mitteilungen. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte und Fachprosaforschung. Band 34, 2015 (2016), S. 169–193.
  18. Gerhard Endres: Elektrotherapie des Anästhesisten. Medizinische Habilitationsschrift, Jena 1964.
  19. T. M. Proebstle, H. A. Lehr u. a.: Endovenous treatment of the greater saphenous vein with a 940-nm diode laser: thrombotic occlusion after endoluminal thermal damage by laser-generated steam bubbles. In: Journal of vascular surgery. Band 35, Nummer 4, April 2002, S. 729–736. PMID 11932671.
  20. R. Weiss: Varicose Veins Treated With Radiofrequency Ablation Therapy. In: Emedicine. 2. September 2009.