Statistiken zu Klima-Kipppunkten
Eis- und Permafrostsysteme
Bezüglich der Anzahl der Klima-Kipppunkte sind sich Klimaforscher:innen uneinig: Beispielsweise benennt der "Global Tipping Points Report" aus dem Jahr 2023 25 Kipppunkte im Erdsystem, während das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK) lediglich 16 Kipppunkte zählt. Ein weiteres grundlegendes Problem der Kipppunkteforschung: Es gibt viele Variablen, die sich gegenseitig bedingen. Zu den bekanntesten Kipppunkten zählen die Eissysteme. Vor allem durch Eisschilde auf der Antarktis und auf Grönland droht ein Meeresspiegelanstieg, der Küstenregionen auf der ganzen Welt gefährdet. Aber auch abseits des Meeresspiegels tragen Eisflächen zur Systemstabilität bei. So reflektieren die Meereisdecken die eintreffende Sonnenstrahlung und kühlen so das Klima, sind aber auch wichtiger Bestandteil von Ökosystemen von etwa Narwalen und Eisbären.Auch Gebirgsgletscher könnten, wenn sie schmelzen, etwa 30 Prozent zum Meeresspiegelanstieg beitragen. Ähnlich kritisch für den Menschen ist aber ihre Funktion als Trinkwasserreserve, von der viele Millionen Menschen abhängen.
Paradigmatisch für einen sich selbst verstärkenden Kipppunkt sind auch die borealen Permafrostböden. Permafrostböden sind potente Kohlenstoffspeicher, in denen ab einem Grenzwert der Bodenkohlenstoff in die Atmosphäre gelangt und so die Erderwärmung verstärkt. Die Datenerhebung ist kompliziert, es wird aber davon ausgegangen, dass die Treibhausgase, die durch das Auftauen der Permafrostböden freigesetzt werden, bis 2300 etwa 0,4 Grad Celsius zur Klimaerwärmung beitragen könnten.
Besonders herausfordernd an Emissionen aus Permafrostböden ist, dass sie eine unkontrollierbare Treibhausgasquelle darstellen, die weiter emittiert, auch wenn direkte Emissionen durch den Menschen bereits auf ein Minimum reduziert werden konnten.
Strömungssysteme
Durch Unterschiede in Wassertemperatur und Salzgehalt kommt es zu großen Strömungsbewegungen in den Weltmeeren. Zu den größten und vom Klimawandel bedrohten Meeresströmungen gehört der Nordatlantikstrom, die Verlängerung des Golfstroms Richtung Europa. Durch ihn sorgt einerseits warmes Oberflächenwasser für ein mildes Klima in Europa, andererseits wird kaltes Tiefenwasser nach Süden transportiert, was wichtig für den Erhalt von Ökosystemen ist.Durch verstärkte Niederschläge und das Schmelzen der Süßwasserspeicher droht dieser Strom sich zu verlangsamen. Salzwasser ist dichter als Süßwasser, sinkt vor Grönland durch die Abkühlung ab, was einen der Hauptmotoren der Strömung darstellt. Durch einen erhöhten Süßwassereintrag würde sich diese Dynamik abschwächen. Die Folgen wären weitreichend: Die Südhalbkugel würde sich weiter erwärmen, während sich der Nordatlantik und die umgebenden Regionen abkühlen könnten. Dazu kämen Extremwetterereignisse in Europa, eine Abschwächung des Monsuns in Afrika und Asien, weitreichende Folgen für die Ökosysteme im Atlantik und ein regionaler Meeresspiegelanstieg an der Atlantikküste der USA von bis zu einem Meter.
Ökosysteme
Ökosysteme werden sich zwangsläufig bei drastischen Veränderungen von Wetter oder Geografie anpassen. Am dramatischsten ist die Lage bei Korallenriffen, die durch verschiedene, menschengemachte Faktoren (z. B. konventioneller Fischfang, direkte Beschädigung durch Tourismus oder Meeresversauerung) belastet werden. Aber auch höhere Meerestemperaturen können zu breitem Korallensterben führen.Ähnlich kritisch steht es um die Regenwälder im Amazonasgebiet, die unter anderem auf die Niederschläge aus dem verdunsteten Wasser der Wälder angewiesen sind. Durch weniger Niederschläge könnte dieser Kreislauf zum Erliegen kommen und zusammen mit Abholzung und Waldbränden große Teile der Regenwälder zerstören, die einen wichtigen Beitrag zur Umwandlung von Kohlenstoffdioxid zu Sauerstoff beitragen.
Weniger eindeutig ist es um die Vegetation um den Nordpolarkreis und in der Sahelzone bestellt. Hier können Klimaveränderungen und Erderwärmungen sowohl zum Absterben von Vegetationen führen, aber auch neue Arten anziehen oder, wie im Falle der borealen Nadelwälder, eine Ausweitung Richtung Norden herbeiführen. Obwohl genannte Veränderungen disruptiv für Mensch und Natur sind, kann nicht vorhergesagt werden, ob die Effekte im Endeffekt positiv oder negativ sind.