Präzisionsgleichrichter
Ein Präzisionsgleichrichter ist eine elektronische Schaltung in der elektrischen Messtechnik, welche eine Wechselspannung gleichrichtet, aber ohne die üblichen Mängel, die reale Dioden mit sich bringen. Insbesondere zur Messung kleiner Wechselspannungen sind solche Schaltungen erforderlich.
Reale Diode
BearbeitenKleinsignal-Siliziumdioden können nur eingeschränkt für Messzwecke verwendet werden; allerdings gibt es auch kein besseres Bauelement für diesen Zweck. Die zwei grundlegenden Abweichungen vom idealen statischen Verhalten (in Klammern Richtwerte bei 25 °C für die Typen 1N4148 und 1N914[1]) sind:
* Sperrstrom | (< 25 nA) |
* Durchlassspannung | (≈ 0,7 V, abhängig von der Stromstärke) |
Dabei kann der Sperrstrom in aller Regel als Ursache für Messabweichungen unbeachtet bleiben, die Durchlassspannung wirkt aber sehr verfälschend, zumal der Zusammenhang zwischen Durchlassspannung und Durchlassstrom stark nichtlinear und temperaturabhängig ist.
Abweichungen von idealen dynamischen Verhalten dieser Dioden gibt es für die hier behandelten Messaufgaben nicht.
Schaltungsvarianten
BearbeitenEinweggleichrichter
BearbeitenMit Hilfe von rückgekoppelten Operationsverstärkern können reale Dioden so betrieben werden, dass sich die Schaltung wie eine ideale Diode verhält. Die Diode übernimmt weiterhin die Gleichrichtung, der Operationsverstärker kompensiert dabei die Durchlassspannung der Diode durch eine erhöhte Spannung an seinem Ausgang.[2] Unsymmetrische Wechselspannungs-Kurvenformen werden nicht richtig wiedergegeben, da nur die eine der beiden Halbschwingungen berücksichtigt wird.
Einfacher Einweggleichrichter
BearbeitenEine einfache Präzisionsgleichrichterschaltung besteht, wie in nebenstehender Abbildung dargestellt, aus einem Operationsverstärker mit einer Diode und einem Widerstand in Reihe am Ausgang. Bei dieser Schaltung führt eine negative Eingangsspannung dazu, dass die Diode sperrt und die Ausgangsspannung auf 0 V bleibt. Bei einer positiven Eingangsspannung ist gleich .
Der Nachteil dieser einfachen Schaltung besteht darin, dass bei einer negativen Eingangsspannung durch die dann blockierende Diode die negative Rückkopplung am Operationsverstärker unterbrochen wird. Dies führt dazu, dass im Operationsverstärker die Ausgangsspannung in die Begrenzung getrieben wird, aus der sie bei später wieder positiver Eingangsspannung zeitlich verzögert herausgelangt. Dieses schlechte Zeitverhalten führt zu Abbildungsfehlern und reduziert die Bandbreite vor allem bei kleinen Eingangsspannungen.
Verbesserter Einweggleichrichter
BearbeitenMit den fast immer zulässigen Näherungen des nicht übersteuerten idealen Operationsverstärkers
erzeugt die Messschaltung aus der Eingangsspannung ein Spannungs-Signal
unabhängig von der Durchlassspannung , selbst wenn ist.[2][3]
Bei dieser Schaltung ist in Abhängigkeit von der Polarität der Eingangsspannung immer eine der beiden Dioden leitend. Das vermeidet die Übersteuerung und Sättigung des Operationsverstärkers, wodurch sich das Zeitverhalten wesentlich verbessert. Da der Operationsverstärker die Durchlassspannung der Dioden zusätzlich zu aufbauen muss, kommt es bei einem Polaritätswechsel der Eingangsspannung am Ausgang des Operationsverstärkers zu Spannungssprüngen um etwa die doppelte Durchlassspannung der Dioden. Deswegen sollen vor allem bei kleinen Eingangssignalen Operationsverstärker mit möglichst hoher Spannungsanstiegsgeschwindigkeit (slew rate) eingesetzt werden.
Durch Ändern der Polarität beider Dioden in der Schaltung lässt sich wahlweise die positive oder die negative Halbschwingung auswerten.
Vollweggleichrichter
BearbeitenAddierschaltung
BearbeitenEs gibt mehrere Möglichkeiten, einen Präzisions-Vollweggleichrichter zu realisieren. Die bekannteste Lösung besteht darin, den Präzisions-Einweggleichrichter durch eine nachgeschaltete invertierende Addierschaltung mit einem zusätzlichen Operationsverstärker zu erweitern, wie in nebenstehender Schaltung gezeigt wird.
Dem einen Eingang der Additionsstufe mit dem Widerstand wird die Eingangsspannung zugeführt. Dem anderen Eingang der Additionsstufe mit dem Widerstand wird die Ausgangsspannung der Einweggleichrichtung zugeführt. Wie in der vorigen Schaltung gilt an beiden Operationsverstärkern
- ● Bei negativer Eingangsspannung ist D2 gesperrt, durch fließt kein Strom; . Damit fließt auch kein Strom durch . Da sich am Eingang des zweiten Operationsverstärkers die Spannung null einstellen muss, , muss am Ausgang der Additionsstufe eine positive Spannung entstehen. Zusätzlich mit muss sich einstellen.
- ● Bei positiver Eingangsspannung ist D2 leitend, durch fließt Strom; die Spannung wird negativ. Am ersten Verstärker stellt sich ein. Am Eingang des zweiten Operationsverstärkers gilt entsprechend
Mit der Dimensionierung vereinfacht sich das:
● bei ● bei
Am Ausgang erscheint zu jedem Zeitpunkt der Betrag der Eingangsspannung. Der Vollweggleichrichter hat somit die Übertragungsfunktion
- .
Die Durchlassspannung geht in das Ausgangssignal der Gleichrichterschaltung nicht ein, indem statt als Ausgangsspannung genommen wird. Der Verstärker muss nur in der Lage sein, an seinem Ausgang eine um größere Spannung aufzubauen.
Der Rückkopplungswiderstand kann ohne Einfluss auf die Funktion geändert werden, um die Gesamtverstärkung anzupassen. Wird beispielsweise der genannte Widerstand auf den 1,11fachen Wert erhöht, dann ist der Gleichwert der Ausgangsspannung so groß wie der Effektivwert einer sinusförmigen Eingangsspannung.
Die Ausgangsspannung ist im Rahmen der Belastbarkeit des zweiten Operationsverstärkers lastunabhängig.
Brückengleichrichtung
BearbeitenDie nebenstehende Messschaltung erzeugt ein Strom-Signal
unabhängig von und vom Innenwiderstand des Strommessgerätes.[2][4]
Die Schaltung verhält sich in gewissen Grenzen wie eine gesteuerte ideale Stromquelle. Der Ausgangsstrom ist proportional zum Betrag der Eingangsspannung.
Nachteilig an der Brückengleichrichterschaltung ist, dass an keinem der Anschlusspunkte des Messgerätes dasselbe Potential wie an einem der Anschlusspunkte der Eingangsspannung liegt. Eine Folgeschaltung anstelle des Messgerätes zur Weiterverarbeitung des so gewonnenen gleichgerichteten Stromes muss potentialfrei gegenüber der Eingangsspannung sein.
Anwendungen
BearbeitenEingesetzt werden Präzisionsgleichrichter beispielsweise zur Betragsbildung von Wechselgrößen in Multimetern bei Niederfrequenz. Bei batterielosen Strom- und Spannungsmessgeräten wird die Verzerrung durch passive Dioden-Messgleichrichter durch eine im unteren Bereich nichtlineare Skalenteilung in den Wechselgrößen-Messbereichen ausgeglichen. Die Verwendung eines Präzisionsgleichrichters erfordert zwar eine Stromversorgung, gestattet jedoch eine lineare Teilung durchgängig bis zum Nullpunkt und gestattet das Messen auch kleinerer Spannungen weit unter einem Volt.
Die nebenstehende Messschaltung zeigt als Beispiel einen Präzisions-Einweggleichrichter in einem Analogmultimeter. Mit den Kennwerten des Operationsverstärkers
gilt:
Während der positiven Halbschwingung von fließt der Strom durch das Messwerk; während der negativen Halbschwingung fließt ebenfalls, aber am Messwerk vorbei. Bei sinusförmiger Eingangsspannung mit der Amplitude entsteht durch ein den Gleichwert bildendes Drehspulmesswerk eine Anzeige des halben Gleichrichtwertes
Das Problem, dass aus dem Gleichrichtwert nur bei bekannter Kurvenform der Eingangs-Wechselspannung auf deren Effektivwert geschlossen werden kann, bleibt auch bei Präzisiosgleichrichtern bestehen.
Literatur
Bearbeiten- Paul Horowitz, Winfield Hill: The Art of Electronics. 2. Auflage. Cambridge Press, 1989, ISBN 0-521-37095-7, S. 221 - 222.
- Erwin Böhmer: Elemente der Angewandten Elektronik. Mind. 16 Auflagen seit 1979, Vieweg;
jetzt von Erwin Böhmer, Dietmar Ehrhardt, Wolfgang Oberschelp.
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Beispielsweise schnelle Universaldiode 1N914 für die Elektronik, Datenblatt [1]
- ↑ a b c Klaus Bystron, Johannes Bergmeyer: Grundlagen der Technischen Elektronik. Hanser, 1988, S. 343 f
- ↑ Ekbert Hering, Jürgen Gutekunst, Rolf Martin: Elektrotechnik für Maschinenbauer: Grundlagen. Springer, 1999, S. 196
- ↑ Albert Haug: Mikroelektronik und Mikroprozessoren für Maschinenbauer. Vieweg, 1987, S. 187